Starkes Apfeljahr mit kleinen Abstrichen

Gutes Wetter im Frühjahr sorgt für viele Äpfel an den Bäumen – Früchte gibt es in Massen, sie sind allerdings kleiner als gewohnt

Wer derzeit aufmerksam durch die Natur läuft, kann viele Apfelbäume sehen, die die Last der Früchte nicht mehr alleine tragen könne, sie werden mit Holzstangen abgestützt. Gab es im vergangenen Jahr so gut wie keine Äpfel, wird 2018 zu einem richtig starken Apfeljahr – allerdings mit kleinen Abstrichen.

Die Bäume hängen vielerorts so voll mit Obst, dass die Äste abgestützt werden müssen.

© Pressefotografie Alexander Beche

Die Bäume hängen vielerorts so voll mit Obst, dass die Äste abgestützt werden müssen.

Von Silke Latzel

BACKNANG. Ob in Backnang oder Aspach, Auenwald oder Sulzbach an der Murr: Fragt man Obstbauern, Mostereien oder Apfelverwerter, sind alle zufrieden mit der bisherigen Ernte, die früher begonnen hat als sonst und fast schon eine Flut an Äpfeln hervorbringt. Trotz einiger Abzüge in der B-Note stimmt auch die Qualität. Heißt es sonst oft „Masse statt Klasse“, wenn es viele Äpfel gibt, haben die Experten in diesem Jahr zumindest in puncto Geschmack nichts zu meckern.

„Die Ernte läuft sehr gut, wir sind etwa 14 Tage früher dran als in den Vorjahren.“ Martin Körner ist zufrieden. Für den Backnanger Obstbauer ist der frühe Zeitpunkt günstig, denn „jetzt kommt eine große Ernte auf einen fast leeren Markt“. Im Frühjahr 2017 waren durch Frost fast alle Apfelblüten erfroren, es gab im vergangenen Jahr quasi einen apfeltechnischen Totalausfall. Die Folge: Eine Alternte war zu Beginn dieses Sommers nicht mehr vorhanden und der Markt giert derzeit nach frischen Äpfeln – gut für die Obstbauern.

Frühling ohne Frost und Regen,

Sommer aber zu heiß

„Die Blüte war zeitlich in diesem Frühjahr normal, der Frühling selbst verlief ohne Kälte, es gab kein Schmuddelwetter, sondern Temperaturen zwischen 15 bis 20 Grad“, so Körner. Ideale Bedingungen für die Äpfel, um ohne Stockung zu reifen und zu gedeihen, und vor allem: um für viele, viele Äpfel zu sorgen. Neben der guten Blüte und dem ausbleibenden Frost gibt es noch einen weiteren Faktor, der dafür sorgt, dass die Apfelbäume in diesem Jahr unter ihrer Fruchtlast fast zusammenbrechen. Bernd Heller von der Obstannahmestelle in Auenwald-Hohnweiler erklärt das so: „Der Fachmann spricht von Alternanz, also einem wechselseitigen Ernteertrag. Wenn ein Baum in einem Jahr viele Früchte trägt, macht er im darauffolgenden Jahr so etwas wie eine Pause und trägt nur sehr wenige bis gar keine Äpfel, man könnte sagen, er ist müde und muss sich erst wieder erholen. Und nach dem schlechten Apfeljahr 2017 haben jetzt alle Bäume wieder genug Kraft.“

Nach dem guten Frühling kam der Sommer und mit ihm ab Juli die Hitze. Für die Bäume eine Herausforderung, für die Bauern, die ihre Obstwiesen nicht zusätzlich bewässern konnten, ebenfalls eine schwierige Situation. „Fürs Mosten haben wir eine gute bis sehr gute Qualität mit guten Grad Öchsle“, sagt Körner. „Das Problem ist aber, dass die Bäume zwar voller Äpfel hängen, diese aber durch den Wassermangel nicht gut wachsen können.“ Die Folge: Es gibt zwar sehr viele Äpfel, die allerdings sind kleiner als sonst. Das bestätigt auch Daniel Brugger von Streker in Aspach: „Gehen wir allein über die Menge, ist 2018 ein sehr starkes Apfeljahr.“ Und auch über die Qualität können weder Körner, Brugger noch Heller klagen. Der Marketingchef des Apfelsaftunternehmens sagt aber: „Durch den fehlenden Regen ist der Saftgehalt natürlich auch geringer.“

Martin Körner ist glücklich darüber, dass er seine Bäume bewässern kann. Denn Wasser wird nicht nur fürs Wachstum gebraucht, es schützt die Äpfel auch vor Sonnenbrand. „Kein Wasser bedeutet keine Abkühlung durch Verdunstung und somit keinen Schutz vor Sonnenbrand“, erklärt der Apfelfachmann. Erkennen lassen sich sonnenverbrannte Äpfel daran, „dass die Backen nicht schön rot sind, sondern der Apfel ausgebleicht aussieht“. Martin Körner hat Glück: Über seine Apfelbäume spannt er jedes Jahr Netze, die eigentlich vor Hagelschäden schützen sollen, gleichzeitig aber auch als Sonnenschutz dienen. „Ich habe Kollegen, die 30 bis 40 Prozent ihrer Frühernte in den Entsafter geben müssen, weil die Äpfel mit Sonnenbrand nicht mehr als Tafelobst verkauft werden können.“ Denn der Sonnenbrand sei nicht nur ein optischer Makel, sondern auch unter der Schale erkennbar, es bilde sich eine sogenannte Korkschicht und der Apfel ist nicht nur nicht mehr „hübsch“, sondern auch nicht mehr lagerfähig.

