Sind die Pfingstferien wirklich nötig?

Vor Pfingsten sind Schüler und Lehrer im Dauerstress, anschließend folgt ein Motivationstief – Andere Ferienzeiten in Baden-Württemberg und Bayern könnten helfen

Stuttgart/München (dpa). Wenn nach Ostern die Schule wieder startet, beginnt für viele Schüler in Baden-Württemberg und Bayern die entscheidende Phase des Schuljahres. Und die könnte stressig werden: In den kommenden Wochen häufen sich Klausuren und Hausarbeiten – jetzt entscheidet sich, welche Noten im Zeugnis stehen.

In den sechs Wochen zwischen Oster- und Pfingstferien muss in fast jedem Fach eine Prüfung abgelegt werden. Schüler klagen über Lernstress, Lehrer über Korrekturberge. „In dieser Zeit gibt es im Lehrerzimmer häufig Diskussionen vor dem Kalender. Viele Kollegen wissen einfach nicht, wie sie alle Klassenarbeiten unterbringen sollen“, sagt eine Gymnasiallehrerin aus Stuttgart. „Wenn wir Lehrer nicht wissen, wie wir das Pensum stemmen sollen, wie können wir das von unseren Schülern erwarten?“

Das Schuljahr endet in Bayern und Baden-Württemberg in diesem Jahr erst am 26. Juli. Zwei bis fünf Wochen später als in allen anderen Bundesländern. Dass die Zeit trotzdem drängt, liegt auch daran, dass es im Freistaat und im Südwesten – und nur dort – zweiwöchige Pfingstferien gibt. „Zwischen den Pfingstferien und den Sommerferien haben wir in diesem Jahr nur noch fünf Wochen Schule“, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV). In der Theorie sei in diesen Wochen zwar noch ausreichend Zeit für Prüfungen, im Schulalltag liege der Notenschluss aber meistens schon vor Pfingsten.

Das Ergebnis: In den Wochen vor den Pfingstferien sind Schüler und Lehrer im Dauerstress. Die Zeit danach ist aus pädagogischer Sicht häufig vergeudet. „Ohne den Notendruck fehlt vielen Schülern die Motivation. Lehrer haben dann kaum noch eine Chance, Inhalte zu vermitteln“, beklagt Fleischmann.

Kein neues Problem. Wenn Lehrer nach Pfingsten immer häufiger mit Fernseher und einer DVD in der Tasche über die Schulflure schleichen, entbrennt jedes Jahr die Diskussion über die Neuplanung der Ferienzeiten. Häufig wird gefordert, die Pfingstferien zu verkürzen und die Sommerferien dem Zeitraum der übrigen Länder anzugleichen.

In Baden-Württemberg will die grün-schwarze Landesregierung an der Ferienplanung nichts ändern. Vor allem die Pfingstferien sind nach Angaben des Kultusministeriums als Urlaubszeit sehr beliebt. „Das rollierende System der Bundesländer bezüglich der Ferien besteht auch deshalb, damit nicht ganz Deutschland auf einmal in den Sommerurlaub aufbricht“, so ein Sprecher.

Laut Fleischmann fördert die kompakte Prüfungsphase zwischen Ostern und Pfingsten aber vor allem „bulimisches Lernen“ – in Anlehnung an suchtartige Heißhungeranfälle mit anschließendem Erbrechen. Viele Inhalte würden nach den Leistungsabfragen sofort wieder vergessen, sagt Fleischmann. „Wir sollten uns die Frage stellen, ob Kinder nur für Noten lernen sollen oder für Kompetenzen.“ Hinzu kommt, dass es Lehrer schwer haben, Schüler zu motivieren, wenn die Noten feststehen. Fleischmanns Forderung geht daher weiter als eine Neuordnung der Ferien: „Wenn wir etwas verändern und erreichen wollen, müssen wir unsere Lernkonzepte grundsätzlich überdenken.“

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Erstellt:
23. April 2019, 10:19 Uhr

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