Staatsanwältin sieht Mordmerkmal gegeben

Im Prozess um die Brandanschläge vom Oktober in Marbach kommt der psychiatrische Gutachter zu Wort.

Die Feuerwehr kämpfte unter Hochdruck gegen die Flammen. Foto: 7aktuell/S. Adomat

© 7aktuell.de/Simon Adomat

Die Feuerwehr kämpfte unter Hochdruck gegen die Flammen. Foto: 7aktuell/S. Adomat

Von Sabine Armbruster

MARBACH AM NECKAR. Bis zur letzten Minute hat der Mann geschwiegen, der in der Nacht zum 3. Oktober letzten Jahres erst seine Wohnung in der Niklastorstraße in der Marbacher Altstadt in Brand gesteckt haben, anschließend gegen die Türen der Stadtkirche und des Polizeireviers Molotowcocktails und schließlich noch eine Schnapsflasche nach einer Polizistin geworfen haben soll. Nachdem er diese Taten zu Beginn des Prozesses am Heilbronner Landgericht gestanden hatte, war ihm jetzt nichts mehr zu entlocken. Auch vom Recht des Angeklagten auf das letzte Wort machte er keinen Gebrauch. Äußerlich ungerührt hörte der 42-Jährige die Aussagen der beiden Gutachter, die vor den Plädoyers von Staatsanwältin und Verteidiger vorgetragen wurden.

Wie brandgefährlich im wahrsten Sinne des Wortes der Anschlag für die übrigen Bewohner des Hauses war, machte der Gutachter des Landeskriminalamts deutlich. Nachdem an drei verschiedenen Stellen der Erdgeschosswohnung mittels Benzin Feuer gelegt worden war, wovon zwei mangels Sauerstoff erloschen, seien die Wohnungstür des Angeklagten bereits teilweise durchgebrannt und die Türdichtungen beschädigt gewesen, wodurch sich eine größere Menge Rauch im Treppenhaus verteilte.

Am Schlafzimmer des Ehepaars im ersten Stock sei der Boden teilweise durchgebrannt gewesen. Da auch die Decke stark beschädigt gewesen sei, lässt das auf einen offenen Brand schließen. Auch im Bereich der Dachterrasse seien Schäden gefunden worden. „Die muss zu einem relativ frühen Zeitpunkt verraucht gewesen sein“, so der Gutachter. Während es die Bewohner des ersten Stocks, die – wie die im Dachgeschoss – von zufällig vorüberkommenden Zeugen geweckt worden waren, „gerade noch“ durchs Treppenhaus nach unten geschafft hätten, konnten die zuoberst Wohnenden nur dann noch über eine Drehleiter gerettet werden.

In der Wohnung des Angeklagten seien alle Rauchmelder abmontiert gewesen, schon vor dem Brand, ebenso ein Rauchmelder im Vorraum des Treppenhauses. „Für die schlafenden Bewohner bestand schon nach kurzer Zeit akute Lebensgefahr durch Rauch und direkte Flammen sowie Hitzewirkung“, machte der Gutachter im Prozess deutlich. Der psychiatrische Gutachter fasste sich kurz. Da der Angeklagte auch ihm gegenüber geschwiegen habe, könne er sich nur auf dessen Aussagen zu Prozessbeginn stützen. Es gebe keine Entwicklungsverzögerung, im Lebenslauf sei alles normal verlaufen, Anhaltspunkte für eine Störung des Sozialverhaltens seien nicht vorhanden. Dennoch habe er nicht den Eindruck, dass der Angeklagte psychisch völlig gesund sei. Er gehe von einer schizotypen Störung aus, die unter anderem von exzentrischem Verhalten, sozialem Rückzug und einer misstrauischen Grundhaltung gekennzeichnet sei. Auch im Vollzug seien keine Auffälligkeiten bekannt geworden. Die Möglichkeit einer Depression, nach der der Verteidiger fragte, schloss der Gutachter aus. Die Staatsanwältin sah in den Taten unter anderem vorsätzlichen Mord in vier tateinheitlichen Fällen sowie besonders schwere und schwere Brandstiftung. Die in der Anklageschrift ebenfalls zu findende Körperverletzung wurde zur „Verschlankung“ des Ganzen zu Verhandlungsbeginn nach Rücksprache des vorsitzenden Richters mit der Staatsanwältin ausgeblendet, zumal die vier Geschädigten erklärt hätten, sie hätten nur „minimalste Folgen“ erlitten. „Damit soll das aber nicht bagatellisiert werden“, betonte der vorsitzende Richter.

Für alle Taten zusammen – also auch die Molotowcocktails gegen die Türen von Kirche und Polizeirevier und den Flaschenwurf gegen die Polizistin – beantragte die Staatsanwältin eine Freiheitsstrafe von acht Jahren für den Angeklagten, auch unter dem Aspekt, dass eine verminderte Schuldfähigkeit nicht auszuschließen sei,.

Der Verteidiger betonte, der Angeklagte habe zu Verhandlungsbeginn gesagt, den Tod der anderen Hausbewohner nicht bewusst in Kauf genommen zu haben. „Er wusste nicht positiv, dass die anderen im Haus waren und schliefen.“ Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeklagte das ganze Haus habe abbrennen wollen. Es sei ihm lediglich darum gegangen, sein Eigentum dem möglichen Zugriff anderer zu entziehen. Insgesamt beantragte der Verteidiger eine Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten.

Das Urteil soll bereits am kommenden Freitag um 11.30 Uhr am Landgericht Heilbronn verkündet werden.

Zum Artikel

Erstellt:
9. Juni 2021, 16:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen