Süßlich-säuerliches, würzig-fruchtiges Aroma liegt in der Luft

Von Kindesbeinen an gehört zum Leben von Marianne Kübler das Kultivieren und Verarbeiten regionaler, saisonaler Nahrungsmittel dazu. Die Großerlacher Landfrau verbringt viel Zeit mit Einkochen – unter anderem von Zucchini.

Jeden Arbeitsschritt erledigt Marianne Kübler mit Ruhe und Routine: Gemüse schnippeln und Gewürze herrichten, Gläser erhitzen, die Zutaten im Topf einkochen und schließlich in Gläser füllen Foto: A. Becher.

© Alexander Becher

Jeden Arbeitsschritt erledigt Marianne Kübler mit Ruhe und Routine: Gemüse schnippeln und Gewürze herrichten, Gläser erhitzen, die Zutaten im Topf einkochen und schließlich in Gläser füllen Foto: A. Becher.

Von Nicola Scharpf

GROSSERLACH. Mit bloßen Händen greift Marianne Kübler in den laufenden Backofen. Sie holt eines der leeren Einmachgläser heraus, die sie im Ofen für eine Weile bei um die 70 Grad erhitzt hat. Blitzschnell schnappt sie auch einen heißen Metalldeckel, um anschließend das gefüllte Glas damit zu verschließen. Marianne Küblers Hände sind abgehärtet von jahrzehntelanger Küchenarbeit. An diesem Vormittag widmen sie sich dem Einkochen von Zucchini.

Marianne Kübler ist Mitglied bei den Großerlacher Landfrauen. Die 70-Jährige stammt aus einer Haller Landwirtefamilie mit sechs Geschwistern. „Man musste schauen, dass alle satt werden.“ Saisonale Nahrungsmittel zu kultivieren, zu verarbeiten und haltbar zu machen, gehört von Kindesbeinen an zu ihrem Leben dazu. Hinter dem Kübler’schen Haus mit der üppigen Blumenpracht an den Balkonbrüstungen erstreckt sich ein riesiges, vielseitiges Grundstück mit Zier- und Nutzgarten, Gewächshäusern und verschiedensten Bäumen. „Das Land ist vorhanden, dann muss man es auch bewirtschaften.“ Auf einem der drei Komposte reifen im Moment die Zucchini. Die Hobbygärtnerin schiebt die großen Blätter der Zucchinipflanzen beiseite und gibt den Blick frei auf das längliche Sommergemüse mit der gesprenkelten, grünen Schale. Am Vortag hat die gelernte Hauswirtschafterin reife Exemplare geerntet, um sie zu Zucchini süßsauer einzukochen. „Es ist ein altes Rezept. Ich weiß nicht, woher ich es habe.“

Die Vorarbeiten sind schon erledigt: Ihrer Schale entledigt warten die Zucchini in mundgerechte Stücke geschnitten in einer Tupperschüssel darauf, in den Kochtopf zu wandern. Zwiebeln aus dem Kübler’schen Garten und Paprika in Rot, Gelb, Grün tun es den Zucchiniwürfeln gleich. „Ich verwende deutsche und ungarische Paprika. Die ungarischen haben einfach mehr Geschmack.“ Messbecher, Essig, Apfelsaft und Gewürze – Dill aus dem eigenen Garten, Pfefferkörner, Senfkörner, Curry, Salz, Zucker – stehen bereit. Als Erstes gießt Marianne Kübler Wasser und Essig in den großen Topf auf der Herdplatte, den sie immer zum Kochen von Marmelade und Co. verwendet. „Der ist wertvoll für mich.“ Sie deutet auf die geleerte grüne Flasche Einmachmeister. „Ich kaufe den Einmachmeister. Meine Mutter hat den Essig noch im Kanister erstanden und zum Einmachen selbst mit Gewürzen angesetzt.“ Saft und Gewürze fügt Marianne Kübler dem Sud hinzu, rührt mit einem hölzernen Kochlöffel im Gebräu. „Dill kommt später dazu.“ Die Dunstabzugshaube brummt auf Hochtouren. Dennoch erhascht die Nase Briesen des Dampfes, der vom kochenden Sud aufsteigt: süßlich, säuerlich, fruchtig, würzig. „Zucchini süßsauer schmeckt in den Wintermonaten gut zu Bratkartoffeln oder Spaltenkartoffeln“, empfiehlt Marianne Kübler. Sie kostet vorsichtig ein Löffelchen vom heißen Sud. „Mein Mann und ich mögen es nicht zu sauer.“ Also noch ein Schucker Saft.

