Stand-up-Paddling-Eldorado am Aichstrutsee

Sommerreportage Schlauchboot und Matratze sind ja ganz schön, aber wer beim Wassersport mitreden und auf der Höhe der Zeit sein will, ist stehend auf einem Brett mit Paddel unterwegs. Ein Selbsttest auf dem Welzheimer Aichstrutsee.

Der rund vier Hektar große Aichstrutsee bei Welzheim ist umgeben von Liegewiesen. Er dient gleichzeitig als Hochwasserrückhaltebecken der Lein. Am Rande finden sich auch schattige Plätzchen und am gegenüberliegenden Ufer ist ein Nichtschwimmerbereich eingerichtet. Fotos: Christine Schick

Der rund vier Hektar große Aichstrutsee bei Welzheim ist umgeben von Liegewiesen. Er dient gleichzeitig als Hochwasserrückhaltebecken der Lein. Am Rande finden sich auch schattige Plätzchen und am gegenüberliegenden Ufer ist ein Nichtschwimmerbereich eingerichtet. Fotos: Christine Schick

Von Christine Schick

Welzheim. Sommer, Sonne, See. Dieser Tage haben ein paar entspannte Stunden am oder noch besser im Wasser einen hohen Stellenwert. Glücklich schätzen kann sich, wer diesen Genuss mehr oder weniger vor der Haustüre serviert bekommt. Um die Endorphinausschüttung aber noch ein Stück weit zu steigern, ließe sich das mit einem entspannten kleinen Wassersportexperiment kombinieren: Stand-up-Paddling, kurz SUP. Am Aichstrutsee bei Welzheim können auch Greenhorns am Wochenende solch ein Board mit Steuerungsinstrument ausleihen, um zu sehen, wie sie mit der Trendsportart zurechtkommen. Also los! Der See liegt friedlich in seiner windgeschützten Senke umringt von großen Liegewiesen. Die Umwälzpumpe gibt alles, am Ufer geht ein Paar mit einem Board ins Wasser und eine Frau zählt einen Countdown, damit ihr Bekannter oder Partner endlich untertaucht und losschwimmt. Ins beziehungsweise aufs Wasser zu kommen ist definitiv ein Ansporn.

Geteilter Entschleunigungsgenuss in der Hängematte.

Geteilter Entschleunigungsgenuss in der Hängematte.

Farina Köstler von Seezeit steht schon bereit. Vor ihrem Bus liegen noch einige Stand-up-Paddleboards, der Rest ist mit Mann und Maus auf dem See unterwegs. Die Einführung ist schnell über die Bühne. „Wenn du draußen auf dem Wasser bist, nicht zu zögerlich aufstehen, am besten schnell, Beine leicht gespreizt, vielleicht hüftbreit, dann kannst du lospaddeln“, sagt sie. Später wird sie erzählen, dass hinter Seezeit ihr Bruder Linus Köstler sowie Maximilian Schäfer und Robert Böing stehen, die SUPs, Kanus und Dachzelte verleihen, und dass sie die drei am Aichstrutsee unterstützt, aber noch einen Hauptbroterwerb hat. „Die Idee war, dass Leute, die gerne eine Trendsportart ausprobieren möchten, sich das bei uns ausleihen können. Eine Ausrüstung ist schnell gekauft, nicht selten liegt sie aber am Ende im Keller. Das heißt, der Gedanke ist auch, mit unserem Angebot etwas nachhaltiger unterwegs sein zu können.“

Einige Gäste bringen ihre eigenen Boards mit

Zum Start im Jahr 2020 war das ein ungewöhnliches neues Angebot, mittlerweile sind auch eine Reihe von Gästen mit dem eigenen Stand-up-Paddleboard am See. Nicht wenige Familien oder Gruppen finden trotzdem den Weg zu Farina Köstler, weil sie neben der eigenen Ausrüstung oft jemanden im Schlepptau haben, der die Sache auch unbedingt testen möchte. Viele kommen ihrer Erfahrung nach aus Stuttgart und Umgebung zum See, aber auch der eine oder andere Welzheimer beziehungsweise näher Beheimatete ist hier vertreten.

Das aufgepumpte Board ist erstaunlich leicht, lässt sich gut ans Ufer tragen und einsetzen. Breitbeinig sitzend geht es erst mal im Schneckentempo ein Stück weit nach draußen, weil Farina Köstler betont hat, nicht gleich am Rand nach oben zu gehen, um der Gefahr auszuweichen, auf Ufersteine zu stürzen.

Farina Köstler an der Ausleihstation. Sonntags sind die SUPs schnell vergeben.

Farina Köstler an der Ausleihstation. Sonntags sind die SUPs schnell vergeben.

