Solarenergie ist im Aufwind

Sowohl in Backnang als auch Murrhardt nimmt die Zahl der Fotovoltaikanlagen ordentlich zu – ohne Zwänge und mit relativ wenig kommunalen Anreizen. Die Kreisverwaltung setzt auf eine Informationskampagne und Angebote der Energieagentur.

Auf immer mehr Dächern finden sich heutzutage Fotovoltaikanlagen – auch in der Region ist ein Zuwachs zu verzeichnen. Symbolfoto: Adobe Stock/Ingo Bartussek

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Auf immer mehr Dächern finden sich heutzutage Fotovoltaikanlagen – auch in der Region ist ein Zuwachs zu verzeichnen. Symbolfoto: Adobe Stock/Ingo Bartussek

Von Lorena Greppo

BACKNANG/MURRHARDT. Solarenergie befindet sich auf dem Vormarsch. Das vierte Jahr in Folge war die zugebaute Fotovoltaikleistung im Land im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr angestiegen. 2020 sind rund 600 Megawatt Leistung neu hinzugekommen. „Das ist der stärkste Leistungszubau seit 2012, und es ist eine Steigerung um 35 Prozent gegenüber 2019“, sagte Umweltminister Franz Untersteller. Wie beliebt Solaranlagen sind, zeigt sich bei einem Blick auf das Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur. Hier lassen sich nicht nur registrierte Einheiten finden, Nutzer sehen auch, wie viele Module die Anlage umfasst, wann sie in Betrieb genommen wurde und wie viel Leistung sie erzeugt.

In der Stadt Backnang sind dort aktuell 773 Einheiten aufgelistet, das entspricht knapp 55000 Modulen, in Murrhardt sind es 410 Einheiten mit knapp 28000 Modulen. In beiden Städten hat sich in den vergangenen Monaten demnach einiges getan: Das Marktstammdatenregister verzeichnet in Backnang, dass seit dem 31. März 2020 insgesamt 81 Einheiten in Betrieb genommen wurden, in Murrhardt waren es in der gleichen Zeit 30 neue Einheiten.

Die Zahlen klingen zwar vielversprechend, doch was Solarenergie angeht, ist der Rems-Murr-Kreis nicht gerade in der Vorreiterrolle. Im Gegenteil: In Bezug auf den Ausbauerfolg, gemessen an der Energieproduktion über Fotovoltaik (PV), lag der Kreis im landesweiten Vergleich mit den weiteren 34 Landkreisen im ersten Quartal des vergangenen Jahres auf Platz 33. Dabei steckt einiges an Potenzial in den Kommunen des Rems-Murr-Kreises. Das zeigt eine Karte der Landesanstalt für Umwelt (siehe Infobox). Demnach sind allein in Murrhardt etwa 90 Prozent aller Flächen und Häuser gut und sehr gut für Fotovoltaikanlagen geeignet.

Die Kreisverwaltung hat 2012 das erste Klimaschutzhandlungsprogramm auf den Weg gebracht. Erneuerbare Energien und auch Solarenergie sind ein fester Bestandteil dessen. Für die kreiseigenen Liegenschaften wurde schon die Klimaneutralität erreicht. „Einen wesentlichen Anteil haben daran die Fotovoltaikfreiflächenanlagen auf den ehemaligen Deponien der AWRM. Auch bei den Neubauten des Rems-Murr-Kreises am Alten Postplatz und der Rötestraße spielt Fotovoltaik bei der Energieversorgung eine wesentliche Rolle“, erklärt Martina Keck, Pressesprecherin des Landratsamts.

Aufholbedarf im Bereich der Freiflächenfotovoltaik.

Für Privatpersonen werde auf der Internetseite des Kreises im Klimaschutzportal informiert. Über die Energieagentur Rems-Murr kann man sich zudem beraten lassen. Unter anderem gibt es dort auch PV-Checks. Bei diesen wird beurteilt, ob ein Gebäude für eine Fotovoltaikanlage geeignet ist, und die Energieagentur berät bezüglich der Realisierung, Wirtschaftlichkeit und Generierung von möglichen Fördermitteln.