Dann purzeln die Zucchinistücke aus der Schüssel, die Kübler gekippt hält, in den Topf. Der Rest ist in Warteposition, bis die Zucchini bissfest geköchelt sind. Die Landfrau nutzt die Zeit, um die Einmachgläser und Deckel heiß zu spülen. Sie verwendet fast ausschließlich Gläser mit Schraubverschluss. „Nur für das Eindünsten von Kirschen nehme ich Weckgläser mit Gummiring. Diese Gläser sind so empfindlich. Man muss das Gummi so exakt in die Rille legen. Sonst sind sie nicht richtig zu.“

Der Curry hat die Zucchinistücke inzwischen gelb gefärbt. Nun kommen die übrigen Zutaten in den Topf. Die gespülten Gläser stellt Marianne Kübler auf einen Rost im Ofen. Ein Blech mit den Deckeln schiebt sie in der Schiene darunter hinein. Vor dem Befüllen werden die Gläser vorgeheizt. Die Arbeitsplatte neben dem Herd bedeckt sie mit weißen Handtüchern: „Damit man nachher keine Ringe von den Gläsern auf der Arbeitsplatte sieht.“

„Es muss alles sauber sein, das ist das oberste Gebot“, benennt Marianne Kübler den größten Fehler, der beim Einkochen passieren kann. „Und das Obst oder Gemüse muss gut sein, sonst gärt es nachher und das Glas kann platzen.“ Auch die richtige Lagerung ist wichtig: Kühl und dunkel muss es sein.

Es blubbert im Topf, sodass die bunten Gemüsestücke darin munter hüpfen. Marianne Kübler wirft einen Kennerblick darauf: „Wenn die Zucchini glasig sind, soll man sie raustun.“ Das ist nun so weit. Sie öffnet den Backofen, holt das erste Glas heraus, schöpft mit einem Kunststoffschaumlöffel im Grün der 70er-Jahre eine erste Portion vom eingekochten Gemüse und füllt das Glas, bis es randvoll ist. Mit viel Ruhe und Geschick, in konzentrierter Stille bekommt Glas um Glas einen farbenfrohen Inhalt. Aus Marianne Küblers Bewegungen spricht die Routine. Kaum ein Tropfen geht daneben, fein säuberlich wischt sie dennoch jedes Glas sauber. Der Topf ist nun leer. Dafür stehen 14 Gläser unterschiedlicher Größen auf dem Handtuch neben der Herdplatte und machen Kopfstand. Das Stürzen soll bewirken, dass der Deckel fest angezogen wird.

Marianne Kübler betrachtet das eingeglaste, gemüsige Ergebnis ihrer Arbeit. Mit Stolz? „Im Winter geht man eben in den Vorratskeller und holt etwas hoch. Das ist schon schön“, sagt sie bescheiden. Die Zucchini dürfen nun im Glas mindestens für ein paar Wochen nachreifen. Dabei macht der aromatische Duft, der in der Küche liegt, eigentlich Lust, gleich zu schlemmen. Und das Eingelegte sieht so appetitlich aus. Marianne Kübler lacht: „Hoffentlich schmeckt es auch so. Das ist immer eine Überraschung.“

Rezept Zucchini süßsauer

Zutaten Gemüse:

2 Kilogramm Zucchini, 1 Kilogramm Paprika rot, grün, gelb, 1/2 Kilo Zwiebelringe

Zutaten Sud:

1 Flasche Gurkenmeister, 1 Liter Wasser, 1/2 Liter Apfelsaft klar, 4 Teelöffel Salz, 200 Gramm Zucker, 2 Teelöffel Curry, 1 Päckchen Senfkörner, 1/2 Päckchen Pfefferkörner, 1–2 Teelöffel frischer Dill

Zubereitung:

Sud aufkochen.

Zucchini und Gemüse in mundgerechte Stücke schneiden und im Sud kochen lassen, bis die Zucchini glasig sind.

Das Ganze dann noch kochend in Gläser füllen, sofort verschließen und stürzen.

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Erstellt:
8. September 2020, 06:00 Uhr

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