Streetworkprojekt für Jugendliche startet

Niederschwellig und zwanglos: Das soll Bbro ausmachen, ein Projekt für Jugendliche aus der Region, die Unterstützung suchen. Mit einem Bus wollen Sozialpädagogen jeden Tag an anderen Orten stehen, verschiedene Aktionen starten und ein offenes Ohr haben.

Martin Ott, Franziska Treffert und Karsten Runge (von links) sind Ansprechpartner für Jugendliche in Schwierigkeiten. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Martin Ott, Franziska Treffert und Karsten Runge (von links) sind Ansprechpartner für Jugendliche in Schwierigkeiten. Foto: A. Becher

Von Kristin Doberer

BACKNANG. Sicher angeschnallt sitzt der Drucker auf der Rückbank des schwarzen Kleinbusses, dazu noch ein Laptop, ein kleines Team und ein gutes Konzept. Und schon steht ein neues Projekt für die Jugendarbeit im Raum Backnang. An der Seite des Busses steht in weißer Schrift „We are BBRO“, so heißt das Projekt, das eine Anlaufstelle für Jugendliche in Schwierigkeiten oder mit Problemen sein soll. Der Bus wird an festen Tagen an verschiedenen Standorten in und um Backnang sowie Murrhardt stehen, die Türen immer offen für Gespräche, Fragen und Hilfe. „Mit dem Laptop und dem Drucker haben wir außerdem ein Büro dabei und können mal schnell beim Ausfüllen von Formularen helfen“, sagt Martin Ott. „Und das ganz ohne Druck.“

Genau das soll Bbro von anderen Unterstützungen unterscheiden. „Es ist eine ganzheitliche Hilfe für Jugendliche, die aus dem Raster fallen. Und zwar ganz ohne Druck“, beschreibt Franziska Treffert das Projekt. Und da sei der Bedarf gerade groß. Denn einige fallen aus dem Raster von Hilfssystemen. „Das Jobcenter unterstützt nur Menschen ohne Arbeit, das Jugendamt nur, wenn es Zuhause große Probleme gibt“, sagt Karsten Runge. Bbro soll aber ein breiteres Spektrum abdecken. Von psychischen Krankheiten, Wohnungslosigkeit und Suchtproblemen bis hin zu Mobbing, Pubertätsfragen und ganz alltäglichen Problemen.

Ott ist zusammen mit Franziska Treffert und Karsten Runge Ansprechpartner für die Jugendlichen. Oft habe Unterstützung mit Druck zu tun, besonders, wenn die Unterstützung von Ämtern oder Institutionen kommt, ist diese oft mit einem „muss“ verbunden. Ein Termin, der wahrgenommen werden muss oder ein Formular, das ausgefüllt werden muss. Bei vielen Hilfesystem sei es so, dass sich die Jugendlichen an ein bestehendes System anpassen müssen. Gerade dann komme es dazu, dass solche Hilfesysteme verweigert werden.

Am Motorrad schrauben, ein Café einrichten, Graffiti sprühen.

Eine große Herausforderung für die drei wird es sein, sich das Vertrauen der Jugendlichen zu erarbeiten. „Viele waren bereits in einem Hilfesystem, aber das war dann nicht das richtige“, sagt Franziska Treffert. Man werde sehr viel Beziehungsarbeit leisten müssen, um sich das Vertrauen zu erkämpfen. Wie geht das am besten? „Hartnäckig sein und dran bleiben“, sagt Karsten Runge, der schon jahrelange Erfahrung mit ähnlichen Projekten als Streetworker gemacht hat. Für die Jugendlichen wollen die drei zu beständigen und kontinuierlichen Bezugspersonen werden. „Dazu gehört auch, dass wir immer wieder unsere eigene Haltung überprüfen, uns absprechen und unser Verhalten reflektieren“, sagt Treffert.

