Stadtmobil kann Fahrzeuge halten

Zu Beginn der Coronapandemie ging die Nutzung von Stadtmobil-Fahrzeugen stark zurück. Viele Nutzer hatten anfangs Bedenken, in ein geteiltes Fahrzeug einzusteigen. Ein Rettungsschirm des Landes hat dem Carsharing-Anbieter über die Runden geholfen.

Drei Stadtmobil-Autos, zwei Kleinwagen und ein Kombi, sind momentan in Backnang verfügbar. Vorübergehend stehen sie auf dem Park-and-ride-Parkplatz gegenüber dem Bürgerhaus. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Drei Stadtmobil-Autos, zwei Kleinwagen und ein Kombi, sind momentan in Backnang verfügbar. Vorübergehend stehen sie auf dem Park-and-ride-Parkplatz gegenüber dem Bürgerhaus. Foto: A. Becher

Von Melanie Maier

BACKNANG. Dass es in Backnang auch im Jahr 2021 noch drei Stadtmobil-Autos gibt, ist dem Rettungsschirm Carsharing des Landes Baden-Württemberg zu verdanken. Bis zu 4000 Euro pro Fahrzeug hat das Land im Juli 2020 bereitgestellt, um den Carsharing-Anbietern im Südwesten über die Runden zu helfen. In Backnang hat der Verein Stadtmobil für alle drei Fahrzeuge, die für die Nutzer bereitstehen, die maximale Fördersumme erhalten. Insgesamt ging die Förderung im Rems-Murr-Kreis an 33 Stadtmobil-Fahrzeuge. Ob es ohne den Zuschuss möglich gewesen, alle Autos in Backnang zu halten, sei fraglich, sagt Stadtmobil-Pressesprecher Matthias Hartlieb.

Besonders während des ersten Lockdowns seien die beiden Kleinwagen und der Kombi weit weniger genutzt worden, so Hartlieb. Im April 2020 habe man 70 Prozent der regulären Auslastung eingebüßt. Zum einen hätten die Menschen weniger Anlässe gehabt, sich zu bewegen. „Und ich vermute, dass viele Leute Angst hatten, sich in den Fahrzeugen anzustecken.“ Im Frühjahr habe er viele Anfragen von Menschen erhalten, die wissen wollten, was der Verein unternimmt, um die Sicherheit während der Fahrt zu gewährleisten und das Infektionsrisiko gering zu halten, sagt Hartlieb. Ihnen teilte er mit, dass die Innenräume der Fahrzeuge nun doppelt so häufig gereinigt werden wie zuvor – statt einmal zwei- oder dreimal pro Monat. Mithilfe von Tankkarten könnten die Kunden die Fahrzeuge kostenfrei selbst aussaugen. Außerdem stehe in jedem Fahrzeug eine Flasche mit Desinfektionsmittel bereit, mit dem die Nutzer das Lenkrad und die Armaturen selbst reinigen können.

So geht auch Barbara Jerusalem vor, wenn sie in eines der Stadtmobil-Fahrzeuge einsteigt. Vor 15 Jahren hat die 40-jährige Lehrerin die Bereitstellung von Carsharing-Autos in Backnang mitinitiiert. 2006 kam das erste in die ehemalige Gerberstadt. Nach wie vor nutzt Jerusalem die Fahrzeuge oft privat. Am Anfang der Covid-19-Pandemie sei auch sie skeptisch gewesen, gibt sie zu. „Ich habe mich schon gefragt: Nutze ich das weiterhin? Wie sicher ist das?“ Mittlerweile hat sie keine Bedenken mehr, in ein geteiltes Fahrzeug einzusteigen. Das Stadtmobil, sagt sie, sei bequemer als die S-Bahn. Man müsse keine Maske tragen, sei sehr flexibel und da man meist alleine fahre, sei die Nutzung sicherer als die Fahrt in den öffentlichen Nahverkehrsmitteln. Zudem möchte sie den Verein, ein Herzensprojekt, unterstützen.

In Backnang ist das Prinzip Carsharing wieder gefragt.

Es könnte noch hart werden für die Carsharing-Anbieter. Bei einer Befragung der Beratungsfirma PwC Strategy& gaben 31 Prozent der Teilnehmer in Deutschland an, öfter im eigenen Pkw fahren zu wollen. 77 Prozent teilten mit, Carsharing weniger nutzen zu wollen.

„Für einen Privatmenschen ist es nicht so schlimm, wenn er sein Auto mal ein halbes Jahr stehen lässt“, sagt Jerusalem. „Für ihn hat das keine Auswirkungen.“ Bei einem Carsharing-Anbieter sei das anders, erklärt sie. Lohne es sich wirtschaftlich nicht, mehrere Fahrzeuge an einem Standort bereitzustellen, werden diese wieder abgezogen. Die Frage, ob das in Backnang passieren wird, habe sie 2020 stark belastet, sagt Jerusalem.

Dass das Prinzip Carsharing in Backnang nach wie vor gefragt ist, zeigen die Nutzungszahlen. Bis Juli seien diese zwar deutlich niedriger gewesen als in den Vorjahren, sagt Stadtmobil-Pressesprecher Matthias Hartlieb. Doch in den Sommermonaten konnten einige Ausfälle wiedergutgemacht werden. Von dem Umstand, dass viele Menschen in Baden-Württemberg ihren Urlaub aufgrund der Coronapandemie nicht im Ausland verbringen konnten, hat der Verein Stadtmobil, wie viele Tourismusanbieter in Deutschland, profitiert.

Im November und Dezember 2020 sei die Auslastung ähnlich hoch wie im Vorjahr gewesen, sagt Hartlieb. „Insgesamt sind wir über das Jahr hinweg mit einem blauen Auge davongekommen.“ Der Umsatz in Backnang lag im vergangenen Jahr um 15 Prozent niedriger als 2019. „Anfang des Jahres hatten wir mit Schlimmerem gerechnet“, so Hartlieb. Während der vergangenen Monate seien die Fahrzeuge durchgehend zu etwa 30 Prozent ausgelastet gewesen, das entspricht einer Buchung von sieben Stunden pro Tag. Eine Zahl, mit der Hartlieb zufrieden ist, die aber auch deutlich höher hätte ausfallen können.

Während in Stuttgart, Ludwigsburg und Esslingen 50 Stadtmobil-Fahrzeuge dazugekauft werden sollen, stehen in Backnang 2021 keine großen Veränderungen an, was die Anzahl der Fahrzeuge betrifft. Die drei Autos seien für die rund 65 Kunden aber ausreichend, so Stadtmobil-Initiatorin Barbara Jerusalem. Neu wird auf lange Sicht allerdings der Standort von Stadtmobil in Backnang. Sobald der Umbau am Bahnhof abgeschlossen ist, sollen die Fahrzeuge dort feste Stellplätze bekommen. Das habe die Stadt bereits zugesichert. Momentan stehen die Wagen auf markierten Stellplätzen auf dem Park-and-ride Parkplatz gegenüber dem Backnanger Bürgerhaus.

Jerusalem hofft, dass mehr Menschen Carsharing für sich entdecken werden. Das könnte eine positive Folge der Pandemie sein, meint sie: „Wenn mehr Menschen im Homeoffice arbeiten können, bietet sich ihnen langfristig vielleicht die Perspektive, auf ein eigenes Auto oder auf einen Zweitwagen zu verzichten.“

Sorgen macht sie sich, dass aus Angst vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus weniger Menschen mit dem Bus und der Bahn fahren könnten. Denn die Carsharing-Betreiber sehen sich nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zum öffentlichen Nahverkehr. In der Regel stehen die Fahrzeuge in der Nähe von Bahnhöfen oder Bushaltestellen.

Die Carsharing-Anbieter seien auf die Kombination mit dem öffentlichen Nahverkehr angewiesen, erklärt Jerusalem: „Die Nutzer müssen erst einmal zu den Stadtmobil-Autos kommen.“ Trotzdem sei sie optimistisch, dass mit dem Impfstoff wieder mehr Normalität einkehre, die Nutzerzahlen steigen, sagt sie. „Seitdem ich Carsharing mache, denke ich: Es wäre doch schön, wenn irgendwann niemand mehr ein eigenes Auto bräuchte.“

Wie funktioniert Stadtmobil?

Neue Nutzer müssen sich einmalig online oder in der Geschäftsstelle anmelden, dabei oder danach Führerschein und Ausweis vorlegen. Verschiedene Tarife sind möglich, je nachdem wie oft man das Angebot nutzt. Auf der Homepage kann man schon im Voraus ausrechnen, wie viel eine Fahrt kosten wird (man gibt Kilometerzahl und Zeitspanne, Tarif und Autoklasse ein).

Mit ihren Zugangsdaten haben Nutzer deutschlandweit Zugriff auf Autos von Stadtmobil und seinen Partnern. Per App oder Telefon wird das gewünschte Auto mit Angabe des Zeitraums online gebucht. Per Zugangskarte lässt sich das Auto dann öffnen. Am Ende der gebuchten Zeit muss das Auto wieder an der Station abgestellt werden. Bei Verspätungen wird eine Extragebühr berechnet.

Zum Artikel

Erstellt:
21. Januar 2021, 06:00 Uhr

Artikel empfehlen

Artikel Aktionen

Lesen Sie jetzt!

Stadt & Kreis

Gesellinnen und Gesellen im Rems-Murr-Kreis werden ausgezeichnet

In dieser Woche hat die Lossprechungsfeier der Kreishandwerkerschaft Rems-Murr stattgefunden. In der Barbara-Künkelin-Halle in Schorndorf sind bei dieser Gelegenheit auch die Auszeichnungen an die besten Junghandwerkerinnen und Junghandwerker verliehen worden.

Stadt & Kreis

Das Bildhafte der Kinderkreuzwege spricht Kinder im Herzen an

Viele Kirchengemeinden im Raum Backnang organisieren Kinderkreuzwege und versuchen so, die Leidensgeschichte Jesu auf kindgerechte Art und Weise zu vermitteln. Der Schwerpunkt der Verkündigung liegt dabei nicht auf der grausamen Passion, sondern auf der frohen Osterbotschaft.

Maria Török ist eine von über 100 Pflegekräften im Staigacker. Sie kümmert sich liebevoll und gern um die Bewohner. Foto: Alexander Becher
Top

Stadt & Kreis

Personalnotstand setzt Pflegeheimen im Raum Backnang zu

Weil offene Stellen nur schwer besetzt werden können oder Pflegekräfte krankheitsbedingt ausfallen, kommt es in Pflegeeinrichtungen immer wieder zu Personalengpässen. Trotzdem muss die Versorgung weiterlaufen. Heime greifen deshalb auf Zeitarbeitsfirmen oder Springer zurück.