Soli-Einigung: Union will Gegenleistung bei Grundrente

dpa Berlin. Eigentlich setzt Finanzminister Olaf Scholz nur ein Vorhaben des Koalitionsvertrags um: Die meisten Bürger müssen ab 2021 keinen Soli mehr zahlen. Doch wenn es nach der Union geht, soll die SPD diese Entscheidung teuer bezahlen.

Thüringens Ministerpräsident Ramelow hatte sich in der Vergangenheit gegen die Abschaffung des Soli ausgesprochen - heute sieht er die Dinge anders. Foto: Martin Schutt

Thüringens Ministerpräsident Ramelow hatte sich in der Vergangenheit gegen die Abschaffung des Soli ausgesprochen - heute sieht er die Dinge anders. Foto: Martin Schutt

Über den Solidaritätszuschlag streitet die große Koalition aus Union und SPD seit es sie gibt. Der kleinste gemeinsame Nenner: Für 90 Prozent derjenigen, die ihn jetzt zahlen, soll die Sondersteuer für den Aufbau Ost ab 2021 wegfallen.

Zähneknirschend wird die Union dem Gesetzentwurf von SPD-Finanzminister Olaf Scholz wohl zustimmen - obwohl sie den Soli eigentlich für alle abschaffen will. CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak machte am Montag gleich klar: Für ihre Zustimmung erwarten CDU und CSU eine Gegenleistung. Jetzt müsse sich die SPD auch bei der Grundrente bewegen.

Das wäre ein klassischer politischer Tauschhandel - mit möglicherweise hohem Preis für die Sozialdemokraten. Denn die Grundrente ist eines ihrer Prestigeprojekte: Wer 35 Jahre gearbeitet oder Rentenansprüche durch Kindererziehung erworben hat, aber trotzdem nur auf eine Minirente kommt, soll einen Aufschlag erhalten. Die Union stemmt sich vehement dagegen, dass dieser auch dann gezahlt wird, wenn der Betroffene gar nicht bedürftig ist, etwa weil sein Partner gut verdient.

Ähnlich wie die CDU-Forderung beim Soli geht auch die SPD-Forderung bei der Grundrente deutlich über das hinaus, was im Koalitionsvertrag steht. Beide Themen könnten beim nächsten Koalitionsausschuss am kommenden Sonntag angesprochen werden.

Überraschend bekommt die Union mit ihrem Wunsch nach einer Soli-Komplettabschaffung auch Unterstützung aus den Ost-Bundesländern. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow sagte der „Thüringischen Landeszeitung“, auch für Spitzenverdiener müsse es „einen Ausstiegsfahrplan“ geben. Zuvor hatte sich der Linke-Politiker, in dessen Bundesland am 27. Oktober gewählt wird, stets gegen die Abschaffung ausgesprochen.

Das Teil-Aus für den Soli könne nur ein erster Schritt sein, räumte Scholz ein. „Irgendwann muss man auch im Hinblick auf die verbleibenden Zahler und Zahlerinnen des Solis eine Entscheidung treffen“, sagte der Vizekanzler. Das könne „aus Gründen der Gerechtigkeit“ aber auch eine höhere Einkommensteuer für Großverdiener beinhalten.

Aus Sicht vieler Kritiker drohen Scholz mit seinen Soli-Plänen auch an anderer Stelle Probleme: Der Abbau nur für einen Teil der Bevölkerung sei verfassungswidrig. Sollte Scholz keinen Pfad für die komplette Abschaffung des Soli aufzeigen, „werden tausende Steuerzahler und die FDP bis Karlsruhe klagen“, sagte FDP-Chef Christian Lindner dem „Handelsblatt“.

Scholz wies die Kritik zurück: „Die Lösung, die wir vorschlagen, ist verfassungskonform“, betonte er. 2019 ende zwar der Solidarpakt, aber keineswegs die Aufgabe der Bundesrepublik, in den ostdeutschen Ländern zu gleichwertigen Lebensverhältnissen beizutragen. „Ich glaube, dass es gerecht ist, dass wir die unverändert bestehenden Aufgaben zur Finanzierung der Deutschen Einheit dann von denjenigen tragen lassen, die das allergrößte Einkommen haben“, sagte der Vizekanzler. Angesichts der schlechteren Konjunkturaussichten sei „heute nicht die Zeit“, Bürgern mit mehr als fünf Millionen Euro Jahreseinkommen Steuern von über 100.000 Euro zu erlassen.

Nach den Scholz-Plänen soll die Abgabe für 90 Prozent aller aktuellen Soli-Zahler komplett wegfallen. Für ledige Arbeitnehmer gilt das nach Berechnungen des Ministeriums etwa, wenn sie weniger als 73.875 Euro verdienen, für Familien mit zwei Kindern und einem Alleinverdiener bei weniger als 151.990 Euro Bruttojahreslohn.

Weitere 6,5 Prozent der Soli-Zahler müssten die Abgabe nur noch teilweise zahlen - je höher das Einkommen, desto mehr. Das soll verhindern, dass jemand, dessen Gehalt die Freigrenze um einen Euro überschreitet, schon in voller Höhe belastet wird. 3,5 Prozent der derzeit Soli-Pflichtigen müssten den vollen Satz von 5,5 Prozent zahlen.

Die teilweise Abschaffung bedeutet für die Bundesregierung rund 10,9 Milliarden Euro weniger Steuereinnahmen im Jahr. Das sei in der Finanzplanung einkalkuliert und bringe die schwarze Null nicht in Gefahr, betonte Scholz. Eine vollständige Abschaffung des Solis würde nach Ministeriumsangaben weitere 11 Milliarden pro Jahr kosten. Insgesamt haben die deutschen Steuerzahler seit 1995 mehr als 321 Milliarden Euro an Solidaritätszuschlag gezahlt - nicht viel weniger Geld, als im gesamten Bundeshaushalt für das kommende Jahr verplant.

Finanzminister Olaf Scholz hat ein Gesetz zum Abbau des Soli-Zuschlags vorgelegt. Foto: Jörg Carstensen

Finanzminister Olaf Scholz hat ein Gesetz zum Abbau des Soli-Zuschlags vorgelegt. Foto: Jörg Carstensen

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Erstellt:
12. August 2019, 16:10 Uhr

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