Stadt Schorndorf will sich für Mobilfunk öffnen

Beschluss, dass städtische Einrichtungen nicht für Sendeanlagen zur Verfügung stehen, soll aufgehoben werden

Als „Experiment am Menschen“ haben Mobilfunkgegner und -kritiker im Rahmen einer kleinen Demonstration den geplanten 5-G-Ausbau kritisiert und gegen die Freigabe städtischer Liegenschaften für Mobilfunkanlagen protestiert. Foto: R. Steinemann

© Ralph Steinemann Pressefoto

Als „Experiment am Menschen“ haben Mobilfunkgegner und -kritiker im Rahmen einer kleinen Demonstration den geplanten 5-G-Ausbau kritisiert und gegen die Freigabe städtischer Liegenschaften für Mobilfunkanlagen protestiert. Foto: R. Steinemann

Von Hans Pöschko

SCHORNDORF. Neben Esslingen und Ludwigsburg ist Schorndorf derzeit noch eine von drei Kommunen im Land, in denen bislang die Errichtung von Funkmasten auf städtischen Gebäuden und Grundstücken ausgeschlossen ist. Das könnte sich ändern: Nach der Vorberatung im Technischen Ausschuss sieht es so aus, als sollte der Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung die seitherige Regelung kippen. Allerdings nicht vorbehaltlos. Den ersten Vorbehalt sprach der Leiter des Fachbereichs Stadtentwicklung und Baurecht, Manfred Beier, an: Liegenschaften, die durch Schulen und Kindergärten genutzt werden, sollten auch in Zukunft von Mobilfunkanlagen frei gehalten werden, um, wie es in der Sitzungsvorlage heißt, „weiterhin ein gutes gesellschaftliches Miteinander zu garantieren“. Grundsätzlich aber wäre es im Hinblick auf den geplanten weiteren Ausbau des Mobilfunknetzes „keine gute Idee“, am Ausschluss städtischer Gebäude und Grundstücke weiterhin festzuhalten, meinte Beier.

Aktuell gebe es in Baden-Württemberg außer in Schorndorf nur noch in Ludwigsburg und Esslingen einen anderslautenden Beschluss, sagte Beier, der zuvor berichtet hatte, dass es in der Stadt derzeit auf privaten Liegenschaften rund 20 Mobilfunkanlagen gebe – schwerpunktmäßig in der Stadtmitte und in der Nordstadt, während aber beispielsweise Weiler derzeit noch ein weißer Fleck sei. Dort allerdings plant Vodafone, wie bereits mehrfach berichtet, die Errichtung eines Mobilfunkmasts beim S-Bahn-Haltepunkt, was zu Protestaktionen der beiden Initiativen „Weiler macht mobil“ und „Strahlungsarmes Schorndorf“ geführt hat. Einen zweiten Vorbehalt formulierte Fraktionschef Hermann Beutel für die CDU-Fraktion. Angesichts der vielen zweifellos vorhandenen Funklöcher im Stadtgebiet werde seine Fraktion die Freigabe von städtischen Liegenschaften für Mobilfunkanlagen wohl mittragen, aber nur mit der Einschränkung, dass diese Anlagen zunächst einmal auf 4G und LTE beschränkt blieben. Eine 5-G-Aufrüstung, so Beutel, solle so lange ausgeschlossen bleiben, bis alle mit der neuen Technologie verbundenen offenen Fragen geklärt seien. Als richtig und gut bezeichnete Grünen-Stadtrat Andreas Schneider den angekündigten CDU-Antrag, wobei es ihm am liebsten wäre, wenn es im Fall einer jeden neuen Mobilfunkanlage vorher eine Unbedenklichkeitsprüfung gäbe.

Schließlich handle es sich beim Mobilfunk um eine Technologie, zu der es in der Wissenschaft unterschiedliche Auffassungen gebe, was die Gesundheitsgefährdung angehe. Und diesbezügliche Bedenken müssten auch ins kommunalpolitische Handeln einfließen, meinte Schneider, dessen Fraktionskollegin Kirsten Katz den Oberbürgermeister daran erinnerte, dass er bei besagtem Mobilfunkgipfel im März 2019 den Mobilfunkkritikern und -skeptikern zugesagt habe, sich jederzeit einer Diskussion über die Wirkungen von Mobilfunk auf die Gesundheit stellen zu wollen. Diese Diskussion stehe noch aus, sagte die Grünen-Stadträtin. Ihre Fraktionskollegin Friederike Köstlin monierte, ihr fehle bei der ganzen Sache die Linie. „Wir brauchen ein Gesamtkonzept, wenn wir uns nicht zu Getriebenen machen wollen“, meinte sie. „Was ist sinnvoll, was brauchen wir, was sind die Alternativen?“ Dem widersprach Manfred Beier entschieden. „Wir sind nicht getrieben“, betonte er. Wenn es wieder mehr Bedarfsanmeldungen seitens der Betreiber gebe, sei es auf jeden Fall besser, wenn die Stadt die Möglichkeit habe, die Standorte zu koordinieren, als wenn jeder Private mache, was er wolle, meinte FDP/FW-Fraktionschef Gerald Junginger. Keine Strahlung direkt am Standort – für Schneider ein „Volksmythos“ In dieselbe Richtung argumentierte Marcel Kühnert. „Man muss sich auf politische Vorgaben verlassen können“, sagte der SPD-Stadtrat zur Diskussion um Grenzwerte und bekundete, dass er auch mit Mobilfunkanlagen auf Schulen und Kindergärten gut leben könne, weil erwiesen sei, dass es direkt unter einer Anlage so gut wie keine Strahlung gebe. Das sei ein längst widerlegter „Volksmythos“, hielt ihm Grünen-Stadtrat Andreas Schneider entgegen und kritisierte einen „zu laxen Umgang mit Grenzwerten“.

Info
Demo gegen weiteren Mobilfunkausbau

„Wir sind ein dunkles Häufchen, aber wir strahlen hell“, hat Eva-Maria Gideon, eine der Aktiven im Kampf gegen den Ausbau des Mobilfunknetzes in Schorndorf, sinnbildlich die Demonstration beschrieben.

Mit der Entscheidung, die städtischen Liegenschaften zur Errichtung weiterer Mobilfunkmasten zur Verfügung zu stellen, „würde die Stadt sich von einem wichtigen Teil der Gesundheitsvorsorge verabschieden“, heißt es in einem Flugblatt.

Dies gelte umso mehr im Hinblick auf die neue Mobilfunkgeneration 5G, die, so die Kritik der Demonstranten, „in aller Hektik ohne Gesundheits- und Technikfolgenabschätzung“ eingeführt werden solle. Mit der Folge, dass ein Vielfaches an Mobilfunkmasten und Sendern in den Städten und Gemeinden installiert werden müsste.

Käme es aber, so die Sorge der Mobilfunkgegner und -kritiker, wie gewünscht zum flächendeckenden Ausbau, so gebe es vor der Strahlung „kein Entrinnen mehr“. Was eine Katastrophe nicht nur für die zehn Prozent Elektrosensiblen in der Bevölkerung wäre. Selbst das Bundesamt für Strahlenschutz gebe die „krebspromovierende Wirkung“ von Mobilfunk zu, heißt es in dem Flugblatt.

„Wir erwarten, dass auch unserer Verwaltung unsere Gesundheit und unsere Selbstbestimmung wichtiger sind als die Ausbauwünsche der Mobilfunkfirmen“, haben die Demonstranten den Teilnehmern an der Sitzung des Technischen Ausschusses mit auf den Weg gegeben.

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Erstellt:
13. November 2019, 06:00 Uhr

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