Strom, Gas und Wasser aus einer Hand

Zum 1. Januar 2023 übernehmen die Stadtwerke das Backnanger Stromnetz von der Syna. Der kommunale Energieversorger erhofft sich steigende Einnahmen, ist aber noch mindestens vier Jahre auf die Unterstützung des bisherigen Netzbetreibers angewiesen.

Die Stadtwerke Backnang übernehmen das Stromnetz von der Syna. Symbolfoto: Alexander Becher

© Alexander Becher

Die Stadtwerke Backnang übernehmen das Stromnetz von der Syna. Symbolfoto: Alexander Becher

Von Kornelius Fritz

Backnang. Mehr als 20000 Stromkunden in Backnang haben in den vergangenen Tagen Post von der Syna bekommen. Darin bittet der Netzbetreiber darum, ihm bis zum Jahresende den aktuellen Zählerstand mitzuteilen, weil die Zuständigkeit zum 1. Januar 2023 an die Stadtwerke Backnang übergehe. Manche Empfänger reagierten verwundert auf den Brief, schließlich hatten sie doch gar keinen Wechsel beantragt. Trotzdem habe alles seine Richtigkeit, versichert Thomas Steffen, der Geschäftsführer der Stadtwerke Backnang.

Denn im Strommarkt muss man unterscheiden zwischen dem Netzbetreiber und dem Energieversorger: Der eine stellt die Infrastruktur zur Verfügung, der andere liefert den Strom. So will der Gesetzgeber auch im Energiesektor einen fairen Wettbewerb ermöglichen. Während die Kunden ihren Stromanbieter frei wählen können, gehört das Netz in einer bestimmten Stadt oder Region üblicherweise einem einzelnen Unternehmen. In Backnang war das lange Jahre die Syna GmbH, die dafür eine Konzession von der Stadt bekommen hatte.

Als diese Konzession im Jahr 2013 für weitere 20 Jahre vergeben wurde, entschied sich der Gemeinderat allerdings für einen Wechsel. Das Stromnetz sollte künftig von den eigenen Stadtwerken betrieben werden, an denen die Stadt zu 51 Prozent beteiligt ist, die restlichen 49 Prozent gehören dem Energieversorger EnBW. Von diesem Schritt versprach sich der Gemeinderat mehr Einfluss auf die Energieversorgung vor Ort und steigende Gewinne bei den Stadtwerken. Zunächst mussten diese aber kräftig investieren und für knapp zehn Millionen Euro das Stromnetz der Syna erwerben.

Dieser Eigentümerwechsel liegt nun schon fünf Jahre zurück, allerdings haben die Kunden damals nicht viel davon mitbekommen, denn direkt nach dem Kauf verpachteten die Stadtwerke das Netz wieder an die Syna zurück. Denn um das Stromnetz selbst zu betreiben, fehlte den Stadtwerken damals das qualifizierte Personal.

Stadtwerke sind jetzt derAnsprechpartner für Endkunden

Auch heute ist das kommunale Unternehmen mit seinen rund 50 Mitarbeitern dazu alleine noch nicht in der Lage. Deshalb haben die Stadtwerke für weitere vier Jahre einen Betriebsführungsvertrag mit der Syna geschlossen. Noch mindestens bis Ende 2026 wird sich der ehemalige Netzbetreiber um die Wartung und Instandhaltung des rund 450 Kilometer langen Leitungsnetzes kümmern und auch die 24-Stunden-Bereitschaft übernehmen, um bei Stromausfällen sofort reagieren zu können.

Ab 2027 wollen die Stadtwerke auch diese Aufgaben selbst erledigen. Bis dahin muss aber erst noch eine neue Abteilung mit den entsprechenden Experten aufgebaut werden. Thomas Steffen schätzt, dass sich am Ende acht bis zehn Mitarbeiter um die Stromsparte kümmern werden. Die Suche nach Fachleuten sei momentan aber nicht einfach. Die administrativen Aufgaben übernehmen die Stadtwerke hingegen schon ab 2023 selbst. „Gegenüber den Endkunden sind wir jetzt der Ansprechpartner“, sagt Thomas Steffen. Wer etwa einen neuen Hausanschluss benötigt, muss sich künftig ebenso an die Stadtwerke wenden wie Betreiber von Fotovoltaikanlagen, die ihren Strom ins Netz einspeisen wollen.

Da auch das Gas- und Wasserleitungsnetz in Backnang den Stadtwerken gehören, bekämen die Kunden künftig alles aus einer Hand, erklärt der Geschäftsführer. Aus Sicht des Unternehmens bringe der Kauf des Stromnetzes ebenfalls viele Vorteile, sagt Steffen: „Wir stellen uns dadurch breiter auf.“ Denn während der Gasabsatz in den nächsten Jahren eher schrumpfen dürfte, erwartet er beim Strom durch den Boom bei Elektromobilität und Wärmepumpenheizungen ein Wachstum.

Thomas Steffen hofft daher auf steigende Einnahmen. Die Nutzungsgebühren, die die Stadtwerke von den Energieversorgern für das Durchleiten des Stroms kassieren, sollen bereits nächstes Jahr doppelt so hoch sein wie die Pacht, die man bisher von der Syna bekam. Allerdings müsse man künftig auch mehr in das Stromnetz investieren.

Strompreise steigen ab Januar deutlich

Süwag Als Stromanbieter mit den meisten Kunden im Backnanger Raum ist die Süwag der sogenannte Grundversorger. Im Basistarif steigt der Verbrauchspreis ab Januar von 31,13 auf 54,63 Cent pro Kilowattstunde. Daneben gibt es noch etwas günstigere Tarife, die derzeit aber nur Bestandskunden angeboten werden. Als Gründe für die Preiserhöhung nennt Pressesprecherin Maren Engelhardt gestiegene Beschaffungskosten und höhere Gebühren für die Netznutzung.

Backnangstrom Noch wesentlich deutlicher fällt die Preiserhöhung bei Backnangstrom, einem Tochterunternehmen der Stadtwerke Backnang, aus. Dort erhöht sich der Preis pro Kilowattstunde ab Januar von 37,9 auf 78,79 Cent. Geschäftsführer Thomas Steffen begründet den hohen Preis damit, dass man den Strom zu einem ungünstigen Zeitpunkt eingekauft habe. Weitere Erhöhungen im Jahr 2023 kann der Geschäftsführer dafür immerhin ausschließen.

Strompreisbremse Gemildert wird der Preisschock durch die Strompreisbremse, die im März 2023 rückwirkend zum 1. Januar eingeführt werden soll. Dann wird der Preis auf 40 Cent pro Kilowattstunde gedeckelt, die Mehrkosten trägt der Staat. Allerdings gilt dieser Deckel nur für 80 Prozent des Vorjahresverbrauchs. So soll ein Anreiz zum Energiesparen gesetzt werden. Die Strompreisbremse gilt bis 30. April 2024. Es wird gehofft, dass der Strompreis bis dahin wieder sinkt.

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Erstellt:
15. Dezember 2022, 06:00 Uhr

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