SPD-Mitglieder prognostizieren zweiten Wahlgang

Sozialdemokraten aus der Region befürworten das Mitspracherecht der Basis in der Entscheidung um die Parteispitze

Beim 41. Roten Stuhl der SPD Weissacher Tal war Olaf Scholz vor zwei Jahren in der Region. Ihm räumen die Parteimitgliedern gute Chancen im Rennen um den Parteivorsitz ein. Archivfoto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Beim 41. Roten Stuhl der SPD Weissacher Tal war Olaf Scholz vor zwei Jahren in der Region. Ihm räumen die Parteimitgliedern gute Chancen im Rennen um den Parteivorsitz ein. Archivfoto: J. Fiedler

Von Lorena Greppo

BACKNANG. Noch sechs Bewerberduos stehen zur Wahl für den Bundesvorsitz der SPD. In 23 Regionalkonferenzen haben sie sich vorgestellt und ihre Ziele präsentiert, nun haben bis zum 25. Oktober die Mitglieder das Wort – die Parteibasis wählt und erteilt den Delegierten am Parteitag somit eine Handlungsvorgabe. Den SPD-Mitgliedern der Region ist keine klare Prognose zu entlocken. Eindeutige Favoriten scheint es nicht zu geben, wenn auch die meisten Befragten das Kandidatenduo des Bundesfinanzministers Olaf Scholz mit Klara Geywitz mit vorn sehen. „Ich glaube nicht, dass überhaupt jemand im ersten Wahlgang schon auf die erforderlichen 50 Prozent kommt“, sagt Pia Täpsi-Kleinpeter, die stellvertretende Ortsvereinsvorsitzende der SPD Backnang und Stadträtin. Dann werde vielleicht noch das eine oder andere Duo aus taktischen Gründen die Kandidatur zurückziehen, vermutet sie. Sie selbst habe sich noch nicht genauer mit der Wahl auseinandergesetzt. „Das habe ich bisher völlig verdrängt.“ Im Bezug auf die Regionalkonferenzen im Vorfeld der Wahl ist Täpsi-Kleinpeter auch zwiegespalten. „Grundsätzlich ist es immer vernünftig, die Mitglieder zu fragen“, sagt sie, „aber der Aufwand war zu viel.“ Für die Kandidaten und Veranstalter sei es stressig und man habe trotz der Vielzahl der Konferenzen nur einen Bruchteil der Mitglieder erreichen können. „Da müsste man eine andere Variante finden“, findet die stellvertretende Backnanger Ortsvereinsvorsitzende.

„Wenn man gefragt wird, findet man das doch erst mal immer gut“, sagt auch Wolfgang Schopf, Fraktionssprecher der SPD im Aspacher Gemeinderat. „Bisher ist oft etwas rausgekommen, was viele nicht so wollten.“ Dem beuge man mit der neuen Methode ein Stück weit vor. Aber, es sei ein „Haufen Aufwand“, findet auch Schopf. Der Aspacher hat beim Parteitag in Heidenheim versucht, die Favoriten unter den sechs Kandidatenpaaren zu ermitteln, doch auch dort sei man sich nicht einig geworden. Scholz würden gute Chancen zugesprochen, da er wohl der bekannteste Kandidat sein dürfte. „Aber ich kann es nicht so recht einschätzen“, räumt Schopf ein. Er selbst gebe dem Duo Nina Scheer und Karl Lauterbach den Vorzug. Beide sieht Schopf in den Fragen des Klimaschutzes und sozialen Themen wie Rente und Pflege sehr gut aufgestellt. Zudem sei Scheer, deren Vater Hermann einst Direktkandidat der SPD im Wahlkreis Waiblingen war, ja somit beinahe eine Lokalpatriotin.

Weil so eine Wahl des Vorsitzes auch immer eine Persönlichkeitswahl ist, sei es besonders gut gewesen, dass sich die einzelnen Kandidaten in den Regionalkonferenzen und auf der Webseite der Bundes-SPD vorgestellt haben, findet Gernot Gruber, Backnanger SPD-Ortsvereinsvorsitzender, Kreisrat und Landtagsabgeordneter. „Schwierig wird es nur, wenn einem ein Kandidat aus dem Duo gefällt, aber der Partner nicht“, sagt Gruber. Er halte Doppelspitze mit einer Frau und einem Mann dennoch für eine gute Lösung. Dadurch, dass noch immer sechs Paare zur Wahl stehen, sei die Lage relativ unübersichtlich. „Ich rechne mit einem zweiten Wahlgang.“ Die besten Chancen räumt der Landtagsabgeordnete ebenfalls dem Duo Geywitz/Scholz sowie Petra Köpping/Boris Pistorius und Christina Kampmann/Michael Roth ein. „Ich tue mich selbst noch ein wenig schwer damit, eine Entscheidung zu treffen“, räumt Gruber ein.

„Ich habe selten erlebt, dass so viel diskutiert wurde“

Was dem Ortsvorsitzenden der SPD Backnang jedoch missfällt, ist, dass manche Kandidaten die Entscheidung um den Parteivorsitz mit der Frage nach der Zukunft der Großen Koalition verknüpft haben. „Es gibt einen gültigen Koalitionsvertrag, dem die Mehrheit der Parteimitglieder zugestimmt haben“, erklärt er. Die Parteispitze könne diesen nicht ohne Anlass aussetzen. Positiv bewertet Gruber hingegen, dass im Vorfeld des Parteitags im Dezember nun die Mitglieder das Wort haben. „Das stärkt die Mitglieder in den Ortsvereinen, denn die Arbeitsgruppen auf Bundesebene haben – finde ich – zu viel Einfluss.“ Indem man an die Basis geht, könne man verhindern, dass die Entscheidung um die Parteispitze in irgendwelchen Hinterzimmern fällt.

Ähnlich sieht es Jürgen Hestler, der Kreisvorsitzende SPD Rems-Murr: „Ich habe es selten erlebt, dass so viel diskutiert wurde – nicht nur um Namen, sondern vor allem um Inhalte.“ Diese Debatte habe die SPD neu belebt. „So intensiv hat sich wohl noch keine Partei mit ihrer Basis auseinandergesetzt.“ Die Kunst sei es dann, geschlossen hinter jenem Duo zu stehen, welches die Wahl gewinnt. „Für mich sieht es so aus, als würden Scholz und Geywitz die meisten Stimmen bekommen“, mutmaßt Hestler. Auch Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans räumt er Chancen ein. „Sympathisch finde ich auch das junge Duo Christina Kampmann/Michael Roth.“

Wie wohl die meisten SPD-Mitglieder, so geht auch der Kreisvorsitzende Rems-Murr von einem zweiten Wahlgang aus: „Ich halte es für unwahrscheinlich, dass ein Duo auf Anhieb die absolute Mehrheit bekommt.“ Wenn es daraufhin eine Stichwahl gibt, erwartet Hestler „heiße Diskussionen“ zwischen den Vertretern der beiden Parteiflügel. So könne es dann auch kommen, dass die Gegner der Großen Koalition ihre Kandidaten durchsetzen. Obwohl sich die Kreis-SPD für eine Fortsetzung der Regierung ausgesprochen hat, würde Hestler auch jenes Duo dann unterstützen. „So ist die Demokratie, man muss es aushalten, wenn man nicht alles durchsetzen kann.“

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Erstellt:
15. Oktober 2019, 06:00 Uhr

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