„Aufholbedarf hat der Rems-Murr-Kreis im Bereich der Freiflächenfotovoltaik“, teilt Keck mit. Diesbezüglich seien die Kommunen jedoch informiert und intensiv beraten worden. Darüber hinaus plant der Rems-Murr-Kreis, im Geoportal geeignete Potenzialflächen für PV-Freiflächenanlagen darzustellen. „Interessierte sollen so einen verlässlichen Überblick erhalten, in welchen Gebieten im Rems-Murr-Kreis PV-Freiflächenanlagen grundsätzlich ohne größere rechtlichen Hürden möglich sind.“

Im Murrhardter Gemeinderat wurde erst im vergangenen Jahr auf Antrag der Fraktion MDAL/Die Grünen darüber diskutiert, ob Bauherren dazu verpflichtet werden sollen, Neubauten mit einer Fotovoltaikanlage auszustatten. Das Gremium entschied mehrheitlich dagegen. Stattdessen gebe die Verwaltung seither im Rahmen von Baugenehmigungen für Neubauten und Sanierungen Gutscheine für ein Beratungsgespräch bei der Energieagentur mit aus, erklärt Bürgermeister Armin Mößner.

„Bestrebungen, in Sachen Solar voranzukommen, gibt es mit dem Klimaschutzprogramm der Stadt Murrhardt, das der Gemeinderat am 3. Dezember 2020 beschlossen hat“, fügt er an. Auch die Stadtverwaltung will mit gutem Beispiel vorangehen. Eine Fotovoltaikanlage sei konkret geplant im Rahmen des Neubaus der Turnhalle bei der Walterichschule/Herzog-Christoph-Schule. Geprüft werde eine PV-Anlage auch auf dem Dach der Hörschbachschule im Rahmen von deren Dachsanierung sowie eine Freiflächensolaranlage für das städtische Grundstück „Froschgrube“ zwischen L1066 und Wilhelm-Soehnle-Straße. „Einbinden wollen wir bei den Projekten auch die Energiegenossenschaft Murrhardt und weitere Partner für die Investitionen“, so Mößner.

In Backnang ist eine mögliche Fotovoltaikpflicht kein Thema. Nicht in allen Fällen seien die Dachausrichtung oder Neigungswinkel für eine Solaranlage geeignet, erklärt Reiner Gauger, der kommissarische Pressesprecher der Stadt. Zudem könnten städtebauliche Gründe dagegen sprechen, etwa im Rahmen der Ensemblewirkung der Altstadt und ihrer Dächer. Konkrete Projekte, um Solarenergie voranzubringen, wurden auf Anfrage auch nicht genannt. Es gebe kein Allheilmittel gegen den Klimawandel, die Stadt setze auf einen Mix, so Gauger. „In den aktuellen Bebauungsplänen im gewerblichen oder Wohnbereich mit Flachdächern werden verpflichtend Dachbegrünungen festgesetzt.“ Darüber hinaus werde dort, wo eine Nutzung der Sonnenenergie sinnvoll ist, die Möglichkeit für Fotovoltaik baurechtlich geschaffen. „Allerdings in Teilen nur dann, wenn die Positivwirkung der begrünten Dachflächen nicht eingeschränkt wird.“

Im Zuge der Quartiersentwicklung der Oberen Walke entstehe ein Beispiel dieser differenzierten Herangehensweise, mit der Nutzung der begrünten Dachflächen für Solaranlagen auf den größeren Baukörpern entlang der Gartenstraße sowie begrünten Dächern ohne PV in den südlichen Bereichen.

Klimaschutz als Motivation

In einer Umfrage unter den Nutzern des Solarpreisvergleichs von Selfmade Energy nannten die Käufer von PV-Anlagen den Wunsch nach mehr Klimaschutz (79 Prozent) sowie die Senkung der Stromkosten (64 Prozent) als die wichtigsten Gründe für die Anschaffung ihrer PV-Anlage. 39 Prozent gaben an, dass sie beabsichtigen, mit ihrem selbst erzeugten Solarstrom ein Elektroauto aufzutanken.

Auf der Grundlage von Laserscandaten hat die Landesanstalt für Umwelt Standortanalysen und Potenzialberechnungen angestellt. Aus den einzelnen Karten lässt sich die Eignung von Dach- und Freiflächen für Fotovoltaik ablesen. Die Ergebnisse finden sich online unter:
www.energieatlas-bw.de/sonne

„Wir wollen den Solarboom auch in diesem und dem nächsten Jahr halten“, kündigte Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller an. Dabei solle die PV-Pflicht für Neubauten von Nichtwohngebäuden helfen.

Informationen zu den PV-Checks der Energieagentur sind zu finden unter:
https://energieagentur-remsmurr.de

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Erstellt:
6. April 2021, 06:00 Uhr

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