Bildhauer Lenk nimmt Stuttgart-21-Skulptur wieder mit

dpa Stuttgart. Am Bahnprojekt Stuttgart 21 scheiden sich die Geister - und die Gemüter. Einer neuen Skulptur zum Thema geht es nicht anders. Nun zieht die große Satire-Figur des Künstlers Peter Lenk wieder zurück an den Bodensee. Der Bildhauer nimmt sie mit. Kunst als Politikum.

Eine Figur, die Heiner Geissler darstellt, steht auf der S21-Statue des Bildhauers Peter Lenk. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Eine Figur, die Heiner Geissler darstellt, steht auf der S21-Statue des Bildhauers Peter Lenk. Foto: Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild

Kunst und Kompromisse? Schließt sich aus. Sagt zumindest Bildhauer Peter Lenk. „Ein Kompromiss und die Kunst ist nichts mehr wert“, betont er. Und er hält Wort, wieder und wieder, bei all seinen satirisch-amüsanten und oft bissigen Skulpturen, mit denen er seit Jahrzehnten für Entsetzen, Bewunderung, auf jeden Fall aber für heftige Debatten sorgt. Ein Entgegenkommen bei seinen oft politisch-kritischen Kunstwerken sollte kein Kommunalpolitiker erwarten, das gilt auch für Stuttgart.

Dort sorgt Lenks Stuttgart-21-Installation in der Stuttgarter Stadtmitte seit Monaten für eine Debatte um Inhalt und Standort. „Muss weg“, sagen die einen. „Muss woanders hin“, schlägt die Stadt vor. „Kommt zurück zu mir an den Bodensee“, hat nun der Bildhauer entschieden. Kompromisslos.

Damit widersprach Lenk am Mittwoch der Haltung des städtischen Verwaltungsausschusses, der einen Umzug an einen anderen Standort in der City bevorzugt hätte. „Der andere Platz ist vollkommen ausgeschlossen“, sagte der 74-Jährige bei einer zweistündigen Debatte im Stuttgarter Rathaus. Es fehle die Harmonie von Denkmal und vorgeschlagenem Standort „mitten in einer Betonwüste“ weit hinter dem Hauptbahnhof. Außerdem sei das Denkmal zu klein im Vergleich zu den Häusern in der Umgebung. „Das kommt nicht in Frage, da brauchen wir nicht drüber reden“, machte Lenk deutlich.

Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) hatte die Alternative hinter dem Hauptbahnhof zuvor erneut vorgeschlagen und den Bildhauer zum Einlenken aufgefordert, die meisten Fraktionen stützten diese Haltung. „Wir schätzen Peter Lenk, seine künstlerische Arbeit und sein künstlerisches Engagement“, sagte Nopper im Ausschuss. Er würde sich aber wünschen, dass der Bildhauer vom Bodensee einlenke. Deshalb sehe er die Chance, die Skulptur am neuen Standort übergangsweise zu platzieren, bis eine bessere Lösung „vielleicht in einigen Jahren“ gefunden worden sei. Ein Kompromiss? Mit Lenk? Ist nun doch möglich, denn der Künstler erklärte sich bereit, spätere Vorschläge der Stadt zu prüfen.

Lenk will sein Kunstwerk mit dem Titel „S 21. Das Denkmal - Chroniken einer grotesken Entgleisung“ nun aber zunächst in seinem Skulpturengarten in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee aufstellen. Unzufrieden zeigte er sich nicht: „Den Vorschlag finde ich sehr gut. Ich will keinen Streit, ich akzeptiere die demokratische Entscheidung“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur nach der Ausschusssitzung. In der Debatte mit den Mitgliedern des Ausschusses hatte das noch ganz anders, fast trotzig geklungen. „Das ist das Pathos der Fremde“, hatte er dort zur Kritik am Werk gesagt. „Woanders ist alles tipptopp. Hier regen sie sich über ein paar Pimmele auf und wenn sie in Florenz sind, dann machen sie ihre Selfies vor'm Michelangelo.“

Das neun Meter hohe „Lenkmal“ zeigt insgesamt rund 150 Figuren, die an Akteure rund um das milliardenschwere Großprojekt erinnern sollen. Herzstück des Satire-Kunstwerks ist eine Figur, die an Laokoon aus der griechischen Mythologie angelehnt ist. Dieser hatte versucht, den Einzug des hölzernen Pferdes nach Troja zu verhindern, und wurde daraufhin von Schlangen umwunden und getötet. Lenks „schwäbischer Laokoon“ trägt die Züge von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und ringt mit ICE-Waggons statt mit Schlangen.

Lenks Stuttgart-21-Skulptur, ihre exzentrischen und teils nackten Figuren hatten in den vergangenen Monaten die Gemüter in der Landeshauptstadt ordentlich erhitzt. Sie sollte eigentlich nur bis Ende März zu sehen sein und kann nicht länger bleiben. Denn das Stadtpalais hat den Platz bereits eingeplant für eine eigene Sommer-Veranstaltung und spätere Bauarbeiten.

Bereits häufiger hat der Künstler für Aufsehen gesorgt mit oft unbekleideten Figuren, mit einem ungeschönten Blick auf Körperformen oder -teile wie dicke Bäuche, propere Hinterteile und hängende Brüste. Seine Werke zielen dabei meist auf Missstände in Politik und Wirtschaft und stets nimmt er auch die historische oder zeitgenössische Prominenz aufs Korn.

Das Bahnprojekt Stuttgart 21 umfasst den Umbau des Hauptbahnhofs und die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm. Nach letzten Schätzungen soll der Mega-Bau 8,2 Milliarden Euro kosten.

© dpa-infocom, dpa:210616-99-14590/4

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Erstellt:
16. Juni 2021, 11:36 Uhr

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