Siegpflicht in WM-Qualifikation
Der Bundestrainer Julian Nagelsmann muss die Nationalelf auf Kurs bringen – in den Spielen gegen Luxemburg und Nordirland darf nichts schiefgehen.
Von dpa
Herzogenaurach - Machen – und weniger reden. Mit diesem plakativen Motto will Julian Nagelsmann nach dem holprigen Start in die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 2026 einen Stimmungsumschwung bei der deutschen Nationalmannschaft herstellen. Sechs Punkte aus den Spielen gegen Fußball-Zwerg Luxemburg am Freitag (20.45 Uhr/ARD) in Sinsheim und drei Tage darauf in Belfast gegen Nordirland sind jetzt Pflicht für den Bundestrainer. Im Stammquartier in Herzogenaurach startete Nagelsmann am Montag mit seinem Aufgebot in eine wegweisende Woche. „Zwei Siege – das ist unser klares Ziel, um die Qualifikation weiter auf direktem Weg zu erreichen“, lautet die Ansage des 38-Jährigen.
Wie ist die Lage auf dem Weg zur WM 2026?
Das frustrierende 0:2 in der Slowakei entpuppt sich als große Hypothek. Die DFB-Elf ist in Gruppe A nur der Verfolger. Drei Punkte beträgt der Rückstand auf die Slowaken, Nordirland ist punktgleich. Weitere Ausrutscher würden den fest eingeplanten Gruppensieg ernsthaft in Gefahr bringen.
Das Problem: Nur Platz eins bringt das direkte WM-Ticket. Ansonsten müssten im März zwei Play-off-Spiele gewonnen werden, um ein historisches Scheitern schon vor der WM-Endrunde 2026 in den USA, Mexiko und Kanada zu vermeiden. Positiv: Noch kann der Gruppensieg aus eigener Kraft gesichert werden.
Wie sieht der Plan von Nagelsmann aus?
„Wir hatten vier intensive Wochen und haben viel diskutiert und überlegt“, berichtete Nagelsmann von seiner Aufarbeitung des September-Lehrgangs mit seinem Trainerteam. Das Resultat: Er schwenkt schnell und radikal um. Keine WM-Titelansagen mehr, kein Dominanz-Versprechen mehr. Jetzt soll mit simplen Mitteln von Spiel zu Spiel und von Sieg zu Sieg gedacht werden.
Der Bundestrainer greift im Ansatz auf sein Rollenprinzip der Heim-EM 2024 zurück. Jeder soll (nur) das machen, was er kann. Nagelsmann setzt dabei ausdrücklich auf die Form der Spieler als entscheidendes Kriterium. Ein Indiz: Die Bayern-Überflieger um Kapitän Joshua Kimmich und die gut gelaunten Dortmunder stellen mit je fünf Spielern die größten Blöcke im Aufgebot.
Auf wem ruhen die Hoffnungen?
Nico Schlotterbeck ist wieder da. Das ist für Nagelsmann eine große Erleichterung. Der Verteidiger von Borussia Dortmund soll kurz nach dem Club-Comeback auch die DFB-Defensive stabilisieren und seine Qualitäten in der Spieleröffnung einbringen. Der Bundestrainer lobte den „Super-Siegeswillen“ des 25-Jährigen und fügte an: „Er ist ein extrem wichtiger Spieler für uns.“
Aber: BVB-Coach Niko Kovac warnte vor einer Überbelastung seines lange verletzten Profis. „Ich denke, es ist total normal, dass man einen Spieler, der ein paar Monate verletzt war, jetzt nicht zweimal 90 Minuten spielen lassen muss.“ Übersetzt heißt diese Kovac-Aussage: Gegen Luxemburg müsste es für die Nationalelf doch auch ohne Schlotterbeck reichen. Dieser freut sich freilich auf das DFB-Comeback. „Ich habe sechs Monate kein Fußball gespielt. Ich habe drei Spiele gemacht. Und nominiert zu werden, ist eine Art Wertschätzung von Julian“, sagte Schlotterbeck dankbar.
Auch auf Nick Woltemade, der im Sommer vom VfB Stuttgart zu Newcastle United wechselte, ruhen große Hoffnungen. Der formstarke Stürmer konnte am Montag allerdings wegen eines grippalen Infekts nicht in Herzogenaurach anreisen. Woltemade wird aber in den kommenden Tagen erwartet. Nagelsmann musste auch bei den Torhütern nachjustieren. Der Freiburger Noah Atubolu wurde nominiert, weil Keeper Oliver Baumann über Übelkeit klagte.
Wie geht Nagelsmann mit Wirtz um?
Ganz anders als Nick Woltemade geht es Florian Wirtz in England. Der Rekordtransfer zum FC Liverpool ging bislang nicht auf. Kein Tor, nur ein Assist. Ätzende Kritik von englischen Ex-Profis wie Wayne Rooney oder Jamie Carragher. Und jetzt auch kein Platz mehr in Liverpools Startelf. Der 22-Jährige ist bei den Reds nach den ersten Wochen beinahe ein Fremdkörper, weit weg von seinem Potenzial. Immerhin: Beim 3:1 gegen Nordirland erzielte Wirtz zuletzt ein schönes Freistoßtor. Weil die Rückkehr von Jamal Musiala und Kai Havertz nicht absehbar ist, wird Wirtz im DFB-Trikot unbedingt gebraucht. Nagelsmann muss seinen offensiven Schlüsselspieler aufrichten. Vielleicht kommt für Wirtz das Fußball-Leichtgewicht Luxemburg als Aufbaugegner genau richtig.
Welche Probleme bestehen sonst noch?
Für die Position des linken Schienenspielers hat Nagelsmann in Nathaniel Brown (22) den nächsten jungen Frankfurter Debütanten nominiert. Rechts war der Versuch mit Browns Vereinskollege Nnamdi Collins bei der Niederlage gegen die Slowakei schiefgegangen. Collins bekam keine zweite DFB-Einladung. Die rechte Seite bleibt in doppelter Hinsicht die offene Flanke. Als nächster Kandidat darf sich Ridle Baku anbieten. Der Leipziger spielte vor fast vier Jahren noch unter Hansi Flick als Bundestrainer letztmals für Deutschland.