Stadt Backnang gibt 80 Prozent des Leerstandszuschusses weiter

Backnang verzichtet zugunsten der Vermieter auf den Löwenanteil der Wiedervermietungsprämie des Landes. Dank des interessanten Förderinstruments soll leer stehender Wohnraum wieder genutzt werden. Ausschuss will mit dem Beschluss Vermietung attraktiver machen.

Lieber leer stehen lassen, als sich Ärger mit Mietern einhandeln. So dachten zuletzt viele Vermieter. Foto: Adobe Stock/Martin Winzer

© Martin Winzer - stock.adobe.com

Lieber leer stehen lassen, als sich Ärger mit Mietern einhandeln. So dachten zuletzt viele Vermieter. Foto: Adobe Stock/Martin Winzer

Von Matthias Nothstein

Backnang. Weil überall händeringend Wohnraum gesucht wird, hat das Land Baden-Württemberg ein Förderprogramm mit dem Titel „Wiedervermietungsprämie“ aufgelegt. Diese Prämie soll für die Kommunen ein Anreiz sein, selbst aktiv zu werden gegen leer stehenden Wohnraum, um diesen wieder dem Wohnungsmarkt zuzuführen. Konkret heißt dies: Backnang würde für jede Wohnung, die nachweislich aufgrund des städtischen Engagements neu vermietet wird, zwei Nettokaltmieten vom Land als Prämie erhalten. Gedeckelt ist die Prämienhöhe, es dürfen maximal 2.000 Euro je vermieteter Wohnung sein. In der jüngsten Sitzung des Verwaltungs- und Finanzausschusses der Stadt Backnang haben die Stadträte einstimmig beschlossen, an dem Programm teilzunehmen. Mehr noch: Geschlossen sprachen sich die Ausschussmitglieder dafür aus, 80 Prozent der Prämie an die Vermieter weiterzugeben. Nur 20 Prozent sollen als Verwaltungskostenbeitrag einbehalten werden.

Das Förderprogramm ist laut Oberbürgermeister Maximilian Friedrich ein willkommenes Instrument, um die Wohnraumvermittlung und die erfolgreiche Anmietung von privaten Objekten zu stärken. Ganz besonders unter dem Gesichtspunkt, dass es zum Beispiel viel sinnvoller ist, geflüchtete Menschen dezentral unterzubringen. Wobei auch einheimische Bedürftige, die auf dem freien Wohnungsmarkt wenig Chancen haben, aufgrund dieser Wohnungsoffensive wieder mehr Möglichkeiten erhalten sollten.

Der Aufwand der Stadt kann mit dem Prämienanteil nicht gedeckt werden

Weitere Themen

Durch die Prämie sollen Kommunen belohnt werden, die beratend oder vermittelnd im Bereich der Leerstandaktivierung tätig werden und bei der Bevölkerung das Bewusstsein für die Beseitigung von Wohnraumleerständen wecken. Diese Tätigkeit kann zum Beispiel ein Aufruf in der Tageszeitung oder auf der städtischen Homepage sein. Die Prämie unterliegt keiner Zweckbindung; deshalb ist deren teilweise Auszahlung an den Vermieter möglich. Der einbehaltene Betrag von 20 Prozent reicht laut Kämmerer Alexander Zipf zwar nicht, um alle Kosten der Stadt zu decken. Denn die meisten Kaltmieten sind niedriger als 1.000 Euro, sodass selbst der Höchstwert, der bei der Stadt hängen bleibt, pro Vertrag nur 400 Euro betragen würde. Zipf: „Wir haben Veröffentlichungs- und Beratungskosten und müssen die Wohnungen besichtigen und die Mietverträge ausarbeiten. Daraus kann jeder leicht ablesen, dass das nicht reichen kann.“

Rätinnen und Räte begrüßen den Vorstoß

Heinz Franke (SPD) bezeichnete es dennoch als fair, den Löwenanteil an die Vermieter abzugeben, „das reizt den einen oder anderen, wieder als Vermieter aufzutreten“. Und auch wenn die Stadt drauflegt, weil die 20 Prozent den Aufwand nicht decken, „ist es doch eine gute Sache, die unseren Bürgern hilft“. Er erinnerte daran, dass freie Träger wie Diakonie oder Caritas seit Langem als Vermittler agieren: „Insofern ist das eine unterstützenswerte Fortsetzung. Dies hat dazu geführt, dass Menschen eine Wohnung erhalten haben, die auf dem freien Markt niemals eine Chance gehabt hätten. Wenn die Stadt als Zwischenvermittler dabei ist, ist es für viele eine Garantie.“ Franke sorgte für Heiterkeit im Ausschuss, als er erklärte: „Die Stadt hat eine gewisse Seriosität.“ Nach dem kurzen Gelächter stellte er klar, wie er verstanden werden wollte: „Nicht alle Menschen sind verwaltungsfreundlich eingestellt.“

Ute Ulfert (CDU) erinnerte daran, dass ihre Fraktion städtische Aktivitäten beim Leerstandsmanagement angeregt hatte: „Wir sind der Auffassung, dass dann die Erfolgsaussichten höher sind, wenn die Stadt im Beratungsgeschäft mitmischt.“ Viele ältere Vermieter, aber auch Menschen, die sich nicht so ganz sicher mit den Bestimmungen auskennen, würden vor Vermietungen zurückschrecken. Ulfert: „Die Mietverträge sind heutzutage schließlich hochkomplex.“

Kommentar
Hilfe und Beratung sind noch wichtiger als Geld

Von Matthias Nothstein

Es ist ärgerlich. Auf der einen Seite werden dringend Wohnungen benötigt, während auf der anderen Seite eben solche Wohnungen seit Jahren leer stehen, manchmal sogar seit Jahrzehnten. Insofern ist es sehr lobenswert, dass die Stadt nun den Mammutteil der Prämie, die bei einer erfolgreichen Vermittlung eigentlich ihr zusteht, an die neuen Vermieter weitergibt und so die Vermietung noch ein Stückchen attraktiver macht.

