„Panama“ in der Uckermark

Sieben Freunde, ein Hof, ein Traum

Sieben Berliner Freunde haben sich im Naturpark Uckermärkische Seen einen Rückzugsort geschaffen. Hier finden sie ihr Glück auf dem Land – und trotzen dabei sogar Reichsbürgern.

Der Traum von Land-Idylle und Großstadtflucht hat sich für sieben Freunde aus Berlin erfüllt: „Panama“ ist ihr Abenteuerspielplatz und Rückzugsort.

© Petra Xayaphoum

Der Traum von Land-Idylle und Großstadtflucht hat sich für sieben Freunde aus Berlin erfüllt: „Panama“ ist ihr Abenteuerspielplatz und Rückzugsort.

Von Petra Xayaphoum

„Hier ist Panama“ steht mit schwarzem Filzstift auf einem Holzschild geschrieben, das am Zaun angebracht ist. Dahinter scheint die Sonne auf 8000 Quadratmeter Fläche. Das meiste davon ist Wiese, mit Wildblumen. Nichts ist zu hören außer dem Zirpen von Grillen und hier und da das Zwitschern einer müden Schwalbe, die sich bei 34 Grad im Schatten noch nicht verkrochen hat. Zur Rechten steht ein Bauernhaus aus Backsteinen, zur Linken eine große Scheune, Licht fällt durch ihre großen offenen Tore.

Passiert man die beiden Bauten eröffnet sich ein weites Areal mit Lagerfeuerstelle, Westernbar und Zirkuswagen. An manchen Stellen sind Gras und Korn so hoch gewachsen, dass man problemlos die berühmte Kornfeld-Szene in Ridley Scotts „Gladiator“ nachspielen könnte, in der Feldherr Maximus übers Weizenfeld spaziert und über die Ähren streicht. Nur, dass sich die Szene hier im Naturpark Uckermärkische Seen, zwischen der Stadt Lychen und ihrem Ortsteil Rutenberg abspielen würde, und nicht in der Toskana. Im Übrigen dabei nicht die Hand von Maximus-Darsteller Russel Crowe zu sehen, sondern die seines Doubles.

Der Traum vom eigenen Hof: Wie das Projekt begann

Mit dem Hof, den sie nach dem Sehnsuchtsort in Janoschs berühmten Kinderbüchern „Panama“ benannt haben, haben sich sieben Berliner Freunde einen Traum erfüllt: sich einen Rückzugsort vom Trubel der Großstadt zu schaffen. Einer von ihnen ist Tomek Kaczmarek, Wahl-Berliner aus Stuttgart, tätig für eine Stuttgarter Getränkeagentur. „Ich bin 2020 dazugestoßen“, erinnert er sich. Die sechs anderen Parteien hatten sich bereits gefunden, waren auf der Suche nach einer siebten gewesen und fanden sie in Kaczmarek im erweiterten Freundeskreis.

Vor allem während der Pandemie bewies sich „Panama“ als hervorragender Rückzugsort vor dem Koller der eigenen vier Wände. Alle Parteien hatten bis vor kurzem ihren Hauptwohnsitz in Berlin (eine ist nach Großbritannien ausgewandert), keiner wohnt tatsächlich fest auf dem Hof. „Es ist regelmäßig einer von uns auf dem Hof“, sagt Kaczmarek. „Dass wir es alle gleichzeitig schaffen, ist aber eher selten der Fall.“ Die Kommunikation läuft über einen gemeinsamen Gruppenchat.

Platz gäbe es dabei genug: Im Haupthaus sind neben einem Bad und einer Küche fünf Zimmer bewohnbar, Camping ist sowieso überall möglich. Die Mitte des Haupthauses wird derzeit noch als Lagerraum genutzt, genauso der Wintergarten. In Zukunft sollen auch die renoviert und auf Vordermann gebracht werden. Doch es gibt so oder so genug offene Projekte auf dem Gemeinschaftshof, täglich tut sich ein Neues auf: „Wenn man will, kann man sich hier den ganzen Tag beschäftigen“, gibt der Geislinger zu, während er eine Leiter hinaufsteigt, um ein neues Licht in der Scheune anzubringen. Kurz davor hat er die 400 Quadratmeter große Scheune aufgeräumt, die Spülmaschine repariert, Pfandflaschen weggebracht, altes Holz verbrannt.

