Niedrigwasser in den Flüssen
Sitzt Deutschland bald auf dem Trockenen?
Niedrigwasser, Blaualgen und Fischsterben: Wie sich das wechselhafte Wetter im Jahresverlauf auf die Wasserversorgung und Flüsse ausgewirkt hat und was man sich vom oft regenreichen Herbst erhofft.

© Rolf Vennenbernd/dpa
Blick auf den Rhein bei Köln: An 80 bis 90 Prozent aller Flusspegel in Deutschland herrschte im Hochsommer 2025 Niedrigwasser, auch schon im Früjahr gab es ausgeprägte Trockenheitsperioden.
Von Sebastian Schlenker (dpa)/Markus Brauer
Deutschland hat mit Blick auf Regenfälle und Wasserversorgung bislang ein sehr wechselhaftes Jahr erlebt. Ausgeprägte Trockenphasen wechselten sich mit mancherorts heftigen Niederschlägen ab. Wie die Lage beim Grundwasser und an den Flüssen zu Beginn des Herbstes aussieht. Und was das Ganze mit dem Klimawandel zu tun hat.
Wie hat sich der Regen übers Jahr verteilt?
Zu Beginn des Jahres gab es nach Angaben der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG) einen extrem trockenen Februar. Auch im März und April regnete es demnach deutlich weniger als normal. Ende Juni – und damit recht früh im Jahr – führten die Flüsse in Deutschland verbreitet Niedrigwasser. Erst der Juli zeigte sich recht nass mit viel Regen, vor allem im Norden und Nordosten sowie am Alpenrand.
Wie ist die Ausgangslage zu Beginn des Herbstes?
Vor allem in den Mittelgebirgsregionen ist die Bodenfeuchte niedrig, Hydrobiologe Dietrich Borchardt vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Magdeburg spricht von ausgeprägter Trockenheit. Betroffen sind etwa Teile von Franken, Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt, aber auch von Brandenburg.
Rund 40 Prozent aller Grundwassermessstellen weisen laut Borchardt derzeit niedrige bis sehr niedrige Werte auf, etwa 60 Prozent zeigen normale Werte. Hohe bis sehr hohe Werte gebe es nur an ganz wenigen Messstellen.
Besonders betroffen von Trockenheit sei aktuell das rheinisch-westfälische Tiefland. Im Westen Deutschlands wiesen rund 70 Prozent der Grundwassermessstände niedrige bis sehr niedrige Werte auf. In Nordbayern, dem südlichen Thüringen und Sachsen sei dies bei rund 50 Prozent aller Messstellen der Fall.
Wie sieht es an den Flüssen aus?
An 80 bis 90 Prozent aller Flusspegel in Deutschland herrscht zurzeit Niedrigwasser. Etwa an der Elbe falle dieses extrem aus, erklärt der Hydrobiologe Borchardt. Der historische Tiefstand des Pegels in Magdeburg betrage 45 Zentimeter, Ende August lag der Pegelstand nur einen Zentimeter darüber. Aufgrund geringer Wassertiefe wurde der Schiffsverkehr an der Elbe längere Zeit eingestellt.
An der laut Borchardt bedeutendsten Wasserstraße Deutschlands, dem Rhein, konnten im Frühjahr Schiffe nicht mehr voll beladen werden. „Ein wirtschaftlicher Schiffstransport war zeitweise nicht mehr möglich, gewisse Engpässe in Lieferketten die Folge.“ Zudem seien kleinere Bäche und Flussläufe ausgetrocknet.
Was bedeutet die Trockenheit für Tiere und Pflanzen?
Kommt zu der Trockenheit noch eine Hitzewelle, wie wir sie in diesem Sommer erlebt haben, heizten sich Flüsse stark auf, konstatiert Borchardt. Die Gewässer würden wärmer, als es darin enthaltene Lebewesen aushalten könnten. Fischsterben sei mancherorts die Folge. Auch wachsen vermehrt Blaualgen, die das Gewässer und die darin lebenden Organismen durch Giftstoffe schädigen.