Es soll aber nicht nur darum gehen, „Probleme zu wälzen“. Auch Spaß steht im Vordergrund. „Wir wollen gemeinsam Spaß haben und eine sinnvolle Beschäftigung bieten.“ Geplant sind dafür verschiedene Aktionen: Handwerkliches Arbeiten in Werkstätten, schrauben am Motorrad, sportliche Beschäftigung und kreative Arbeiten mit Graffitikünstlern. Was noch dazu kommt, sei ganz von den Jugendlichen abhängig. „Wir wollen uns an deren Bedürfnissen orientieren und dann danach die Angebote ausrichten.“ Für solche Beschäftigungen bietet der schwarze Bus natürlich nicht genug Platz. Deswegen stehen dem Team auch mehrere Räume im Schweizer-Bau zur Verfügung. Hier soll in einem Raum auch einfach ein Rückzugsort entstehen, an dem sich ausgetauscht und Kaffee getrunken werden kann. „Was dann noch dazukommt, hängt auch vom Finanziellen ab“, sagt Runge. „Hier sind wir auch froh über Materialspenden wie zum Beispiel Baumaterial oder Ähnliches.“

Als Herausforderung erweist sich schon jetzt die Coronapandemie. Es seien nicht mehr so viele Jugendliche auf der Straße unterwegs, obwohl die Pandemie viele bestehende Probleme in Familien noch verschlimmert. Durch die vielen Beschränkungen und Ausgangssperren blieben viele Stellen, an denen sich Jugendliche oft aufhalten, eher leer. „Dazu kommt noch das Wetter in den vergangenen Wochen. Wir hoffen, dass die Coronabeschränkungen bald aufhören. Eigentlich wollen wir ja vor Ort arbeiten“, sagt Runge. Ein wenig Zeit haben sie noch, denn offizieller Projektstart wäre eigentlich erst der 8. März. Aber schon seit einigen Wochen laufen die Social-Media-Känale von Bbro und auch der schwarze Bus ist schon fleißig unterwegs. „Wir fahren gerade Orte ab und schauen, was gute Standorte sind“, sagt Runge.

Bbro soll auch eine anonyme Anlaufstelle für Eltern sein.

Und schon jetzt gab es Rückmeldungen von Jugendlichen, die sich über Instagram angesprochen fühlen. Zwei haben sich gemeldet, die recht sicher mitmachen wollen, weitere haben Interesse gezeigt. Für die Arbeit sei Instagram sehr wichtig, erklärt Treffert. „Damit sind wir direkt im Lebensraum der Jugendlichen und erreichen eine breite Masse.“ Auch viel positive Rückmeldung und Zuspruch gab es von ähnlichen Projekten im Umkreis und von Interessierten vor Ort. „Der Bedarf an einem solchen Projekt ist gerade sehr groß. Aber hier gibt es so etwas bisher noch nicht“, sagt Treffert. Mindestens ein Jahr soll das Projekt laufen, das finanziell vom Jobcenter unterstützt wird. Wird es gut angenommen, können sich die Verantwortlichen auch gut eine Verlängerung auf mehrere Jahre vorstellen. Offiziell ist es für Jugendliche und junge Leute bis etwa 25 Jahre ausgelegt. „Aber es ist jeder willkommen. Wenn ein 27-Jähriger kommt, der Hilfe braucht, dann finden wir Lösungen“, sind sich die Verantwortlichen sicher.

Dabei betonen sie ganz deutlich: „Und wir arbeiten auch nicht mit der Polizei oder einem bestimmten Amt zusammen“, versichert Runge. „Wenn uns die Jugendlichen etwas erzählen, bleibt das auch unter uns.“

Dabei soll das Projekt nicht nur eine Anlaufstelle für Jugendliche sein. Auch Eltern können sich anonym an die Sozialarbeiter wenden, wenn es zu Hause Probleme mit ihren Kindern gibt. Das muss nicht heißen, dass diese dann auf die Jugendlichen zugehen, sie können den Eltern auch Ratschläge und Lösungsvorschläge für Konflikte geben und die Situation von außen einschätzen, auch ohne einen direkten Kontakt.

Das Team von Bbro ist erreichbar unter der Telefonnummer 0176-96212. Außerdem finden Jugendliche sie auf Instagram und Facebook unter bbrobacknang.

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Erstellt:
27. Februar 2021, 06:00 Uhr

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