Symbolische Zeichen der Hoffnung

Alle Maibaumfeste fallen aus – Birke vor dem Rathaus Großerlach als Mutmacher – Burgstettens Musiker geben sich kämpferisch

Wegen der Coronapandemie finden dieses Jahr landauf, landab keine traditionellen Maibaumfeste statt. Kein Aufstellen, keine Hocketse und auch kein Wettsägen am Ende des Monats. Auch im Raum Backnang wurden alle Veranstaltungen abgesagt. Nur die Musiker des MV Burgstetten lassen sich nicht unterkriegen und planen eine besondere Aktion als Ersatz für ihr Maibaumfest. Und Großerlachs Bürgermeister Jäger ließ als Mutmacher eine Birke aufstellen.

Ein Bild aus guten alten Zeiten: Ein Maibaum als Zeichen des Frühlings, so wie das Prachtexemplar des Heimatvereins Allmersbach am Weinberg. Dieses Jahr fallen alle Feste aus. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Becher

Ein Bild aus guten alten Zeiten: Ein Maibaum als Zeichen des Frühlings, so wie das Prachtexemplar des Heimatvereins Allmersbach am Weinberg. Dieses Jahr fallen alle Feste aus. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BURGSTETTEN/GROSSERLACH. Aufgrund der Coronapandemie musste der Musikverein Burgstetten wie allerorten sein traditionelles Maibaumstellen samt Maifest in diesem Jahr absagen. Die Musiker hatten sich eigentlich schon seit Wochen darauf eingestellt. Aber die Absage pfupferte die Verantwortlichen gehörig. Deshalb haben sie sich zusammengesetzt und Kriegsrat gehalten. Und sind zu der Lösung gekommen, einen virtuellen Baum aufzustellen. Wobei virtuell nicht wirklich zutrifft. Ein Musiker stellt nämlich ganz real einen Maibaum auf. Dies passiert heute Abend auf dem Festplatz in Erbstetten. Weil er dies aufgrund der Abstandsregelung nur alleine machen kann, handelt es sich heuer nicht um das übliche Prachtexemplar einer Fichte. Vielmehr wird das Bäumchen bescheidene drei Meter nicht weit überschreiten und findet Platz in einem überdimensionalen Christbaumständer. Von der Aktion wird ein Video gedreht und dieses in den sozialen Medien geteilt. Deshalb sprechen die Macher vom virtuellen Maibaumfest.

Alle Musiker bleiben auf dem Festplatz in ihren Fahrzeugen sitzen und spielen den Böhmischen Traum

Nun ist dies an sich noch nicht prickelnd. Aber die Musiker peppen ihre Aktion noch mit einem besonderen, dem eigentlichen Dreh auf. Sie versammeln sich alle auf dem großen Festplatz, bleiben aber wie in einem Autokino in ihren Fahrzeugen sitzen und gewährleisten so die Einhaltung des Sicherheitsabstands. Dann erst kommt der Kamerad mit dem kleinen Maibaum auf dem Anhänger eines Schleppers ins Zentrum der Versammlung gefahren. Geschmückt wurde der Baum zuvor von einem anderen Musiker. Pünktlich zum Maibaumaufstellen spielen die Musiker den Böhmischen Traum von Norbert Gälle. Sie bilden dabei eine Korona um den Baum. Daniel Krüger, Zweiter Vorsitzender des Musikvereins, kann sich das so vorstellen: „Wer ein Schiebedach hat, kann im Stehen spielen, im Cabrio sowieso, andere kommen auf dem Motorrad oder dem Fahrrad oder mit einem Schlepper.“ Allerdings hat Krüger auch eine dringende Bitte an die Burgstettener Bürger: „Bitte bleiben Sie zu Hause, wir dürfen keine Zuschauer zulassen.“ Und die Aktion hat noch eine weitere Krux: Die Musiker müssen nach dem Aufstellen und dem Musikstück wieder auseinandergehen, ein Fest auf der Grundlage einer Hefekaltschale gibt es dieses Jahr nicht.