Scheune, Zirkuswagen, Westernbar: Ein Rückzugsort wächst

Nächstes Jahr wollen seine Partnerin und er auf dem Gelände heiraten. „Bis dahin müssen wir noch viel Kleinarbeit leisten, zusätzliche sanitäre Anlagen bauen und die Scheune etwas weiter ausbauen“, prophezeit er. Die Scheune fungiert als Arbeits-, Koch- und Wohnzimmer von „Panama“. An langen Tischen kann dank Glasfaser-Internet – das es übrigens auf dem ganzen Gelände gibt – gearbeitet werden, es gibt einen Beamer mit Kino-Leinwand, eine Bar sowie eine große offene Küche. Die alten Holztore, die langsam, aber sicher aus den Angeln fallen, sollen bald gegen Tore aus Glas ausgetauscht werden. Ursprünglich gekostet hat der ganze Hof 150.000 Euro, bis das ganze Projekt mit teils maroder Substanz tatsächlich komplett saniert ist, wird es aber eine weitere sechsstellige Summe und viel Zeit benötigen.

Ein Hof – sieben Stimmen: Das besondere Gemeinschaftsmodell

Organisiert ist die Hofgemeinschaft als eGbR, eine eingetragene Gemeinschaft bürgerlichen Rechts, was ihnen im Gegensatz zur GbR eine eigene Rechtsfähigkeit gibt, sprich: Sie können Verträge unterzeichnen, klagen, aber auch verklagt werden. Besonders: Die sieben an „Panama“ beteiligten Parteien haben unterschiedlich viel Geld ins Projekt investiert, tragen aber dennoch jeweils eine Stimme bei gemeinsamen Entscheidungen, das ist vertraglich festgesetzt. „Für dieses Modell haben wir uns bewusst entschieden“, erklärt der 39-Jährige. Der Grundgedanke hinter „Panama“ sei freundschaftlich, gemeinschaftlich, sozial – und der solle unabhängig von finanziellem Input erhalten bleiben. „Wir sind eine Familie“, sagt Kaczmarek.

Mit Verwunderung blickt er in Richtung anderer Gemeinschaftshofprojekte, die mit 20 und mehr Parteien organisiert sind. Da ist Uneinigkeit vorprogrammiert. Ein Alptraum, wenn man den Exil-Schwaben fragt.

Kampf für die Demokratie: Wie das Dorf zusammenhält

Denn außerhalb des Hofzauns gibt es hier schon genug Konfliktpotenzial: Der Gründer der „Reichsbürger“-Gruppe „Königreich Deutschland“, Peter Fitzek, der sich selbst „König“ seines Fantasiestaats nennt und seit Mai dieses Jahres in Untersuchungshaft sitzt, hat intensiv mit dem benachbarten Rutenberg als Standort für sein sogenanntes „Königreich“ geliebäugelt. Wie auch in anderen ostdeutschen Regionen, versuchten er und seine mittlerweile vom Innenministerium verbotene Organisation „Königreich Deutschland“ Ländereien, Häuser und Grundstücke in und rund um Rutenberg aufzukaufen, um dort sein sogenanntes „Königreich“ auszurufen und die Demokratie zu unterwandern.

Sein demokratiefeindliches Gebaren fand indes bei einigen Dorfbewohnern so viel Anklang, dass sich die anderen gezwungen sahen, dem offen den Kampf anzusagen. Das „Demokratie Bündnis Rutenberg e.V.“, wie es auf zahlreichen Schildern an beteiligten Häusern und Höfen in Rutenberg als bekennendes Statement geschrieben steht, war geboren.