Bei Bernd Hellers Obstannahmestelle in Auenwald und bei der Firma Streker Natursaft stehen die Stücklesbesitzer vor allem an sonnigen Samstagen Schlange und geben ihr Obst ab, manche in Säcken und Kisten, andere kommen mit Anhängern. „Bei uns geht es eigentlich immer recht zügig“, sagt Heller. „Wer sichergehen möchte, dass es schnell geht, kommt am besten unter der Woche.“ Bei Streker war der Andrang von Anfang an sehr stark, die Kapazitäten in der Verarbeitung wurden deshalb bereits erhöht, so Brugger. „Wir hatten ein paar Probleme, weil die Ernte schon in den Sommerferien begonnen hat und viele unserer Mitarbeiter noch im Urlaub waren. Es war nicht einfach, wir mussten etwas jonglieren und ein paar Leute sind früher aus dem Urlaub zurückgekommen, als sie mitgekriegt haben, dass sie gebraucht werden. Das hat uns natürlich sehr gefreut, das ist ja auch nicht selbstverständlich.“ Man versuche, alle Äpfel zeitnah zu verarbeiten, aber besonders zu Spitzenzeiten wie an einem Samstagnachmittag „können wir nicht verhindern, dass man mal ein bisschen warten muss“. Allerdings helfe man den Stücklesbesitzern so gut es geht, auch beim Ausladen und am Silo, sagt Brugger. Wer gar nicht warten möchte, kann übrigens zur Mosterei Munz nach Sulzbach-Bartenbach fahren. Fabian Munz sagt: „Noch ist bei uns nicht viel los, es hält sich alles in Grenzen und die Leute stehen nicht Schlange, sondern kommen gleich dran.“

Wie lange die Apfelernte noch andauert, darüber sind sich die Experten uneins beziehungsweise können sie es einfach noch nicht abschätzen. Bernd Heller schließt nicht aus, dass „wir früher fertig werden könnten, weil wir früher angefangen haben. Aber die späten Sorten ernten wir in der Regel erst Ende November.“ Daniel Brugger sagt: „Die meisten Landwirte gehen davon aus, dass sie früher fertig sind also sonst. Aber genau sagen lässt sich das nicht, da spielen viele Faktoren eine Rolle. Wenn das Wetter bis Mitte November gut bleibt, warm, sonnig und ohne längere Regenperioden, dann legen die Leute sich ins Zeug und ernten auch lang. Regnet es, bleiben sie lieber daheim.“ Er lacht: „Wir nehmen es einfach wie es kommt und stehen Gewähr bei Fuß.“ Martin Körner schätzt, dass bei seinen Wiesen „Ende Oktober alles unter Dach und Fach sein wird“.

Deutsche Äpfel werden im

Einzelhandel bevorzugt

Alles in allem sprechen Landwirte wie Verarbeiter von einem starken Apfeljahr, sowohl was die Menge der Äpfel angeht als auch deren Qualität. Nun muss nur noch der Preis stimmen. Dazu lässt sich zu diesem Zeitpunkt noch nicht allzu viel sagen, denn die Mostobstkampagne beginnt erst jetzt, anzulaufen, so die Auskunft von Johannes Eder von der Beratungsstelle für Obst- und Gartenbau des Landwirtschaftsamts in Backnang. Auch beim Tafelobst spielen viele Faktoren eine Rolle, sagt Martin Heller: „Europaweit gibt es eine sehr gute Apfelernte, insgesamt werden es wohl 12 Millionen Tonnen allein beim Tafelobst. Zwar zählt bei den Einkäufern im deutschen Einzelhandel vor allem die Regionalität und deutsche Äpfel werden bevorzugt gekauft. Aber beispielsweise Polen, wo allein 4,5 Millionen Tonnen geerntet werden, beeinflusst den Markt und die Preise sehr. Seit dem Embargo verkaufen sie ihre Äpfel nicht mehr nach Russland, sondern versuchen, andere Märkte zu erschließen. Das spielt im deutschen Einzelhandel zwar keine große Rolle, aber bei deutschen Apfelsorten, die im Ausland platziert werden sollen, merkt man das einfach.“ Er ergänzt: „Im vergangenen Jahr gab es für alle Äpfel sehr gute Preise, aber das bringt ja auch nichts, wenn es gar keine Äpfel gibt.“

Martin Körner ist zufrieden. Die Ernte, die etwa 14 Tage früher begonnen hat als in anderen Jahren, trifft auf einen fast leeren Markt. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Martin Körner ist zufrieden. Die Ernte, die etwa 14 Tage früher begonnen hat als in anderen Jahren, trifft auf einen fast leeren Markt. Fotos: A. Becher

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Erstellt:
14. September 2018, 06:00 Uhr

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