Neu im Kino: „Die Barbaren“
Syrer bei uns im Dorf?
Die Komödie „Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne“ von und mit Julie Delpy erinnert stark an den Klassiker „Willkommen bei den Sch’tis“.

© Weltkino
Szene mit July Delpy als Lehrerin Joëlle(3. v. li.): Die Einwohner von Paimpont heißen Familie Fayad willkommen.
Von Martin Schwickert
Die blau-gelbe Flagge flattert schon über dem Bürgermeisteramt des kleinen bretonischen Dorfes Paimpont. Einstimmig hat sich der Gemeinderat für die Aufnahme von ukrainischen Kriegsflüchtlingen ausgesprochen. Aber dann kommt die Nachricht, dass die ukrainischen Asylsuchenden bereits anderweitig verteilt wurden und stattdessen eine syrische Familie im Dorf untergebracht werden soll. Da tun sich schnell erste Risse in der heimischen Willkommenskultur auf.
„Barbaren raus“ steht in blauer Schrift auf dem Eingang zur Unterkunft, und auch das Lächeln der Gemeindemitglieder bei der Begrüßung wirkt etwas angestrengt. Im dörflichen Mikrokosmos wird getuschelt über die muslimischen Neuankömmlinge, die so gar nicht den Erwartungen entsprechen. Nicht einmal ein Kopftuch tragen die Frauen. Sie sprechen gutes Englisch und sogar schon ein paar Worte Französisch. Die Mutter Louna (Dalia Naous) hat Grafikdesign studiert, ihr Mann Marwan (Ziad Bakri) als Architekt gearbeitet, ihre Schwester Alma (Rita Hayek) als Ärztin – die Ausbildungen werden in der bretonischen Fremde aber nicht anerkannt.
Ressentiments hinter der gutmütigen Fassade der Gemeinschaft
Mit feinem, ironischem Gespür zeigt Julie Delpy in „Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne“ die Mikroressentiments, die hinter der gutmütigen Fassade der Dorfgemeinschaft irrlichtern. Einzig der Klempner und Dorfnazi Hervé (Laurent Lafitte) zeigt offen seine Abneigung gegen die Geflüchteten, während die idealistische Lehrerin Joëlle (Julie Delpy) und der Bürgermeister Sebastian (Jean-Charles Clichet) sich mit ganzer Kraft um die Integration der Neuankömmlinge bemühen.
Dabei baut Delpy ihre Komödie nie zu einer wirklich bissigen Gesellschaftssatire aus. Die Dorffiguren erinnern nicht nur wegen der bretonischen Herkunft, sondern auch durch ihre liebevolle Überzeichnung eher an „Asterix“-Comics. Diese burlesken Elemente kontrastiert Delpy mit der Perspektive der syrischen Familie, die schnell spürt, dass sich die Gastfreundschaft in Grenzen hält, die unter Traumata leidet und trotzdem bereit ist, sich einen Platz in der Gemeinschaft zu erkämpfen. Dass sie dafür in einer Versammlung ein Video von der Bombardierung des Krankenhauses zeigen muss, bei dem Alma ihren Mann verloren hat, gehört zu den beschämenden Momenten im Ringen um das Mitgefühl der Dorfbewohner.
Am Schluss lösen sich die Konflikte vor allem durch das Engagement der Frauen auf beiden Seiten etwas abrupt in Wohlgefallen auf. Unübersehbar lehnt sich Delpy an den Komödienklassiker „Willkommen bei den Sch’tis“ an und verkoppelt dessen Erzählstruktur mit der modernen Migrationsdebatte. Der sichtbare Wille bei diesem polarisierenden Thema den Glauben an das Gute im Menschen zu bewahren, ist löblich, aber auf der Leinwand wenig überzeugend. Die Melange aus Wohlfühlkomödie und Tiefgang entwickelt unter Delpys holpriger, unausgegorener Regie einfach nicht die notwendige Kohärenz.
Die Barbaren – Willkommen in der Bretagne. Frankreich 2024. Regie: Julie Delpy. Mit Julie Delpy, Ziad Bakri. 101 Minuten. Ab 12 Jahren