Radsport
Pogacar nach Kletter-Show mit 100. Sieg - "Unglaublich"
Mit einer ersten Machtdemonstration hat Weltmeister Tadej Pogacar einen besonderen Sieg bei der Tour de France gefeiert. Das Gelbe Trikot muss aber noch warten.

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Feiert seinen 100. Karriere-Sieg: Tadej Pogacar
Von Von Stefan Tabeling und Felix Schröder, dpa
Rouen - In bester Laune kletterte Tadej Pogacar bei strahlendem Sonnenschein das große Podium bei der Tour de France hinauf. "Bei der Tour zu gewinnen, ist unglaublich, in dem Trikot umso mehr. 100 Siege sind toll. Ich bin super glücklich und stolz", sagte der Weltmeister, nachdem er seinen Jubiläumssieg nicht besser hätte zelebrieren können.
Erst eine Kletter-Show an der steilen Rampe von Saint-Hilaire mit dem gestressten Rivalen Jonas Vingegaard im Windschatten, dann ein Sprint-Coup im Duell mit Mathieu van der Poel, seinem ewigen Widersacher bei den Klassikern im Frühjahr. Der slowenische Titelverteidiger hat bereits auf der vierten Etappe der 112. Frankreich-Rundfahrt von Amiens nach Rouen in der Heimat des fünfmaligen Tour-Siegers Jacques Anquetil eine eindrucksvolle Machtdemonstration gezeigt, auch wenn das Gelbe Trikot im Sekundenkampf mit van der Poel noch warten muss.
Pogacar: "Alle waren am Limit"
Doch Pogacar wollte nach seinem insgesamt 18. Tour-Etappensieg nicht gierig sein und blickte auf seine beachtliche Erfolgsbilanz zurück. "Alle Siege sind besonders. Mein erster bei der Algarve-Rundfahrt war unglaublich. Das werde ich nie vergessen. 100 Siege später fühlt es sich immer noch super gut an, als Erster die Ziellinie zu überqueren, vor allem nach einer Etappe wie dieser."
Wie entfesselt stürmte Pogacar den letzten Anstieg hinauf und brachte den am Ende drittplatzierten Vingegaard kurz in die Bredouille. "Alle waren am Limit. Ich habe am letzten Anstieg attackiert, Jonas ist mir gefolgt, und alles kam wieder zusammen. Mit so vielen guten Fahrern weiß man nie, was passiert", ergänzte der Ausnahmekönner.
Lipowitz und Buchmann verlieren Zeit
Der deutsche Hoffnungsträger Florian Lipowitz und der frühere Tour-Vierte Emanuel Buchmann konnten dem hohen Tempo der Topstars am letzten Anstieg nicht mehr folgen und hatten mit dem Ausgang der Etappe nichts zu tun. Lipowitz verlor 54 Sekunden, Buchmann gar 1:21 Minuten. "Das liegt mir nicht so, das hat man heute auch gesehen. Mit so viel Laktat in den Beinen oben ankommen", meinte Lipowitz mit Blick auf die bis zu 16 Prozent steile Rampe.
In der Gesamtwertung findet sich Lipowitz 1:49 Minuten zurück auf Platz 20 wieder. Vorne bleibt van der Poel, gleichauf mit Pogacar. Acht Sekunden zurück folgt Vingegaard als Dritter.
Das erste Kletter-Duell der Tour-Favoriten lieferte aber einen Vorgeschmack auf die langen Bergpässe in den Pyrenäen und Alpen. "Ich denke, wenn die zwei - Tadej und Jonas - attackieren und antreten dann, kann kein anderer mehr folgen. Gut, dass Jonas heute das kleine Loch wieder zufahren konnte", sagte Visma-Sportdirektor Grischa Niermann.
Nächstes Duell beim Einzelzeitfahren
Vingegaard, der nach eigener Aussage in der besten Form seiner Karriere ist, bietet sich aber schon am Mittwoch beim Einzelzeitfahren über 33 Kilometer in Caen die Chance, das Blatt zu wenden. "Morgen ist der richtige Test. Wir kämpfen um das Gelbe Trikot", sagte Pogacar.
Im Gegensatz zum Vortag dominierten dieses Mal die sportlichen Schlagzeilen das Geschehen, auch wenn das Peloton auch am Dienstag nicht von weiteren Stürzen verschont blieb. Erst am Montag hatte sich Sprint-König Jasper Philipsen nach seinem Crash mit Brüchen am Schlüsselbein und den Rippen aus der Tour verabschiedet, der Belgier ist bereits im Krankenhaus von Herentals operiert worden.
"Der zerbrochene Traum", titelte die "L'Equipe" und beim belgischen TV-Sender Sporza war online zu lesen: "Vom Himmel in die Hölle. Jasper Philipsens Tour de France ist vorbei."
Jury bestraft Coquard
Der Franzose Bryan Coquard wurde als Sturz-Verursacher bei Philipsen ausgemacht und enthielt eine entsprechende Verwarnung sowie 500 Schweizer Franken Strafe und einen Abzug von 13 Punkten. Philipsens Teamkollege Jonas Rickaert dürfte das genauso wenig beruhigen wie die Entschuldigung des Franzosen: "Er hat mir gesagt, dass er nichts machen konnte, aber es ist nicht das erste Mal, dass er im Zwischensprint zu viel Risiko nimmt, obwohl er sie nicht gewinnen kann. Für zehn Punkte sein Leben riskieren, das ist der Wahnsinn."
Auf der vierten Etappe mussten sich die Sprinter zurücknehmen, dafür war das Finale mit je zwei Anstiegen der dritten und vierten Kategorie zu steil. Spannung garantiert auch die fünfte Etappe beim Kampf gegen die Uhr. Wenn der Tour-Patron überhaupt eine Schwäche hat, dann wohl im Einzelzeitfahren. Bei der Dauphiné-Rundfahrt hatte Pogacar zuletzt 28 Sekunden auf Vingegaard und 48 Sekunden auf Doppel-Olympiasieger Remco Evenepoel verloren.

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Immer im Mittelpunkt: Weltmeister Tadej Pogacar.

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Die Tour steuerte auf der vierten Etappe Rouen an.