Sohn erinnert an Hochhuths Rolle beim Rücktritt Filbingers

dpa/lsw Stuttgart. Der Sohn des ehemaligen Ministerpräsidenten Hans Filbinger (CDU) hat an die Rolle des am Mittwoch gestorbenen Dramatikers Rolf Hochhuth beim Rücktritt seines Vaters erinnert. Hochhuth habe vor 42 Jahren den Stein ins Rollen gebracht, der zum Rücktritt geführt habe, sagte Matthias Filbinger am Donnerstag in Stuttgart. „Für unseren Vater war es keine schöne Zeit.“ Dieser habe knapp 30 Jahre versucht, sich zu rehabilitieren. Dies sei ihm bis zum Tod 2007 nicht gelungen, sagte der 64 Jahre alte Sohn des früheren CDU-Politikers.

Matthias Filbinger sitzt in einem Sessel. Foto: picture alliance/dpa/Archivbild

Matthias Filbinger sitzt in einem Sessel. Foto: picture alliance/dpa/Archivbild

Hochhuth sei ein Provokateur gewesen, der mit seiner Gesellschaftskritik einiges bewirkt habe, sagte der ehemalige Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU). Der Schriftsteller habe zudem den Rücktritt Filbingers eingeleitet.

Knapp zwölf Jahre lang war Filbinger Ministerpräsident von Baden-Württemberg. Dann holten ihn die Schatten seiner Vergangenheit ein, und er musste sein Amt niederlegen. Im Februar 1978 hatte Hochhuth in der Wochenzeitung „Die Zeit“ Filbingers Mitwirken an Todesurteilen bei Kriegsgerichtsverfahren bekanntgemacht. Nach einer Klage Filbingers bescheinigte das Landgericht Stuttgart dem Politiker zwar, nicht gegen Strafverfahrensrecht verstoßen zu haben. Es erlaubte Hochhuth aber zugleich, Baden-Württembergs Landesvater weiterhin als „furchtbaren Juristen“ und „Hitlers Marinerichter“ zu bezeichnen.

Hochhuths Artikel löst eine Lawine aus. Nach und nach wurden vier Todesurteile bekannt, an denen Filbinger mitgewirkt hatte. Das von ihm beantragte Todesurteil gegen den Matrosen Walter Gröger wegen Fahnenflucht wurde in Filbingers Gegenwart vollstreckt. Zwei weitere Urteile ergingen gegen Deserteure. Ein viertes wurde auf sein Betreiben in eine achtjährige Freiheitsstrafe umgewandelt. Nachdem der Regierungschef die bekanntgewordenen Fälle eingestehen musste, wurde die öffentliche Kritik - auch aus den eigenen Reihen - zu stark. Am 7. August 1978 gab Filbinger seinen Rücktritt vom Amt des Ministerpräsidenten bekannt.

Sein tiefer Fall hätte drei Jahrzehnte später fast auch einen Nachfolger in den Abgrund gerissen. 2007 zeigte die Rede des damaligen Regierungschefs Oettinger zum Tode Filbingers ein mangelndes Fingerspitzengefühl in Sachen NS-Geschichte: Oettinger bescheinigte seinem Amtsvorgänger, „kein Nationalsozialist“ gewesen zu sein, sondern „ein Gegner des NS-Regimes“.

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Erstellt:
14. Mai 2020, 15:32 Uhr

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