Sehr niedrige Wasserstände könnten zudem den Zugang zu Aue- und Nebengewässern einschränken, erläutert die Bundesanstalt für Gewässerkunde (BfG). Lebewesen verlieren so Lebens- und Rückzugsräume. Bestimmte Arten, die in Auen laichen, hätten Schwierigkeiten, sich fortzupflanzen.
Was sind die Ursachen der Trockenheit?
„Der Wasserhaushalt in Deutschland verhält sich aufgrund des Klimawandels anders, als wir das aus den Jahrhunderten davor gewohnt waren“ stellt Borchardt fest. „Wir haben plötzlich monatelange Trockenzeiten, oft gepaart mit Hitzewellen.“ Gegenüber der vorindustriellen Zeit habe sich Deutschland bereits um zwei Grad erwärmt, so der Hydrobiologe.
Auch BfG-Forscher sehen einen Zusammenhang zwischen der Trockenheit mit hohen Temperaturen zuletzt und einer damit einhergehenden höheren Verdunstung innerhalb der Atmosphäre. Zusammen mit Niederschlagsarmut führe dieser Verdunstungseffekt zu einer besonders ausgeprägten Trockenheit.
Modelle für Klima und Wasserhaushalt prognostizieren laut dem BfG für die zweite Hälfte des 21. Jahrhunderts, dass Niedrigwasser und Trockenheit im Sommer in weiten Teilen Deutschlands länger und stärker ausfallen dürften.
Laut Borchardt hat die Erwärmung aber noch eine andere Folge: Eine wärmere Atmosphäre kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen, daher könne es intensiver regnen und mehr Starkregenereignisse geben. Diese würden nicht nur häufiger auftreten, sondern auch intensiver ausfallen können.
Welche Rolle spielen bauliche Faktoren?
Bauliche Faktoren wie Flächenversiegelung können laut der Bundesanstalt für Gewässerkunde einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie oft es zu Niedrigwasser kommt und wie heftig dieses ausfällt. Denn versiegelte Flächen wie Straßen, Gebäude oder Parkplätze unterbrechen die natürliche Versickerung.
Wasser fließt dann schnell oberflächlich ab, wird über die Kanalisation in Bäche und Flüsse geleitet und steht damit dem Grundwasserhaushalt nicht mehr zur Verfügung.
Auch die Beschaffenheit der Böden und ihre Aufnahmefähigkeit spielen demnach eine große Rolle. Sandige, lockere Böden hätten ein größeres Aufnahme- und Speicherpotenzial als tonige oder stark verdichtete Böden.
Eine großflächige Bodenverdichtung durch die Landwirtschaft wirke sich ebenfalls nachteilig aus, erklärt die Bundesanstalt. Zudem könne die Begradigung und Eindeichung von Flüssen Niedrigwasserprobleme verschärfen.
Ist eine Entspannung der Lage in Sicht?
Wie die Niederschläge in den kommenden Monaten ausfallen werden, lasse sich bislang nicht sagen, erklärt Borchardt. Was den am stärksten von Trockenheit betroffenen Regionen besonders helfen würde, sei eine langanhaltende Regenperiode. Etwa ein November, in dem es durchgehend gleichmäßig regne.
Welche weiteren Wasserprobleme gibt es?
Aus Sicht von Forscher Borchardt müssen wir uns in Deutschland nicht nur mit dem Problem der Wassermengen auseinandersetzen, auch die Wasserqualität sollte stärker in den Blick geraten. Rund 60 Prozent des Wassers zur Trinkwassergewinnung stamme hierzulande aus Grundwasser.
„Doch rund 33 Prozent der Grundwasserkörper sind so stark mit Nährstoffen, Nitrat und Pestiziden belastet, dass wir sie nicht ohne Weiteres zur Trinkwassergewinnung nutzen können, ohne dass wir es aufwendig aufbereiten müssen“, sagt Borchardt.
Auch bei Talsperren – die zweitwichtigste Trinkwasserquelle in Deutschland – sehe man teilweise zurückgehende Wassermengen und Probleme mit hohen Nährstoffeinträgen und Blaualgen. „Auch hier wird die Wasserqualität tendenziell zu einem Problem.“