Metallindustrie

Südwestmetall-Chef warnt vor Erosion der Tarifbindung

Innerhalb von 22 Jahren ist die Zahl der tarifgebunden Firmen um ein Drittel gesunken. Die nächste Tarifrunde könnte den Trend verstärken. Denn die Lage vieler Firmen ist alles andere als rosig, sagt der neue Südwestmetall-Chef.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (li.) rät der Metallbranche, sich nicht zu abhängig von einzelnen Märkten zu machen. Rechts der neue Südwestmetall-Chef Joachim Schulz.

© dpa/Bernd Weißbrod

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (li.) rät der Metallbranche, sich nicht zu abhängig von einzelnen Märkten zu machen. Rechts der neue Südwestmetall-Chef Joachim Schulz.

Von Klaus Köster

Die Veränderung des Arbeitsmarkts hin zu digitalen Technologien ist nach Ansicht des neuen Südwestmetall-Chefs Joachim Schulz einer der Hauptgründe für die schwindende Tarifbindung in der Metallindustrie. Im Jahr 2000 habe Südwestmetall 1100 tarifgebundene Mitgliedsunternehmen gehabt, heute seien es nur noch 680, sagte Schulz bei der Mitgliederversammlung des Arbeitgeberverbands.

Es kommen keine neuen Firmen hinzu

Auch wenn der Rückgang sich so nicht fortsetze, gebe es weiter eine schleichende Erosion der Tarifbindung. Es schieden immer wieder Firmen aus, doch neue kämen nicht mehr hinzu. Daher stelle sich die Frage, warum es dem Produkt „Tarifvertrag“ an Attraktivität fehle.

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Zur anstehenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie sagte Schulz, die Lage könne nicht an der guten Situation einzelner Unternehmen festgemacht werden. Autohersteller wie Mercedes fahren derzeit glänzende Ergebnisse ein, weil sie sich angesichts der Lieferengpässe auf besonders profitable Modelle konzentrieren. Den meisten Unternehmen gehe es aber nicht gut, so Schulz. Die hohen Energiepreise, Lieferengpässe und die Transformation hin zu klimaneutralen und digitalen Technologien brächten Belastungen mit sich, die nicht durch steigende Personalkosten noch vergrößert werden dürften. Würden Betriebe durch die Tarifpolitik überfordert, gerate das Ziel der hohen Tarifbindung in Gefahr.

Kritik an Eingriffen in Lohnfindung

Der 66-jährige Schulz, für den es die erste Mitgliederversammlung nach seinem Amtsantritt Anfang Mai war, kritisierte den wachsenden staatlichen Einfluss auf die Lohnfindung, insbesondere in Form der Erhöhung des Mindestlohns. Er verbitte sich Eingriffe in die Aufgabe der Tarifparteien, die Rahmenbedingungen zu setzen. „Konzentrieren Sie sich auf ihre Kernaufgaben“, sagte Schulz an die Adresse der Politik. „Dann reichen wir Ihnen die Hand.“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) attestierte der Branche, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden. Dies gelte sowohl für die Integration von Flüchtlingen, die nach 2015 nach Deutschland kamen, als auch für die Mitwirkung an der Impfkampagne in den Betrieben und für die Unterstützung von Sanktionen nach dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine.

Kretschmann: Abhängigkeiten reduzieren

Aus dem Krieg müsse das Exportland die Lehre ziehen, eine höhere Widerstandskraft aufzubauen. Dazu gehöre eine stärkere Diversifizierung nicht nur beim Bezug der Rohstoffe, sondern auch bei den Märkten, für die man arbeite.

Die Autohersteller im Südwesten haben einen starken Fokus auf China und die USA. Angesichts der Spannungen zwischen diesen Wirtschaftsblöcken und der Russland eher unterstützenden Haltung Chinas besteht das Risiko von Einbußen gerade auf den wichtigsten Absatzmärkten.

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Erstellt:
18. Mai 2022, 20:56 Uhr

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