Spahn pocht bei Grundrente auf strenge Bedürftigkeitsprüfung

dpa Berlin. Seit Monaten verhandeln CDU, CSU und SPD über die milliardenschwere Grundrente. Am Montag beraten die Koalitionsspitzen. Führende Unionspolitiker bringen sich in Stellung und nennen Bedingungen.

Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Führende Unionspolitiker pochen bei den Verhandlungen mit der SPD über eine Grundrente auf eine strenge Bedürftigkeitsprüfung. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wies Berichte über einen ersten Kompromiss zurück.

„Geeinigt ist nichts“, schrieb Spahn auf Twitter. Jede Einigung müsse sich am Koalitionsvertrag messen lassen. Spahn schrieb, aus seiner Sicht könne eine Grundrente am Montag im Koalitionsausschuss nur unter drei Bedingungen vereinbart werden: „Erstens mit einer harten Einkommensprüfung als Bedürftigkeitsprüfung, so dass nur Rentner unterstützt werden, die trotz mehr als 35 Jahren Arbeit sehr wenig zum Leben haben.“ Rentner mit Mieteinnahmen gehörten nicht dazu.

Zweitens müsse das Gesamtvolumen gegenüber künftigen Generationen verantwortbar sein. „Jede Milliarden-Summe, die die SPD bis heute genannt hat, ist es nicht.“ Drittens müssten gleichzeitig konkrete Maßnahmen für mehr Wirtschaftswachstum vereinbart werden, etwa eine dringend notwendige Senkung der Unternehmenssteuern. Eine wettbewerbsfähige Wirtschaft sei die Voraussetzung für jede Rente. „Vor dem Verteilen kommt immer das Erwirtschaften.“

Auch CSU-Chef Markus Söder hatte im Gegenzug zu einem Kompromiss bei der Grundrente ein Entgegenkommen der SPD zur Stärkung der Konjunktur gefordert. Söder verlangte spürbare Entlastungen für die Wirtschaft. Spitzenverbände der Wirtschaft fordern dies seit langem.

Die „Bild“-Zeitung hatte berichtet, es gebe bei der Grundrente einen ersten Kompromiss. Demnach solle es keine „echte“ Bedürftigkeitsprüfung geben. Die Unterhändler, darunter auch Spahn, hätten einem Papier zugestimmt, nach dem Vermögen, Erträge aus Aktien sowie der Besitz von Immobilien vor Beginn einer Grundrente nicht überprüft werden sollten. Die Rentenversicherung solle lediglich die Steuerbescheide der Rentner überprüfen.

Auch der Verhandlungsführer der CDU, Unions-Fraktionsvize Hermann Gröhe, sagte am Samstag, es sei bislang nichts geeinigt - zumal erst der Koalitionsausschuss unter anderem über die zentrale Frage des Finanzvolumens entscheiden werde. Zu einem Gesamtpaket müssten zudem Maßnahmen gehören, um die wirtschaftliche Entwicklung zu stärken.

Allerdings seien in der Arbeitsgruppe der Koalition wichtige Vorarbeiten gelungen, so Gröhe. „Dabei war unser Maßstab der Koalitionsvertrag. Wir werden eine am tatsächlichen Bedarf ausgerichtete Ausgestaltung einer Grundrente sicherstellen. Dabei kommt der Einkommensprüfung, bei Ehepaaren unter Einbeziehung des Partners, die entscheidende Bedeutung zu.“ Auch der Koalitionsvertrag sehe eine Nichtberücksichtigung selbstgenutzten Wohneigentums vor. „Unbezahlbare Politik mit der Gießkanne wird es mit uns nicht geben.“

Der CDU-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg sagte der „Bild-“Zeitung: „Wir brauchen eine Bedürftigkeitsprüfung, wie im Koalitionsvertrag vereinbart.“. Der Chef der Jungen Union, Tilman Kuban, sprach gegenüber der Zeitung von einem „vorgezogenen Weihnachtsgeschenk“ für die SPD zu Lasten der jungen Generation. In dieser Frage sei für ihn eine „rote Linie“ erreicht.

Eine Arbeitsgruppe der Koalition hatte bis zum frühen Freitagmorgen getagt. Danach erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Koalitionskreisen, zwar solle auf das Wort „Bedürftigkeitsprüfung“ verzichtet werden - die Finanzämter sollten aber „das zu versteuernde Einkommen“ den Berechnungen zugrunde legen. Das könnte bedeuten, dass steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalerträgen oder aus Mieten und Verpachtungen mitberücksichtigt werden.

Einigkeit besteht darüber, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung bekommen. Allerdings streiten Union und SPD seit Monaten darüber, wer genau den Rentenaufschlag erhalten soll. Die Union pocht auf die im Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfung der tatsächlichen Bedürftigkeit, die SPD lehnt dies ab.

Die Gesamtkosten für die Grundrente sollten unter zwei Milliarden Euro bleiben. Darauf hatte nach dpa-Informationen die Union gepocht. Der SPD war wichtig, dass möglichst viele Menschen erreicht werden, zuletzt sollten es noch etwa 1,5 Millionen sein. Mit der Grundrente sollen Menschen, die trotz langer Beitragszeit nur sehr wenig Rente bekommen, einen Zuschlag erhalten.

Im Koalitionsvertrag hatten Union und SPD vereinbart, dass alle, die 35 Jahre an Beitragszeiten oder Zeiten der Kindererziehung oder Pflege aufweisen, eine Rente zehn Prozent oberhalb der Grundsicherung bekommen sollen. Voraussetzung sollte eine Bedürftigkeitsprüfung entsprechend der Grundsicherung sein.

Die Union wollte die im Koalitionsvertrag vereinbarte Prüfung der tatsächlichen Bedürftigkeit gewährleistet sehen. Die SPD lehnte eine solche Prüfung dann aber ab. Dem Vernehmen nach soll vor allem die CDU bis zuletzt Vorbehalte gehabt haben.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, sagte am Samstag: „Die Union will offenbar die Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung mitmachen. Das verursacht Milliardenkosten und ist ein Verstoß gegen den Koalitionsvertrag.“ Was bei der Grundrente möglich sei, sei es bei der Abschaffung des Soli nicht gewesen. „Das ist die Doppelmoral der Union.“ Die Koalition will den Solidaritätszuschlag für 90 Prozent der Zahler abschaffen. Die Union wollte eine vollständige Abschaffung, dies aber war mit der SPD nicht zu machen.

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Erstellt:
2. November 2019, 14:49 Uhr

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