Strecken dürfen nicht einfach enden

Karen Fischer ist die neue Radwegekoordinatorin des Landkreises – Das Konzept für ein Rems-Murr-Radwegenetz ist in Arbeit

Der Landkreis drückt in Sachen Radwege aufs Tempo. Er hat die Stelle einer Radwegekoordinatorin geschaffen und bündelt nun die vielfältigen Aufgaben rund um das Thema Radverkehr an einer Stelle. Die 26-jährige Bauingenieurin Karen Fischer stellt sich seit Oktober der Herausforderung.

Tritt für das Radwegenetz im Rems-Murr-Kreis in die Pedale: Karen Fischer. Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Tritt für das Radwegenetz im Rems-Murr-Kreis in die Pedale: Karen Fischer. Foto: J. Fiedler

Von Armin Fechter

WAIBLINGEN. Karen Fischer ist das, was man gemeinhin als Eigengewächs bezeichnet: Die 26-Jährige ist im Landratsamt in Waiblingen ausgebildet worden, genauer: im Straßenbauamt. Dort hat sie die Praxisphasen ihres dreijährigen dualen Studiums absolviert; zu den Theorieblöcken musste die gebürtige Stuttgarterin, die in Mannheim aufgewachsen ist, jeweils an die Hochschule nach Mosbach. Ihr Fach: Projektmanagement im Bauwesen – Vertiefung öffentliches Bauen. Die sperrige Bezeichnung für den Studiengang, in dem Karen Fischer dem ersten Jahrgang überhaupt angehörte, wurde mittlerweile geändert in – Fischer schmunzelt – Bauingenieurwesen. Mit ihrem Abschluss hat sie den Grad eines Bachelor in Engineering erlangt.

Dass Karen Fischer nach ihrem Studium nun weiter für den Landkreis in der neuen Funktion einer Radwegekoordinatorin arbeitet, kommt nicht von ungefähr: Schon während ihrer Ausbildung hat sie sich mit dem Thema Radverkehr befasst. Zudem sah Landrat Richard Sigel, wie er in Sitzungen der Kreisgremien wiederholt unterstrich, mit ihr die Chance, dem Thema, das bislang auf viele verschiedene Ressorts in der Verwaltung verteilt war, in gebündelter Form neue Schubkraft zu verleihen. So kümmert sich beispielsweise die Tourismusbeauftragte Birgit Orner schon seither um Radwege, die als Touren für den Fremdenverkehr im Kreis von Interesse sind. Diese tourismusorientierte Herangehensweise hat ihre Berechtigung und soll auch weiterhin betrieben werden. Es gilt aber, solche Wege mit Strecken zu vernetzen, die für den Alltagsverkehr relevant sind – für Berufspendler auf dem Weg zur Arbeit ebenso wie für Schüler, die mit dem Rad zur Schule kommen. Sie sollen schnell und zugleich sicher an ihr Ziel kommen.

Überdies sollen die Radwegrouten auch mit dem öffentlichen Personennahverkehr zusammengebracht werden. „Es muss alles ineinandergreifen“, sagt Fischer und hat das Ziel der Landesregierung vor Augen, dass über kurz oder lang immer mehr Autofahrer aufs Fahrrad sowie auf Busse und Bahnen umsteigen – nicht zuletzt auch, um den Verkehrskollaps in der Region Stuttgart zu verhindern. Dafür gebe es ein hohes Potenzial.

Anschlüsse müssen

geschaffen werden

Voraussetzung sei aber, dass die Infrastruktur zur Verfügung steht. „Es kann nicht sein“, erklärt Fischer, „dass ein Radweg dort endet, wo die Baulast des Baulastträgers endet.“ Sprich: Radwege, die von den Städten und Gemeinden ausgewiesen werden, dürfen nicht nur so weit gehen wie die Verantwortlichkeit der jeweiligen Stadt oder Gemeinde, sie müssen Anschluss in der benachbarten Kommune oder im Netz des Landkreises beziehungsweise des Landes finden.

Um solche Anschlüsse nimmt sich Karen Fischer in Zusammenarbeit mit den Städten und Gemeinden jetzt an. Gleichzeitig gilt es, auch die Radwege, die in der Verantwortung des Landkreises liegen, damit in Verbindung zu bringen. Dazu müssen keineswegs überall neue Trassen gebaut werden. Ziel ist es, dass zum einen die Gemeinden untereinander und zum anderen Standorte innerhalb der Gemeinden miteinander verknüpft werden. Dabei geht die Planung für das künftige Rems-Murr-Radwegenetz zunächst von vorhandenen Wegestrukturen aus: Als Erstes wird eine gerade Linie zwischen den einzelnen Zielpunkten gezogen. Im nächsten Schritt wird dann diese theoretische Verbindung auf eine praktische Route entlang bestehender Wege umgelegt – und dann zeigt sich rasch, was geht und was nicht geht. Als Kooperationspartner hat der Landkreis dabei den ADFC mit im Boot. Dessen Mitglieder kennen das Wegenetz aus dem Effeff und können deshalb helfen, kritische Punkte und Lücken sowie alternative Streckenführungen zu identifizieren.