Der erste Aufstehversuch. Schon in der Hocke fühlt sich die Geschichte ziemlich wackelig an. Und jetzt mit Schmackes hoch? Keine Option. Es ist erstaunlich, dass es überhaupt ansatzweise funktioniert, aber schon der minimale Wellengang signalisiert meinem Körper: nein, nein, nein, viel zu instabil, und es setzt mich wieder, ohne mein Einverständnis. Also geht es erst mal ein Stück auf den Knien weiter. Auch ganz schön. Dann der zweite Anlauf. Entgegen der eigentlichen Anweisung, sich schnell aufzurichten, wechsle ich in den Zeitlupenmodus, ein Ansatz von Nähmaschine, sprich: leichtes, schnelles Zittern in den Oberschenkeln ist zu spüren, aber auch diesmal siegt der Näher-an-der-Wasseroberfläche-ist-besser-Reflex. „Sie stehen zu weit hinten, probieren Sie mal, mehr in die Mitte zu rücken, das geht viel besser“, sagt eine Frau, die in der Nähe auf ihrem SUP vorbeigleitet. Vermutlich hat das auch Farina Köstler schon gesagt. Aber der Tipp ist Gold wert. Das Aufstehen funktioniert. Auch in der angenehmen, etwas beschleunigten Zeitlupe. Sieht vermutlich nicht besonders elegant aus, muss es aber auch nicht.

Es folgt eine erste, sehr vorsichtige, genüssliche Fahrt. Aufrecht, ein wenig erhaben und in ruhig dahingleitender Beobachtungsposition. Woher kommt Stand-up-Paddling eigentlich? Später erfahre ich, dass die Ursprünge vermutlich weit zurückliegen. Beispielsweise standen polynesische Fischer in ihren Booten und bewegten sich mit dem Paddel vorwärts. Eine neuere (Wiederentdeckungs-)Variante: Surflehrer auf Hawaii, die ein Paddel dabei hatten, um schneller bei ihren Schülern zu sein.

Auch Hunde finden Platz auf den Boards

Es ist jedenfalls sonnenklar, dass die Sache eine Vertiefung braucht, für die sich der Folgetag anbietet. An dem ist definitiv noch mehr los auf dem See. Zwar braucht es wieder einen fröhlichen Anlauf und Ratschlag, diesmal von einem Mutter-Tochter-Duo („Ich glaube, Sie stehen falsch rum auf dem Paddle“), aber es macht viel Spaß, zwischen der klassischen und der Knie- oder Schneidersitzposition zu wechseln und das Treiben ums sich herum zu beobachten. Es ist beeindruckend, wie viele Kombinationen es gibt und wie viele Passagiere auf einem Board unterzubringen sind. Ein paar Beispiele: der Partner liegt bäuchlings an Bord, die Partnerin sorgt fürs Vorwärtskommen, Eltern sitzen knieend hintereinander, vor ihnen der Youngster, auch die Lehrer-Schüler-Variante mit je einem Board ist vertreten.

Nicht wenige sind auch mit ihren Vierbeinern paddelnd auf dem See anzutreffen. Dieses Trio ist beeindruckend souverän unterwegs.

Nicht wenige sind auch mit ihren Vierbeinern paddelnd auf dem See anzutreffen. Dieses Trio ist beeindruckend souverän unterwegs.

Nicht gerade wenige Aichstrutsee-Gäste sind mit ihren Vierbeinern gekommen und so ist es fast logisch, dass eine Auswahl mit auf die Boards wandert. Unter ihnen sind zugeneigte, sportbegeisterte Hunde, die sicher nicht das erste Mal an Bord sind und routiniert mit den Ruderbewegungen mitgehen. Andere lassen sich im Familien- oder Kinderpool einfach gut gelaunt transportieren. Zwar beschweren sich ein paar Schwimmer über den regen Verkehr auf dem See („Lieber ganz früh morgens kommen, sonst muss man sich so konzentrieren, um nicht mit irgendjemand zusammenzustoßen“), zwei Jungs scherzen wiederum, dass sie doch jetzt ein Boot quasi per Anhalter nehmen könnten, sehen aber, dass meinerseits dazu noch die ausreichende Routine fehlt. Überhaupt ist das Miteinander an diesem heißen Sonntag vorbildlich freundlich und entspannt. Selbst ich komme noch in die Lage, einen Tipp zu geben. „Wo kann man denn die Paddles ausleihen?“, erkundigt sich eine Schwimmerin. Ganz selbstverständlich gebe ich Auskunft, als sei das alles hier schon eine völlig vertraute Geschichte. Aber ich weiß auch: Es wird nicht mein letzter Besuch am Aichstrutsee gewesen sein.

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Erstellt:
20. August 2022, 16:00 Uhr

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