Logisch, dass es auch in Großerlach keinen typischen Maibaum geben wird. Dabei hat diese Tradition im Ort einen ganz großen Stellenwert. Nicht nur, dass üblicherweise gleich an fünf Stellen die Symbole des Frühlings aufgestellt werden, nein, im Hauptort selbst nutzte die Feuerwehr die Tradition gleich doppelt. So gab es einmal ein Fest beim Aufstellen des Baums, und ein paar Wochen später wurde auch sein Fällen zu einem besonderen Event mit Wettsägen und Trallala. Aber auch in Liemersbach kümmerten sich die Mitglieder des Freizeitvereins Grashoppers Jahr für Jahr um den Brauch, ebenso wie in Grab die Dorfgemeinschaft, zu der mehrere Vereine zählen. In Altfürstenhütte zelebrierte die Dorfgemeinschaft dasselbe, ebenso wie die Dorfgemeinschaft in Neufürstenhütte, hier allerdings erst wieder seit einem Jahr. Umso mehr schmerzte die dortigen Veranstalter die jetzige Absage. Diese haben sogar bei Bürgermeister Christoph Jäger nachgehakt, ob es nicht eine Ausnahmegenehmigung geben könnte. Doch bei Jäger bissen sie in diesem Fall auf Granit. Der Verwaltungschef befürchtete einen Präzedenzfall und untersagte allen gleichermaßen das Aufstellen eines Maibaums auf allen öffentlichen Plätzen. Er begründet dies damit, dass sich die Vereinsmitglieder wohl oder übel während des Schmückens und Aufstellens näher kommen und die Abstandsrichtlinien verletzen würden. Auch unabsichtlich. Zudem sei es naheliegend, dass dann auch gefeiert werde, wenn es schon einen Baum gebe, „das zieht Publikum an“. Und dies geht überhaupt nicht. Zumal in Großerlach die Feuerwehr zu den Hauptakteuren gehören würde. Und eine Beeinträchtigung der Einsatzfähigkeit aufgrund einer eventuell leichtfertig verursachten Coronainfektion eines oder mehrerer Mitglieder wollte Jäger nicht riskieren.

Aber wer Christoph Jäger kennt, der weiß, dass selbst ein noch so hartnäckiges Virus seinen Optimismus nicht erschüttern kann. Deshalb hat der Bürgermeister die Firma Noller beauftragt, vor dem Rathaus eine Birke aufzustellen, „als kleinen Trost“. Schließlich symbolisiert ein solches Maiele den Aufbruch und den Frühling. Jäger: „Es ist traurig, wenn alles komplett ausfällt.“

Das Baumaufstellen vor dem Rathaus vor drei Tagen war legal, weil damit die Firma Noller beauftragt wurde. Das Lohnunternehmen war für Jäger die Garantie, dass das Aufstellen mit viel Maschineneinsatz, wenig Personal und keinen Zuschauern geschehen konnte. Zudem steht der Baum jetzt direkt vor dem Rathaus, also unter den wachsamen Augen des Bürgermeisters, der bereits angekündigt hat, einzuschreiten, sollte sich je eine Versammlung abzeichnen. Auch ist der Baum nicht geschmückt. Trotzdem bezeichnet Jäger die kleine Birke als „Hoffnungsbäumchen“. „Wir lassen uns vom Coronavirus nicht alles kaputt machen.“

Eigentlich gibt es auch in Aspach zwei Maibäume. An der Kelter in Allmersbach wurde das Maibaumstellen immer vom Heimatverein Allmersbach am Weinberg organisiert, vor dem Rathaus in Großaspach stellt die Feuerwehr normalerweise den Maibaum auf. Aufgrund der Coronaverordnung war allerdings schon seit einiger Zeit klar, dass dieses Jahr gar nichts geht. „Da das Maibaumstellen immer mit einem Fest oder einer Hocketse verbunden wird und aufgrund der Coronapandemie keine Veranstaltungen mehr erlaubt sind, war das Maibaumstellen gar kein Thema – weder beim Heimatverein noch bei unserer freiwilligen Feuerwehr“, sagt Ordnungsamtsleiterin Anna Seitz. „Wir haben das Maibaumstellen nicht explizit untersagt, weil das gar nicht nötig war. Allen war klar, dass es ohne entsprechendes Fest drumherum sowieso nicht stattfindet, das haben auch entsprechende Gespräche gezeigt.“

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Erstellt:
30. April 2020, 06:00 Uhr

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