Stadtwerke verdoppeln Gaspreise

Mehr als 3000 Kunden der Stadtwerke Backnang haben diese Woche einen unerfreulichen Brief bekommen. Darin kündigt der Energieversorger eine drastische Preiserhöhung zum 1. April an. Aber es hätte sogar noch schlimmer kommen können, erklärt Geschäftsführer Thomas Steffen.

Wer die Heizkosten senken will, dem bleibt nur die Möglichkeit, die Temperatur herunterzudrehen.Symbolbild: Andrey Popov/stock.adobe.com

© Andrey Popov - stock.adobe.com

Wer die Heizkosten senken will, dem bleibt nur die Möglichkeit, die Temperatur herunterzudrehen.Symbolbild: Andrey Popov/stock.adobe.com

Von Kornelius Fritz

Backnang. „Gaspreise in Backnang vorerst stabil“, hatte unsere Zeitung noch im Dezember getitelt. Obwohl zu diesem Zeitpunkt schon zahlreiche Energieversorger an der Preisschraube drehten, zeigte sich der Geschäftsführer der Stadtwerke Backnang, Thomas Steffen, noch optimistisch, dass ein solcher Schritt hier vermieden werden kann. „Eine Steigerung von 20 bis 30 Prozent des Preises ist auf jeden Fall ausgeschlossen“, erklärte Steffen damals. Damit hat er recht behalten, könnte man heute sarkastisch sagen, denn die Preiserhöhung, die die Stadtwerke diese Woche verkündeten, liegt weit jenseits von 30 Prozent.

Für Bestandskunden im gängigsten Tarif (SwBK Gas M) erhöht sich der Preis pro Kilowattstunde ab April von 6,38 Cent auf 12,33 Cent, was nahezu eine Verdoppelung bedeutet. Für Neukunden sind künftig sogar 15,3 Cent pro Kilowattstunde fällig. Hausbesitzer und Mieter müssen sich beim Heizen also in diesem Jahr auf Mehrkosten von mehreren Hundert Euro einstellen. Unverändert bleibt lediglich der monatliche Grundpreis von 11,90 Euro.

„Wir hätten gerne darauf verzichtet, aber wir stehen nun mal ganz am Ende der Kette“, erklärt Thomas Steffen. Bereits seit Oktober spielen die Preise auf den internationalen Märkten verrückt. Lag der Einkaufspreis für die Versorger davor jahrelang konstant zwischen zwei und drei Cent pro Kilowattstunde, stieg er im Herbst sprunghaft an auf über sieben Cent, um sich im Dezember dann noch einmal auf 14 Cent zu verdoppeln. „Das sind Preise, die ich vor einem halben Jahr selbst nicht für möglich gehalten hätte“, gibt der Stadtwerke-Chef zu. Inzwischen sind die Preise zwar wieder gesunken, liegen aber noch weit über dem bisher üblichen Niveau.

Die Gründe für die Preisexplosion sind vielfältig: „Das kann man nicht an einem Punkt festmachen“, sagt Thomas Steffen. Die Ukrainekrise und die Diskussion um ein mögliches Aus für die Pipeline Nord Stream 2 spielen dabei ebenso eine Rolle wie die gestiegene CO2-Bepreisung und die zuletzt unterdurchschnittlichen Ausbeuten bei Wind- und Solarenergie.

Fakt ist jedenfalls, dass Gas für die Energieversorger im Einkauf so teuer geworden ist, dass ihnen gar nichts anderes übrig bleibt, als den Preisaufschlag an ihre Kunden weiterzugeben. Die Frage ist lediglich wann und in welchem Umfang.

Und in diesem Punkt sieht Thomas Steffen die Stadtwerke Backnang im Vergleich zur Konkurrenz sogar im Vorteil. Weil man langfristige Lieferverträge geschlossen habe, profitiere man heute zum Teil noch von den günstigeren Preisen des vergangenen Jahres. Im Gegensatz zu vielen anderen Anbietern, die ihre Preise bereits im Januar angepasst hätten, habe man die Erhöhung dadurch bis April verschieben können, wenn die Heizperiode schon fast vorbei ist. Laut Steffen entfällt üblicherweise rund die Hälfte des jährlichen Gasverbrauchs auf die ersten drei Monate. Die Verdoppelung des Verbrauchspreises ab April bedeute deshalb aufs ganze Jahr gerechnet ein Plus von „nur“ 50 Prozent.

