Debatte um Übergewinnsteuer

SPD und Grüne wollen Gewinne der Energiekonzerne anzapfen

Mit einer Übergewinnsteuer könnten exorbitante Profite der Energieunternehmen teilweise abgeschöpft werden. Die FDP und das Kanzleramt bremsen aber.

Die hohen Energiepreise sorgen für exorbitante Gewinne bei den Unternehmen.

© dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Die hohen Energiepreise sorgen für exorbitante Gewinne bei den Unternehmen.

Von Rafael Binkowski

Der Zwist in der Ampelkoalition tritt diese Woche in der Bundespressekonferenz offen zutage. Wo sonst die Sprecher der Ministerien meist im Einklang Journalistenfragen beantworten, widersprechen sich die Vertreter von Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) auf offener Bühne. Es geht um die hohen Gewinne der Energieunternehmen – und ob der Staat diese doch noch abschöpfen kann.

SPD und Grüne machen Druck

Das Thema hat das Zeug zu einer veritablen Koalitionskrise. Eigentlich waren solche Überlegungen schon längst abgeräumt, die FDP sperrt sich entschieden gegen jede Form von Steuererhöhungen. Doch nun bringen SPD und Grüne es wieder aufs Tapet. Anlass ist die Rettung des Gashändlers Uniper mit 15 Milliarden Euro und die von Habeck verkündete Gasumlage zwischen einem und fünf Cent für die Bürger im Herbst.

Nun melden sich hochrangige Vertreter zu Wort, etwa Rolf Mützenich, Fraktionschef der SPD im Bundestag. „Wenn bei Unternehmensgewinnen weder Leistung oder kluge Ideen noch Kosten oder Investitionen gegenüberstehen, ist es mehr als gerechtfertigt, über eine zusätzliche Besteuerung solcher Übergewinne nachzudenken“, sagt er. Und verweist auf andere, sogar konservativ regierte Länder in Europa, die entsprechende Konzepte einführen. Auch SPD-Chefin Saskia Esken hatte bereits am Montag einen „neuen Anlauf“ für das Thema angekündigt.

Das Vorbild könnte Italien sein

Bei Grünen versucht man, das Thema auch kartellrechtlich anzugehen, doch das könnte allenfalls langfristig Wirkung entfalten. So sagt die finanzpolitische Sprecherin im Bundestag, Katharina Beck: „Das ist eine Gerechtigkeitsfrage. Die extrem hohen Preise sind für viele schwer zu tragen, alle müssten sich an den Lasten beteiligen.“

Der Sprecher von Robert Habeck formuliert es so: „Wir müssen Wege finden, mit dem Übergewinn umzugehen.“ Vorbild könnte dabei Italien sein – dort gibt es eine zeitlich befristete Sonderabgabe von zehn Prozent für Energieunternehmen, die in 2022 mehr als fünf Millionen Euro und zehn Prozent mehr verdient haben als in den vorigen Jahren. Bei den Grünen wird über einen Aufschlag auf die Körperschaftssteuer nachgedacht. In einem Gutachten des Bundestages werden einige, aber nicht alle rechtliche Bedenken ausgeräumt. Die Steuer sei wegen der „besonderen Knappheits- und Preisbedingungen jedenfalls nicht willkürlich“.

Es gibt allerdings massiven Widerstand der Liberalen. Christian Lindner lässt seinen Sprecher ausrichten: „Wir halten die Übergewinnsteuer nicht für ein geeignetes Mittel.“ Schon allein die Abgrenzung, was „normaler“ Gewinn und was ein Übergewinn sei, könnte rechtlich problematisch sein. Lindner hat dazu den wissenschaftlichen Beirat seines Finanzministeriums ein eigenes Gutachten erstellen lassen. Dort warnen die Experten vor „schädlichen Verzerrungswirkungen“ und „willkürlichen Belastungen“, für die Innovationskraft der Wirtschaft sei das „fatal“. Der FDP-Steuerexperte Karsten Klein übt deutliche Kritik: „Wer legt denn fest, welche Branchen dazu gehören sollen? Da wird Willkür Tür und Tor geöffnet.“

Bei der FDP schrillen die Alarmglocken

Dass Lindner kein Freund der Sonderbesteuerung ist, hatte er schon im Juni deutlich gemacht, als das Thema von der Grünen-Chefin Ricarda Lang und anderen erstmals aufgebracht wurde. Auch jetzt schrillen bei der FDP die Alarmglocken – der Verzicht auf Steuererhöhungen gehört zur politischen DNA der Partei. „Es berührt Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft, wenn Innovationsbereitschaft nicht mehr belohnt wird“, sagt der Abgeordnete Karsten Klein.

Bei der FDP ist man auch zunehmend genervt darüber, dass die Ampelpartner sich mit einseitigen Vorstößen profilieren, oft über die Presse. Statt auf eine Sondersteuer setzt man im Finanzministerium auf einen anderen Weg, um die Bürger zu entlasten: Der FDP-Vorsitzende will den Effekt der so genannten „kalten Progression“ abmildern. Damit ist gemeint, dass durch steigende Einkommen die Mittelschicht immer höher besteuert wird, weil die Progressionssätze nicht an die Inflation angepasst werden.

Lindner wird daher ein Gesetz vorschlagen, mit dem für die Jahre 2023 und 2024 der Grundfreibetrag angehoben sowie ein Inflationsausgleich beim Einkommensteuertarif erreicht werden soll. Also Steuersenkung statt Steuererhöhung, das ist das Credo.

Das Kanzleramt hält den Ball erst mal flach

Bei SPD und Grünen hofft man auf ein Umdenken. Grünen-Chefin Ricarda Lang sagt, dass mit einer solchen Steuer auch die Entlastungen finanziert werden könnten. In Richtung FDP erklärt sie: „Da müssen alle bereit sein, mal über ihren Schatten zu springen. Gerechtigkeit first, Bedenken second.“ Der FDP-Steuerpolitiker Karsten Klein stellt klar: „Das wird mit der FDP nicht zu machen sein.“ Im Kanzleramt will man das Thema flach halten. „Aus Sicht des Kanzlers ist eine Übergewinnsteuer derzeit nicht vorgesehen“, sagte Wolfgang Büchner, der Vizesprecher von Olaf Scholz. Er verweist auf den Koalitionsvertrag – schließlich hat man auch die Stabilität der Ampel im Sinn.

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Erstellt:
2. August 2022, 17:06 Uhr
Aktualisiert:
2. August 2022, 17:09 Uhr

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