So vermeidet man Streit ums Erbe
In jedem fünften Erbfall wird gestritten – Tipps, wie man seinen Nachlass vorbereiten kann
Nach dem Tod eines Angehörigen bricht oftmals ein erbitterter Streit unter den Erben aus. Der Sozialpsychologe Kai J. Jonas rät, möglichst schon zu Lebzeiten mit den Verwandten zu reden.
Frage: Warum gibt es unter Erben so häufig Streit?
Antwort: „Oft kommen beim Erben lang währende Konflikte wieder hoch. Geschwister fühlen sich häufig ungleich behandelt“, sagt der Sozialpsychologe Kai J. Jonas, der als Professor an der Universität Maastricht in den Niederlanden lehrt. Dies könne sogar dann so empfunden werden, wenn alle Geschwister zu gleichen Teilen erben. „Es wird aufgerechnet, welche Zuwendungen die Kinder von den Eltern zu deren Lebzeiten erhalten haben“, erklärt Jonas. Oder aber das Kind, das sich am meisten um die pflegebedürftigen Eltern gekümmert hat, erwartet deshalb auch einen größeren Anteil vom Erbe. In vielen Fällen geht es aber gar nicht um das Geld oder um eine Immobilie, sondern um Verletzungen aus frühester Kindheit. Oder um eine Kaffeetasse als Erinnerungsstück. Ein Testament bringt daher Klarheit.
Frage: Was geschieht, wenn es kein Testament gibt?
Antwort: Dann tritt die gesetzliche Erbfolge ein. Verstirbt ein Familienvater von drei Kindern, davon eines aus erster Ehe, so erbt seine zweite Ehefrau die Hälfte, und die drei Kinder teilen die andere Hälfte zu gleichen Teilen. Ein Beispiel: Das gemeinsame Vermögen der Eltern beträgt 120 000 Euro, der Vater stirbt. Sein Anteil am Vermögen beläuft sich auf 60 000 Euro. Die Ehefrau erbt davon 30 000 Euro, die Kinder jeweils 10 000 Euro. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um gemeinsame Kinder handelt oder welche aus früheren Beziehungen. Die Kinder sind alle gleichgestellt. Jedes der drei erhält ein Sechstel des Erbes.
Frage: Kann man Kinder enterben?
Antwort: Man kann zunächst seinen Lebenspartner als Alleinerben einsetzen. Damit reduziert sich das Erbe im Beispielfall für alle drei Kinder auf den Pflichtteil. Dieser würde bei drei Kindern dann jeweils ein Zwölftel, also 5000 Euro, betragen. Der Pflichtteil wird immer als Geldbetrag ausbezahlt. Der Pflichtteilsberechtigte darf keine Gegenstände oder Erinnerungsstücke verlangen.
Frage: Kann man Erben den Pflichtteil entziehen?
Antwort: Das lässt sich in der Praxis so gut wie nicht durchsetzen. Es sei denn, der Erbe verzichtet auf seinen Pflichtteilsanspruch und akzeptiert stattdessen beispielsweise eine Abfindung. Oder aber, es liegt ein schuldhaftes Vergehen gegenüber dem Erblasser vor. Dies liegt etwa bei einem Tötungsversuch oder auch bei einer Gefängnisstrafe vor.
Frage: Wird häufiger vor Gericht ums Erbe gestritten?
Antwort: Laut einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach landen die Auseinandersetzungen ums Erbe heutzutage häufiger vor Gericht als früher. Wenn sich Konflikte bereits zu Lebzeiten abzeichnen, können Mediatoren helfen. Im Anschluss an das Erbengespräch sollte ein Testament bei einem Notar verfasst werden. Auf diese Weise können spätere Streitigkeiten verhindert werden.
Frage: Was sollte man als Erblasser wann tun?
Antwort: „Erbschaften sollte nicht als Überraschung für die Hinterbliebenen geplant werden, sondern im Gespräch mit ihnen vorbereitet werden“, sagt Jonas. Er empfiehlt auch, das Testament alle zehn bis fünfzehn Jahre anzupassen. Auch der Stuttgarter Rechtsanwalt und Notar Hans-Ulrich Eppinger sagt: „Reden ist Gold, Schweigen gibt Streit.“ Also lieber zu Lebzeiten Erbschaften abklären.
Frage: Wie verfasst man ein Testament?
Es genügen ein Blatt Papier und ein Stift. Vom Gesetzgeber anerkannt sind sowohl das handschriftlich als auch das notariell erstellte Testament. Ein Testament kann nur erstellen, wer schon volljährig ist. Wer nicht mehr selbst schreiben kann, muss einen Notar um Hilfe bitten. Dieser kommt im Notfall auch noch ans Sterbebett.
Frage: Was ist ein privatschriftliches Testament?
Antwort: Ein von Hand erstelltes Testament bedarf einer eindeutigen Überschrift wie „Mein letzter Wille“ oder „Testament“. Außerdem muss es eindeutige Angaben zum Erblasser und zum Erben enthalten, mit Ort und Datum versehen und komplett handschriftlich erstellt sein. Die Unterschrift aus Vor- und Familiennamen muss zwingend am Ende – also nach dem letzten Satz des Testaments – stehen. Gültig ist immer das Testament, das eindeutig am aktuellsten ist. Die Erben sollten darüber informiert werden, wo sie das Testament finden.
Frage: Wo liegt der Unterschied zum notariellen Testament?
Antwort: Bei komplexen Familienstrukturen oder größeren Vermögen kann es sinnvoll sein, einen Notar aufzusuchen. Dort erhält man eine Beratung, und das Testament wird juristisch einwandfrei formuliert sein. Auch für nicht verheiratete Paare bietet sich ein notariell erstelltes Testament an. Ein solches Testament wird beim Nachlassgericht hinterlegt. Die Kosten richten sich nach der Höhe des Vermögens. Bei einem Vermögen von 50 000 Euro fallen für ein Einzeltestament 165 Euro, für ein gemeinschaftlich erstelltes Testament 330 Euro an. Für die amtliche Verwahrung werden zusätzlich einmalig 75 Euro und für die Registrierung im Testamentsregister 15 Euro fällig.
Frage: Was ist ein Erbenbrief?
Antwort: Wer den Erben seinen letzten Willen erklären will, kann dies in einem Erbenbrief tun. Dieser sollte eindeutig als solcher gekennzeichnet sein. Ein Erbenbrief ist juristisch nicht relevant und kann auch nicht dazu genutzt werden, ein Testament anzufechten.