Defizite gibt es schon auf den bereits ausgewiesenen Radwegen zuhauf. Oftmals sind sie mit einer Breite von nur anderthalb Metern zu schmal. Für einen Weg, der von Radlern und Fußgängern gemeinsam genutzt wird, sollten mindestens zweieinhalb Meter zur Verfügung stehen, sagt Fischer. „Das klingt nach viel“, räumt sie ein, verweist aber gleichzeitig darauf, dass auf solchen Wegen beispielsweise auch Fußgänger mit Kinderwagen und Radfahrer mit Radanhänger unterwegs sind und dass Radfahrer im Begegnungsverkehr auch gut aneinander vorbeikommen sollen. Hinzu kommt vielfach ein mängelbehafteter Zustand der Wege selbst: Der Asphalt weist Schäden auf, Schlaglöcher machen die Strecke zum Hindernisparcours, Wurzelwuchs bringt den Belag zum Platzen und sorgt für Unebenheiten, Erde wird bei Regengüssen auf die Fahrbahn geschwemmt, und Gras wuchert von den Rändern herein und macht den Weg schmaler, als er ohnedies ist. Das führt dann dazu, dass Radfahrer vermehrt auf Straßen ausweichen. Deshalb gibt es schon auf den vorhandenen Strecken genug zu tun, noch bevor das angepeilte Radwegenetz für den Rems-Murr-Kreis steht, mahnt Fischer. Denn es gehe nicht nur um die Durchgängigkeit, sondern auch um Qualität.

Neben der planerischen Arbeit an einem kreisweiten Radwegenetz behält das Straßenbauamt, in dem die Radwegekoordinatorin angesiedelt ist, auch den Radwegebau im Auge. Im Investitionsprogramm des Landkreises steht, wie Amtsleiter Stefan Hein erklärt, pro Jahr eine Million Euro für konkrete Vorhaben bereit. Diese Summe soll um Zuschüsse noch aufgestockt werden, die das Land – mitunter auch kurzfristig – ausschreibt. „Man muss fix sein, um zu reagieren“, sagt Hein und versichert: „Wir schauen auf so was und sind oft erfolgreich.“ So konnte der Landkreis schon stattliche Summen für Brückensanierungen abgreifen. Aktuell hat Hein auch wieder ein Projekt angemeldet: Es geht darum, die Radstreifen entlang der alten B14, wie sie zwischen Winnenden und dem Kreisel bei Schwaikheim bereits angelegt wurden, in geeigneter Weise in Richtung Waiblingen fortzuführen. Beantragt ist eine Förderung über 250000 Euro für nächstes Jahr.

Abstimmung mit

den Kommunen nächstes Jahr

Für nächstes Jahr ist auch vorgesehen, das Konzept für das künftige Rems-Murr-Radwegenetz, an dem Karen Fischer mit Hochdruck arbeitet, mit den Kommunen abzustimmen. Wie schnell es dann weitergeht, hängt nicht zuletzt auch von den Kommunen ab. Nicht alle seien dabei auf dem gleichen Stand, macht Hein deutlich, manche hätten „noch nicht viel vorliegen“.

Geplant ist überdies, auf der Homepage des Landkreises eine eigene Unterseite fürs Thema Radverkehr einzurichten. Dort soll es auch einen Briefkasten geben, in dem Bürger direkt ihre Anliegen und Anregungen anbringen können. Wer jetzt schon Hinweise geben möchte, kann sich ans Straßenbauamt wenden.

Alternatives und klimaneutrales Verkehrsmittel Info Der Rems-Murr-Kreis ist eine Pendlerregion. Nach Prognosen des Bundes wird das Verkehrsaufkommen in den kommenden Jahren weiter steigen. Deshalb fördern das Verkehrsministerium wie auch der Rems-Murr-Kreis das Fahrrad als alternatives und klimaneutrales Verkehrsmittel. Das landesweite Projekt Radnetz Baden-Württemberg hat zum Ziel, eine durchgängige und leicht verständliche Radinfrastruktur zu schaffen, die die wichtigsten Ziele des Alltags miteinander verbindet. Im Rems-Murr-Kreis sind 19 Städte und Gemeinden ans Radnetz des Landes angebunden, insgesamt umfasst das Netz im Landkreis rund 137 Kilometer. Der Rems-Murr-Kreis stellt nun ein Radwegenetz auf, um dafür zu sorgen, dass alle Städte und Gemeinden angebunden werden und somit das Landesnetz verfeinert wird. Zur Unterstützung der Akteure bei der Planung und Umsetzung des Radnetzes hat das Landesverkehrsministerium die Veranstaltungsreihe Radnetz vor Ort ins Leben gerufen. Die Radexperten im Rems-Murr-Kreis trafen sich in diesem Rahmen neulich im Bürgerzentrum Waiblingen. Vertreter des Ministeriums, des Regierungspräsidiums und des Planungsbüros Brenner Bernard informierten dabei über Fördermöglichkeiten und die Planung und Umsetzung des Radnetzes Baden-Württemberg. Im Rahmen des Austauschtreffens stellte sich auch Karen Fischer als neue Radwegekoordinatorin des Landratsamts vor.

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Erstellt:
31. Oktober 2018, 06:00 Uhr

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