Stadtwappen als Stuhlschmuck

Das Carl-Schweizer-Museum Murrhardt präsentiert ein neues Exponat: Eine Stuhlrückenlehne zeigt die bisher älteste Darstellung des städtischen Emblems.

Das gute Stück findet sich in einer Vitrine des Museums. Unklar ist, für welche Art von Sitzmöbel es gefertigt wurde. Denkbar ist ein Rats-, Gerichts- oder Kirchenstuhl. Foto: E. Klaper

Das gute Stück findet sich in einer Vitrine des Museums. Unklar ist, für welche Art von Sitzmöbel es gefertigt wurde. Denkbar ist ein Rats-, Gerichts- oder Kirchenstuhl. Foto: E. Klaper

Von Elisabeth Klaper

MURRHARDT. „Mit viel Glück“ ist es Christian Schweizer gelungen, ein außergewöhnliches Objekt aus dem Kunsthandel für das Carl-Schweizer-Museum zu erwerben. Es zeigt die bisher erste und älteste bekannte Darstellung des Murrhardter Stadtwappens. „Ein Murrhardter Kunstsammler hat mich vor etwa zwei Jahren darauf hingewiesen“, erzählt der Leiter des „Hauses für Natur und Geschichte“. Dieser hatte eine Abbildung in einem Katalog des Stuttgarter Kunst-Auktionshauses Nagel entdeckt. Sie zeigte einen Stuhlzierbeschlag mit Resten einer Bemalung aus der Zeit der Spätrenaissance. Das zentrale Bildmotiv besteht aus einer in der Mitte stehenden Tanne, die auf beiden Seiten von je einem Wolf flankiert wird, darunter steht die Jahreszahl 1572.

Dagegen fehlt der Abtsstab als Symbol für das Kloster, der zuvor fester Bestandteil des Wappens war. Über der Tanne befindet sich ein Männergesicht, eingefasst von Zierornamenten. Die Heimatgeschichtsforscher und -experten Rolf und Christian Schweizer gehen davon aus, dass dieser Zierbeschlag während der Amtszeit des Vogts und Stadtamtmanns Jakob Hofseß gefertigt wurde. Weiter vermuten sie, dass Hofseß die Kunstschmiedearbeit selbst in Auftrag gab.

Insofern halten sie es für möglich, dass das Männergesicht entweder ihn selbst zeigt – oder den damals regierenden Herzog Ludwig von Württemberg. „Jakob Hofseß wurde kurz nach der Aufhebung der Reichsacht gegen Herzog Ulrich von Württemberg und dessen Rückkehr aus der Verbannung 1534 zum Vogt des Klosters Murrhardt bestellt, um dort die Reformation durchzusetzen“, erläutert Christian Schweizer den historischen Hintergrund. „Nach der Aufhebung der Murrhardter Abtei übernahm Jakob Hofseß vollständig die Kontrolle über das Kloster und die Stadt Murrhardt. Nachdem er seinen Sohn Otto Leonhard Hofseß als Novize in das einstige Benediktinerkloster gegeben hatte, gelangte 1552 sogar dessen Leitung in die Hand seiner Familie. Denn Herzog Christoph von Württemberg ernannte wahrscheinlich auf den Rat von Jakob Hofseß hin dessen Sohn Otto Leonhard zum ersten evangelischen Abt des Klosters Murrhardt“, erzählt der Heimatgeschichtsforscher.

Doch Jakob Hofseß missbrauchte seine herausgehobene Stellung als Vogt des Klosters und der Stadt, um sich zu bereichern. „Durch Boden- und Grundstücksspekulationen sowie Unterschlagung von Einnahmen, die an den Hof des Herzogs von Württemberg abzuführen waren, häufte er ein für die damalige Zeit beträchtliches Vermögen an. Erst als offenkundig wurde, in welchem Umfang der Vogt Gelder aus Amtsangelegenheiten hinterzogen und dabei auch nicht vor Urkundenfälschung zurückgeschreckt hatte, gebot ihm Herzog Christophs Sohn und Nachfolger Herzog Ludwig Einhalt.“

Als Räte dieses Herzogs 1574 eine Revision der Amtsgeschäfte in der Walterichstadt durchführten, fanden sie heraus, „dass Jakob Hofseß im Laufe seiner Amtsjahre die immense Summe von 7000 Gulden unterschlagen hatte.“ Nachdem die Untersuchungen abgeschlossen waren, verhaftete man Jakob Hofseß und seinen Sohn Otto Leonhard und brachte beide ins württembergischen Staatsgefängnis auf der Burg Hohenneuffen. „Nach einem Prozess, bei dem auch die sogenannte peinliche Befragung, sprich Folter, zur Anwendung kam, wurde Jakob Hofseß zum Tode durch den Strang, nach Fürbitten von ihm selbst und seiner Familie jedoch zum Tode durch das Schwert verurteilt. Im April 1575 wurde Jakob Hofseß schließlich auf Befehl Herzog Ludwigs öffentlich enthauptet.“

Laut Christian Schweizer ist noch nicht bekannt, wo sich der Zierbeschlag früher befand und wo er entdeckt wurde. Auch wisse man noch nicht, ob es sich bei dem dazugehörigen Sitzmöbel um einen Rats-, Gerichts- oder gar Kirchenstuhl handelte, räumt er ein. Er hebt jedoch die hohe historische Bedeutung hervor: Der Zierbeschlag weist die bislang erste und älteste bekannte Darstellung des weltlichen Stadtwappens der Walterichstadt auf.

Rolf Schweizer nimmt an, dass der Zierbeschlag entweder während der Regierungszeit Herzog Christophs von 1550 bis 1568 oder Herzog Ludwigs von 1568 bis 1593 geschaffen wurde. Wer ihn gestaltete, ist ebenfalls noch nicht bekannt. Doch vermuten Christian und Rolf Schweizer aufgrund der Datierung und der gesamten Machart, dass es Nikodem Zügel war. Zu jener Zeit war Zügel Büchsenmacher, bester Schmied und Vorstandsmitglied der Schützenbruderschaft der Walterichstadt.

Bürgerstiftung beteiligt sich an Finanzierung des Kaufpreises.

Über die Spanne von zwei Jahren und mehrere Stationen hinweg ist es Christian Schweizer gelungen, dieses Objekt aus dem Kunsthandel zu erwerben. „Ein Kunsthändler aus Bayreuth verkaufte uns den Zierbeschlag zu einem wesentlich niedrigeren Betrag als im Katalog angegeben, als er davon Kenntnis bekam, dass das Stück wieder an seinen Ursprungsort zurückkehren wird“, berichtet der Leiter des Carl-Schweizer-Museums.

Auf dessen Anfrage bei der Stadtverwaltung hin, ob diese die Neuerwerbung finanziell unterstützen könnte, „hat sich die Bürgerstiftung Murrhardt dankenswerterweise an der Finanzierung beteiligt und etwa ein Drittel des Kaufpreises übernommen“. Diese Zuwendung erfolgte nach Auskunft des Vorstandsvorsitzenden der Bürgerstiftung, Bürgermeister Armin Mößner, aus deren allgemeinen Erträgen. Damit unterstütze die Bürgerstiftung auch andere Projekte verschiedenster Art auf Antrag.

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Erstellt:
24. August 2020, 16:00 Uhr

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