Viel wichtiger als das Geld ist jedoch die Unterstützung beim bürokratischen Aufwand oder bei möglichen Schwierigkeiten, die sich vor oder im Laufe einer Vermietung ergeben können. Solche Probleme und Ärgernisse sind vermutlich der häufigste Grund, weshalb der dringend benötigte Wohnraum ungenutzt dahindümpelt. Wenn es sich einmal herumspricht, dass die Vermietung solcher Flächen problemlos über die Bühne geht, finden sich bestimmt viele Eigentümer, die sich auf einen neuen Mieter einlassen. Denn die wenigsten verzichten grundlos auf Einnahmen, sondern würden es vielmehr gutheißen, wenn sie einerseits helfen und gleichzeitig dabei profitieren könnten. Deshalb: Geld ist gut. Aber Hilfe und Beratung sind noch wichtiger.

m.nothstein@bkz.de

Maximal 2.000 Euro Prämie

Prämie Die Wiedervermietungsprämie ist ein Förderinstrument des Landes Baden-Württemberg. Die Wohnraumoffensive kommt vom Ministerium für Landesentwicklung und Wohnung. Die Prämie beträgt zwei Nettomonatskaltmieten – jedoch maximal 2000 Euro je vermieteter Wohnung. Eine Gesamtdeckelung gibt es nicht.

Voraussetzungen Die Gewährung der Prämie setzt voraus, dass der Wohnraum zum Zeitpunkt der Antragstellung nachweislich länger als sechs Monate leer steht und die Vermietung durch eine kommunale Aktivität im Bereich der Beratung oder Vermittlung erfolgt ist. Zudem muss zum Zeitpunkt der Antragstellung das Mietverhältnis bereits bestehen, entweder unbefristet oder zumindest für die Dauer von einem Jahr. Auch muss Nutzung zu Wohnzwecken nachgewiesen werden. Auf der anderen Seite darf der Mietvertrag nicht älter als sechs Monate sein. Der Antrag der Kommune muss bei der Landsiedlung Baden-Württemberg GmbH gestellt werden.

Keine Förderung Ein Förderausschluss besteht bei einer Wiedervermietung von gebundenem Wohnraum mit einer Belegungspflicht, insbesondere nach dem Landeswohnraumförderungsprogramm. Ebenso gibt es keine Prämie, wenn der Wohnraum zuvor nicht zu Wohnzwecken genutzt wurde, sondern zum Beispiel eine gewerbliche Nutzung hatte. Auch ist eine Mehrfachprämierung ausgeschlossen, wenn zum Beispiel Wohnraum in mehrere selbstständige Wohneinheiten unterteilt wird.

Rückblick Im vergangenen Jahr konnte die Stadt bereits ohne Prämie 25 Wohnungen anmieten, im laufenden Jahr kamen weitere 20 Objekte dazu, darunter zwei größere Häuser. Insgesamt sind aktuell 222 Personen untergebracht. Die Anmietung ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll. Vielmehr fördert die dezentrale Wohnraumversorgung auch die Integration der Geflüchteten. Wegen des Erfolgs der Wohnrauminitiative gab es überplanmäßige Mehraufwendungen in Höhe von 220.000 Euro. Der Ausschuss stimmte zu.

Zum Artikel

Erstellt:
1. Juni 2023, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Gesellinnen und Gesellen im Rems-Murr-Kreis werden ausgezeichnet

In dieser Woche hat die Lossprechungsfeier der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr stattgefunden. In der Barbara-Künkelin-Halle in Schorndorf sind bei dieser Gelegenheit auch die Auszeichnungen an die besten Junghandwerkerinnen und Junghandwerker verliehen worden.

Stadt & Kreis

Das Bildhafte der Kinderkreuzwege spricht Kinder im Herzen an

Viele Kirchengemeinden im Raum Backnang organisieren Kinderkreuzwege und versuchen so, die Leidensgeschichte Jesu auf kindgerechte Art und Weise zu vermitteln. Der Schwerpunkt der Verkündigung liegt dabei nicht auf der grausamen Passion, sondern auf der frohen Osterbotschaft.

Maria Török ist eine von über 100 Pflegekräften im Staigacker. Sie kümmert sich liebevoll und gern um die Bewohner. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Personalnotstand setzt Pflegeheimen im Raum Backnang zu

Weil offene Stellen nur schwer besetzt werden können oder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausfallen, kommt es in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Personalengpässen. Trotzdem muss die Versorgung weiterlaufen. Heime greifen deshalb auf Zeitarbeitsfirmen oder Springer zurück.