Anfang 2023 könnten die Preise dann vielleicht schon wieder gesenkt werden. „Wir sind guter Dinge, dass sich die Situation bis zum Jahresende entspannt“, erklärt der Geschäftsführer. Dass das Gas dann wieder genauso günstig sein wird wie vor dem Anstieg, glaubt Thomas Steffen allerdings nicht.

Besonders prekär ist die Situation derzeit für diejenigen, die ihr Gas bisher von einem jener Billiganbieter bezogen haben, die wegen des Preisanstiegs ihren Kunden gekündigt oder sogar pleite gemacht haben. Sie landen automatisch beim Grundversorger Stadtwerke und müssen dort künftig noch mehr bezahlen als die Bestandskunden. Thomas Steffen begründet dies damit, dass man die unerwarteten Neukunden – bei den Stadtwerken immerhin rund 200 Stück – bei der Gasbeschaffung nicht einkalkuliert habe. Deshalb müsse man für sie nun zu den aktuell hohen Preisen nachbestellen. Das lässt sich der Anbieter mit einem Zuschlag von rund drei Cent pro Kilowattstunde vergüten. Steffen versichert aber, mittelfristig werde man die Preise wieder angleichen, schließlich ist es erklärtes Ziel der Stadtwerke, auch diese neuen Kunden langfristig zu binden.

Den Ärger über die massive Preiserhöhung haben die Beschäftigten im Servicecenter der Stadtwerke in den vergangenen Tagen bereits zu spüren bekommen. „Die Leute sind sauer und das verstehe ich auch voll und ganz“, sagt Thomas Steffen. Für etliche Haushalte mit geringem Einkommen dürfte nun der Punkt erreicht sein, an dem sie ihre Gasrechnung nicht mehr bezahlen können. Darauf wies auch Jörg Bauer am Donnerstag im Technischen Ausschuss des Gemeinderats hin: „Viele Leute stehen mit dem Rücken zur Wand. Für die ist das ein Schlag ins Gesicht“, sagte der Stadtrat von der Fraktion Bürgerforum/FDP/BIG. Bauer befürchtet einen Aufstand in der Bevölkerung wegen der hohen Energiepreise.

Erster Bürgermeister Siegfried Janocha und die Stadträte, die dem Aufsichtsrat der Stadtwerke angehören, warnten allerdings davor, dem lokalen Energieversorger die Schuld zu geben. „Die Stadtwerke können am wenigsten dafür“, meinte etwa Grünen-Fraktionschef Willy Härtner. Zumindest für Haushalte, die Wohngeld beziehen, soll es einen finanziellen Ausgleich geben: Ihnen hat der Bund bereits einen einmaligen Heizkostenzuschuss von mindestens 135 Euro in Aussicht gestellt.

Stadtwerke verdoppeln Gaspreise

© Alexander Becher

Energiekosten steigen auf breiter Front

Preisanstieg Die Stadtwerke Backnang befinden sich in guter Gesellschaft. Das Internetportal www.1-gasvergleich.com listet 431 Energieversorger auf, die seit September 2021 ihre Preise erhöht haben. Der Aufschlag beträgt bis zu 150 Prozent.

Stadtwerke Murrhardt

In Murrhardt wurden die Gaspreise bereits zum 1. Januar erhöht. Auch dort hat sich der Verbrauchspreis von 6 Cent auf rund 12 Cent verdoppelt. Eine weitere Anpassung im Herbst schließt Geschäftsführer Rainer Braulik nicht aus. Eine Unterscheidung zwischen Neu- und Bestandskunden gibt es in Murrhardt nicht.

Süwag Der Verbrauchspreis für Bestandskunden wurde im Januar von 6,9 auf 8,4 Cent erhöht. Für Neukunden ist es deutlich teurer: Sie bezahlen im Versorgungsgebiet der Süwag 16,3 Cent, außerhalb sogar mehr als
20 Cent pro Kilowattstunde.

Strom Nicht nur Gas wird teurer, sondern auch Strom. Die Stadtwerke-Tochter Backnangstrom erhöht ihre Preise ebenfalls ab 1. April um 8,3 Cent auf 37,9 Cent pro Kilowattstunde für Bestandskunden und 39,9 Cent für Neukunden. Die Süwag plant nach eigener Aussage kurzfristig keine Erhöhung.

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Erstellt:
19. Februar 2022, 06:00 Uhr

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