Staatsanwalt sieht besondere Schwere der Schuld

Dem Angeklagten im Prozess zur Bluttat in Allmersbach im Tal vom Juni 2020 stehen mindestens 15 Jahre Haft bevor.

Nächste Woche fällt das Landgericht Stuttgart das Urteil im Fall der Allmersbacher Bluttat. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Nächste Woche fällt das Landgericht Stuttgart das Urteil im Fall der Allmersbacher Bluttat. Foto: A. Becher

Von Bernhard Romanowski

ALLMERSBACH IM TAL /STUTTGART. Mit einer Erklärung in bewegenden Worten gewährte gestern der Vater beziehungsweise Großvater der Gewaltopfer vom Juni 2020 in Allmersbach einen Einblick in das Seelenleben der Angehörigen. Mutter und Tochter seien sehr lebensfroh und voller Pläne für die Zukunft gewesen. „Aber der Angeklagte wollte gottgleich sein und über Leben und Tod entscheiden“, sagte der Mann und sprach von der „unendlichen Leere“ in den Angehörigen: „Die Welt steht still für uns. Wir konnten die beiden nur noch in Würde beerdigen.“

Zuvor hatte der Staatsanwalt das Wort gehabt. Der Angeklagte habe sich klar über den Willen der 41-jährigen Allmersbacherin hinweggesetzt, schon als er an jenem Juniabend bei ihr auftauchte. Der Mundelsheimer habe die Taten zwar gestanden und umfangreiche Angaben dazu gemacht, doch habe er auch versucht, belastende Motive seines Vorgehens zu verschweigen, so der Staatsanwalt: „Auch die Trinkmengen stiegen in seinen Aussagen kontinuierlich, um die Taten in die Nähe einer Alkoholintoxikation zu rücken.“ Der Angeklagte sei von einer frauenfeindlichen Anspruchshaltung geprägt, die in seinen Beziehungen zum Ausdruck kam. Die Frau habe nicht ahnen können, dass er nach dem verbalen Streit mit ihr zum Auto gehen und ein Kantholz holen würde, um sie zu erschlagen. Sie sei vielmehr dabei gewesen, die Hausarbeit zu erledigen, als er zurückkam. Auch der Umstand, dass sie sich noch zu wehren versucht hatte, spreche nicht gegen ihre Arg- und Wehrlosigkeit zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte sie niederschlug. Der Angeklagte habe um die Wehrlosigkeit seiner Opfer gewusst und sie in „feindseliger Willensrichtung“ bei seinem Vorgehen ausgenutzt. Das Mordmerkmal Heimtücke sei ebenso bei der Tötung des Mädchens angezeigt.

Den Vorwurf des Mordversuchs in Gaildorf ließ der Staatsanwalt fallen.

Auch das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe sei in beiden Fällen erfüllt, so der Staatsanwalt. Er sieht zudem eine besondere Schwere der Schuld gegeben. Zumal keine Kongruenz seines Verhaltens erkennbar sei, auch weil die beiden Opfer keinerlei Anlass zu der Tat gegeben hätte. Beide Tötungen seien das Strafmaß betreffend getrennt voneinander zu werten. Die Forderung der Staatsanwaltschaft lautete somit: Lebenslängliche Haft plus einen Monat Haft für die in Gaildorf begangene Sachbeschädigung an der Tür der Ex-Frau des Angeklagten. Der Vorwurf des Mordversuchs ließ sich hier nicht durch Beweise erhärten. Letzteres sah der Nebenklage-Vertreter der baldigen Ex-Frau des Angeklagten freilich anders. Der Angeklagte habe an jenem Abend sehr wohl das Ansinnen gehabt, seine in Trennung von ihm lebende Frau zu töten, und sei nur davon abgehalten worden, weil er die Tür zu deren Wohnung nicht habe aufbrechen können. Das Mordmotiv sei der Hass auf die Frau gewesen, die ihm angeblich seine Kinder vorenthalte, so der Rechtsanwalt.

Der Vertreter der Familie der Opfer sowie des Ex-Mannes respektive Vaters der beiden Opfer schloss sich dem Vortrag des Staatsanwalts an und thematisierte das entstandene Leid seiner Mandanten auf eindrückliche Weise. Diese würden dem Prozess beiwohnen, weil sie „Antworten suchen, weil sie aus der Ohnmacht heraustreten und das Geschehene greifbar und somit beherrschbar machen wollen“. Der Anwalt der Angehörigen sprach auch einige Verhaltensweisen des Angeklagten während der vergangenen Sitzungen an, als dieser für seine Freunde im Zeugenstand Zettel mit Herzchen darauf hochgehalten, sich aber den Angehörigen gegenüber nie entschuldigt oder reuig gezeigt habe. Der Mundelsheimer habe als empathieloser Mörder im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte gehandelt, wobei er jederzeit auch anders hätte handeln können, so der Anwalt.

„Es ist schwierig, jetzt noch die richtigen Worte zu finden. Diese Vorwürfe muss sich mein Mandant gefallen lassen. Uns bleibt jetzt nur, uns an die Worte des Gesetzes zu halten“, stieg der Verteidiger des Angeklagten in sein Plädoyer ein. Sein Mandant habe es allen Prozessbeteiligten und auch sich selbst nicht leicht gemacht. „Aber er kann es nicht anders. Er kann das Wichtige nicht vom Unwichtigen trennen und kann nicht sozial adäquat agieren“, so der Verteidiger weiter. Auch nach zehn Tagen Hauptverhandlung seien die Beweggründe seines Mandaten weiter unbekannt. Dieser sei 36 Jahre lang vorstrafenfrei durchs Leben gegangen. Er habe den Opfern zuvor weder feindselig gegenüber gestanden, noch habe ihn Eifersucht dazu getrieben, sie zu töten. „Es kam viel Subjektives zusammen. Es war eine Tat wie aus dem Nichts“, so der Verteidiger. Die Arg- und Wehrlosigkeit der Opfer sei nicht zu bestreiten, doch die niedrigen Beweggründe seien nicht gegeben. Auch von einer besonderen Schwere der Schuld sei abzusehen, nicht zuletzt um seinem Mandaten eine Perspektive für ein Leben nach der Haftentlassung in 17 bis 19 Jahren zu lassen. Dies sei die durchschnittliche Dauer einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe ohne Feststellung einer besonderen Schwere der Schuld.

Der Angeklagte machte während der gestrigen Sitzung einen etwas ruhigeren Eindruck als sonst. Seine körperliche Rastlosigkeit schien etwas gedämpft, besonders wenn die Rede auf Einzelheiten der Taten in Allmersbach kam. Er hatte auch das letzte Wort in der Sitzung. Es tue ihm leid und er bereue, was er getan habe, las er nach anfänglichem Stocken von seinem Zettel ab: „Es ist unbegreifbar, dass ich es bin, der diese Tat begangen hat.“ Seine Worte stießen vielfach nicht auf offene Ohren, wie einige Reaktionen im Saal deutlich machten.

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Erstellt:
2. März 2021, 06:00 Uhr

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