Gelebte Demokratie zum Anfassen

Die Botschaft in Rutenberg ist klar: Wir wollen keine Reichsbürger in unserem Dorf. Auch dem „Panama“-Zaun sind neben dem Briefkasten klare Positionen auf Schildern zu entnehmen: „Für Vielfalt – Kreuz ohne Haken“ und „Kein Ort für Völkische Siedler“. Der gescheiterte Versuch Fitzeks und seiner Anhänger hat die wehrhaften Dorfbewohner näher zusammengebracht. Wenn man mit Tomek Kaczmarek durchs Dorf läuft, kennt er jeden beim Namen.

Bei einem Backsteinhäuschen macht er Halt. „Das hier haben wir gemeinsam renoviert“, sagt er. Das Alte Feuerwehrhaus dient seitdem dem Demokratie Bündnis als überdachter Ort für Treffen und Kaffeekränzchen. Im September lädt man zum wiederholten Mal zum großen Demokratiefest mit Bühnentalks, Andacht, Live-Musik und Kinderprogramm. Ende September ist ein gemeinsamer Grillabend mit Pflanzentauschbörse geplant. 2024 wurde das Bündnis sogar von der Bundeszentrale für politische Bildung als „Botschafter für Demokratie und Toleranz“ ausgezeichnet. Die „Panamaer“ haben sich sicherlich nicht das einfachste Örtchen für ihr Projekt ausgesucht. Aber immerhin eines der nettesten.

Mitten im Grünen liegt der Gemeinschaftshof „Panama“.

© Petra Xayaphoum

Mitten im Grünen liegt der Gemeinschaftshof „Panama“.

Den Titel findet man unter anderem auf dem Zirkuswagen auf dem Hof.

© Petra Xayaphoum

Den Titel findet man unter anderem auf dem Zirkuswagen auf dem Hof.

Auch eigenes Gemüse und Kräuter werden angebaut.

© Petra Xayaphoum

Auch eigenes Gemüse und Kräuter werden angebaut.

Wenn’s heiß ist, lockt eine Außendusche.

© Petra Xayaphoum

Wenn’s heiß ist, lockt eine Außendusche.

Zur Westernbar gehört ein Sonnen-Plateau.

© Petra Xayaphoum

Zur Westernbar gehört ein Sonnen-Plateau.

Im Hauptgebäude gibt es eine Küche, die neben der Küche in der Scheune benutzt wird.

© Petra Xayaphoum

Im Hauptgebäude gibt es eine Küche, die neben der Küche in der Scheune benutzt wird.

Die Zimmer können von den Panama-Mitgliedern und Freunden benutzt und bezogen werden.

© Petra Xayaphoum

Die Zimmer können von den Panama-Mitgliedern und Freunden benutzt und bezogen werden.

Niemand hat ein festes Zimmer. Man bezieht eins und verlässt es aufgeräumt für die nächsten Gäste.

© Petra Xayaphoum

Niemand hat ein festes Zimmer. Man bezieht eins und verlässt es aufgeräumt für die nächsten Gäste.

Wenn die Sonne zu sehr knallt, kann man im Inneren der Westernbar Schatten suchen.

© Petra Xayaphoum

Wenn die Sonne zu sehr knallt, kann man im Inneren der Westernbar Schatten suchen.

Auch hier, im Gastbereich der Bar, kann gearbeitet werden.

© Petra Xayaphoum

Auch hier, im Gastbereich der Bar, kann gearbeitet werden.

Der Zirkuswagen steht unter einem Apfelbaum auf dem Gelände.

© Petra Xayaphoum

Der Zirkuswagen steht unter einem Apfelbaum auf dem Gelände.

Vom Zirkuswagenfenster aus hat man beim Aufwachen einen Blick ins Grüne.

© Petra Xayaphoum

Vom Zirkuswagenfenster aus hat man beim Aufwachen einen Blick ins Grüne.

So sieht’s im Inneren des Wagens aus.

© Petra Xayaphoum

So sieht’s im Inneren des Wagens aus.

Die Scheune ist Arbeits-, Wohn- und Kochraum in einem.

© Petra Xayaphoum

Die Scheune ist Arbeits-, Wohn- und Kochraum in einem.

Tomek Kaczmarek beim Anbringen einer neuen Leuchte. Auf dem Gemeinschaftshof gibt es immer was zu tun.

© Petra Xayaphoum

Tomek Kaczmarek beim Anbringen einer neuen Leuchte. Auf dem Gemeinschaftshof gibt es immer was zu tun.

Land-Idylle in a nutshell.

© Petra Xayaphoum

Land-Idylle in a nutshell.

Abends kann rund um die Feuerstelle gesessen und sich gewärmt werden.

© Petra Xayaphoum

Abends kann rund um die Feuerstelle gesessen und sich gewärmt werden.

Von saftigem Grün bekommt man auf Panama nicht genug.

© Petra Xayaphoum

Von saftigem Grün bekommt man auf Panama nicht genug.

Von einem Fest, das auf Panama stattgefunden hat, sind noch Planen liegen geblieben.

© Petra Xayaphoum

Von einem Fest, das auf Panama stattgefunden hat, sind noch Planen liegen geblieben.

Hat jemand „Gladiator“ gesagt?

© Petra Xayaphoum

Hat jemand „Gladiator“ gesagt?

Der alte Elektromast hinten dient mittlerweile als Aufhängevorrichtung für Lichterketten.

© Petra Xayaphoum

Der alte Elektromast hinten dient mittlerweile als Aufhängevorrichtung für Lichterketten.

Die Scheune bei Nacht.

© Petra Xayaphoum

Die Scheune bei Nacht.

In der großen offenen Küche der Scheune macht das gemeinsame Kochen besonders viel Spaß.

© Petra Xayaphoum

In der großen offenen Küche der Scheune macht das gemeinsame Kochen besonders viel Spaß.

Sobald die Sonne nicht mehr aufs Plateau an der Westernbar knallt, kann man es dort auch aushalten.

© Petra Xayaphoum

Sobald die Sonne nicht mehr aufs Plateau an der Westernbar knallt, kann man es dort auch aushalten.

Zu den tierischen Nachbarn gehören auch Katzen.

© Petra Xayaphoum

Zu den tierischen Nachbarn gehören auch Katzen.

Im Herbst will man nicht im Zirkuswagen schlafen: Die herabfallenden Äpfel halten einen wach.

© Petra Xayaphoum

Im Herbst will man nicht im Zirkuswagen schlafen: Die herabfallenden Äpfel halten einen wach.

Altes Holz wird verbrannt.

© Petra Xayaphoum

Altes Holz wird verbrannt.

Die Lichterketten auf dem Gelände tragen einen großen Teil zum Charme von Panama am Abend bei.

© Petra Xayaphoum

Die Lichterketten auf dem Gelände tragen einen großen Teil zum Charme von Panama am Abend bei.

Westernbar und Haupthaus liegen nah beieinander.

© Petra Xayaphoum

Westernbar und Haupthaus liegen nah beieinander.

Den Wintergarten links wieder auf Vordermann zu bringen ist eines der zukünftigen Projekte der Panama-Crew.

© Petra Xayaphoum

Den Wintergarten links wieder auf Vordermann zu bringen ist eines der zukünftigen Projekte der Panama-Crew.

Der Eingang zum Haupthaus ist nicht zu übersehen. Hinter der Tür befinden sich vier Schlafzimmer, eine Küche und ein Bad.

© Petra Xayaphoum

Der Eingang zum Haupthaus ist nicht zu übersehen. Hinter der Tür befinden sich vier Schlafzimmer, eine Küche und ein Bad.

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Erstellt:
25. August 2025, 11:42 Uhr

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