Causa Wagenknecht

Steht die Linke vor der Spaltung?

Nach der jüngsten Bundestagsrede von Sahra Wagenknecht brodelt es in der Linkspartei. Ihr Lager sondiert schon die Chancen für eine Spaltung.

Die russlandfreundliche Bundestagsrede Sahra Wagenknechts könnte bei der Linken das Fass zum Überlaufen bringen.

© dpa/Michael Kappeler

Die russlandfreundliche Bundestagsrede Sahra Wagenknechts könnte bei der Linken das Fass zum Überlaufen bringen.

Von Norbert Wallet

Ein Gespenst geht um in der Linkspartei. In Parteiführung und Bundestagsfraktion machen Spekulationen die Runde, dass eine Spaltung der Partei bevorstehen könnte. Es geht dabei längst nicht mehr nur um Gerüchte.

Seit langer Zeit ist Sahra Wagenknecht und die Gruppe ihrer Unterstützer in einer Minderheiten-Position. Eine Minderheit freilich, die zwar auf Parteitagen wieder und wieder mit ihren Ansichten Abstimmungsniederlagen kassierte, die aber in der Fraktion vom Fraktionschef Dietmar Bartsch geschützt, wenn nicht gefördert wird. Das hat zu einem Zustand der Dauerspannung in der Partei geführt, an den sich manche sogar schon gewöhnt hatten. Mit ihrer jüngsten russlandfreundlichen Bundestagsrede, in der sie der Bundesregierung vorgeworfen hatte, einen „beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun zu brechen“, hat Wagenknecht die Dinge nun vielleicht zum Überkochen gebracht.

Abgeordnete gezielt angesprochen

In der heutigen Fraktionssitzung präsentieren mehrere prominente Linke, zu denen Ex-Vorsitzender Bernd Riexinger, Caren Ley und Katrin Vogler gehören, einen Antrag, der die Fraktionsführung dazu verpflichten soll sicherzustellen, „dass Redner die Redezeit für die Vertretung der gemeinsam beschlossenen Positionen“ nutzen. Der Antrag, der unserer Zeitung vorliegt, schließt mit dem etwas raunenden Satz: „Die Fraktionsversammlung weist Versuche, sich von der Partei abzuspalten und alternative Wahlantritte – etwa zur Europawahl – vorzubereiten, als unvereinbar mit der Mitgliedschaft in der Bundestagsfraktion ,Die Linke’ zurück.“ Das nimmt unter anderem Bezug auf den Wagenknecht-Getreuen Dietmar Dehm, der ausgerechnet auf einem Fest der DKP jüngst mit der Bemerkung für Aufsehen sorgte, es müsse „eine Kraft antreten, die diesem Abbruchunternehmen da drüben im Karl-Liebknecht-Haus eine Alternative entgegensetzt“. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen war auch anwesend und widersprach keineswegs.

Tatsächlich bestätigten Bundestagsabgeordnete unserer Zeitung, dass das Wagenknecht-Lager sich derzeit aktiv in der Fraktion umhöre, wer bereit wäre, bei einem neuen Projekt mitzumachen. Wobei immer unklar bleibt, ob es nur um eine Spaltung der Fraktion oder gleich um eine Partei-Neugründung gehe. Auch auf Landes- und Kreisebene wird dergestalt sondiert. Wagenknecht denkt offenbar in größeren Dimensionen. Neulich bejubelte sie via YouTube eine Anfang September in Prag stattgefundene Großdemonstration, zu der sich Kommunisten und Rechtsextreme zusammengetan hatten, um gegen Flüchtlinge, die EU, die Russland-Sanktionen und die Corona-Politik zu demonstrieren. Sollte es tatsächlich zu einer Neugründung außerhalb der Linken kommen, wäre die Europawahl im Frühjahr 2024 der naheliegende Termin. Für die Wahl gilt nur eine Drei-Prozent-Hürde, ein erster Achtungserfolg wäre also leichter zu bewerkstelligen als bei einer Bundestags- oder Landtagswahl.

Viele haben den Dauerkonflikt satt

Viele in der Partei haben den Dauerkonflikt mit der nicht einbindbaren Wagenknecht gründlich satt. Dazu gehört auch der Stuttgarter Ex-Parteichef Bernd Riexinger. „Wer spalten will, oder gar andere Formationen außerhalb der Linken vorbereitet, hat in der Bundestagsfraktion nichts verloren“, sagte er unserer Zeitung.

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Erstellt:
19. September 2022, 16:58 Uhr

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