Invasive Ameisen in Tübingen
„Tapinoma magnum macht keine Pause“ – Anwohner verwundert über Stadt
Tübinger Bürger bekämpfen auf eigene Faust Ameisen einer invasiven Art. Eine Antwort der zuständigen Bürgermeisterin löst Verwunderung aus – dann folgt die Einladung zum SWR-Dreh.

© STZN/Dürr
Biologe Christian Wolff und seine Nachbarn gehen regelmäßig betroffene Stellen in ihrer Straße ab, um die invasiven Ameisen zu bekämpfen.
Von Florian Dürr
Christian Wolff wendet sich am Ende seiner Nachricht mit eindringlichen Worten an die zuständige Tübinger Ordnungsbürgermeisterin: „Ich möchte Sie bitten, keine Zeit verstreichen zu lassen“, schreibt der Biologe vergangene Woche an Gundula Schäfer-Vogel mit Blick auf die Ausbreitung der invasiven Ameisenart Tapinoma magnum in seiner Straße: Im Beethovenweg in Tübingen, unweit der Kliniken, sind die aus dem Mittelmeerraum eingeschleppten Ameisen durch Experten des staatlichen Naturkundemuseums Karlsruhe verifiziert worden.
Stadt Kehl empfiehlt Heißwasserlanze statt Wasserkocher und Kochtopf
Seitdem bekämpfen Wolff und seine Nachbarn die Kolonie auf eigene Faust mit heißem Wasser. „Nichtsdestotrotz halte ich es für sehr wichtig, Kontrollen auch über den Beethovenweg hinaus durchzuführen. Dies können wir allerdings nicht leisten und sehen es auch nicht als unsere Aufgabe“, schreibt der Biologe in seiner Nachricht ans Tübinger Rathaus und macht gleich mehrere Vorschläge, wie die Stadt reagieren könnte: Neben „regelmäßigen, engmaschigen Kontrollen, um mögliche Tapinoma magnum-Kolonien aufzuspüren“ könnte man im betroffenen Beethovenweg die Pflastersteine im Rinnstein teilweise entfernen und mit einer Heißwasserlanze wie in der besonders betroffenen Stadt Kehl (Ortenaukreis) vorgehen, schlägt Wolff vor.
Aus der Stadt an der deutsch-französischen Grenze teilt eine Sprecherin mit Blick auf die bisherigen Maßnahmen der Tübinger Anwohner mit: „Wasserkocher und Kochtopf helfen eher wenig, weil sich die Nester meistens einen Meter unter der Erdoberfläche befinden – mit der Heißwasserlanze ist es möglich, in diese Tiefen vorzudringen.“ Laut Wolff ist auch der Einsatz des Pulvers Kieselgur denkbar. „Das Pulver haftet an den Tieren und wird von ihnen in die bis zu einen Meter tiefen Nester der Kolonie getragen und dort auf andere Artgenossen übertragen. Die Tiere gehen daran zugrunde“, erklärt der Biologe. Am besten sollten die genannten Maßnahmen „in engen zeitlichen Abständen“ zwei bis dreimal pro Woche erfolgen, schreibt Wolff.
Stadt hat bereits vor zwei Wochen Maßnahmen angekündigt
Doch die Antwort, die der Biologe dann von der Ordnungsbürgermeisterin erhielt, verwunderte ihn und seine Nachbarn. Über die Nachricht aus dem Rathaus sagt Wolff: „Tapinoma magnum macht keine Pfingstpause. Und begrenzte personelle Ressourcen sowie die Haushaltslage empfinde ich als eher schwache Erklärung.“ Auch der Hinweis, dass Ameisen auf einem Privatgrundstück eine Privatangelegenheit seien, hat den Biologen irritiert: „Wir haben bisher ohne Hilfe der Stadt öffentlichen Raum bekämpft (Rinnstein)“, schreibt Wolff.
An diesem Mittwochabend wollen er und seine Nachbarn im Rahmen eines SWR-Drehtermins noch einmal mit Ordnungsbürgermeisterin Schäfer-Vogel ins Gespräch kommen: „Der SWR hat auf unsere Anregung hin Frau Schäfer-Vogel eingeladen“, teilt Wolff mit: „Wir wollen von ihr gerne die geplanten städtischen Maßnahmen erfahren.“
Diese hat die Stadt bereits vor zwei Wochen angekündigt: „Um die aktuelle Lage zuverlässig im Blick zu behalten und gegebenenfalls kurzfristig gegen die Ameisen vorgehen zu können, hat die Stadtverwaltung ein erstes Maßnahmenpaket geschnürt“, hieß es. So sollen etwa Mitarbeiter der kommunalen Servicebetriebe ab sofort regelmäßig vor Ort beobachten, „ob und wie sich die Ameisen ausbreiten“.
Biologe Christian Wolff: „Alle zusammenarbeiten“
Im Fokus der Einsätze stünden öffentliche Flächen und Verteilerkästen. Zudem bereite man sich auf die mögliche Bekämpfung der Ameisen vor: „Ein dafür notwendiges Fahrzeug ist bereits vorhanden. Wir prüfen aktuell, wie wir dieses zum Heißwassersprühgerät umrüsten können“, sagte Stefan Kraus, Leiter der Kommunalen Servicebetriebe. Auf diese Weise könnten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straßen- und Grünpflege „umgehend tätig werden, wenn die Ameisen Schäden im öffentlichen Raum anzurichten drohen“, hieß es.
Auch Schäfer-Vogel hatte sich zuvor selbst ein Bild vor Ort gemacht: „Mir war es wichtig, das direkte Gespräch zu suchen. Die Sorgen und Ängste der Bürgerinnen und Bürger nehmen wir sehr ernst“, sagte sie. Den Besuch werteten auch die Bewohner des Beethovenwegs als positives Zeichen: „Wir fühlen uns dadurch ernst genommen und haben den Eindruck, dass die Stadt Tübingen das möglicherweise drohende Ausmaß durch die invasive Ameisenart auch erkannt hat“, schrieb Wolff an die Bürgermeisterin. „Ich denke, dass die Chance, Tapinoma magnum erfolgreich zu bekämpfen, größer ist“, schreibt der Biologe, „wenn wir alle zusammenarbeiten“.
Wie macht es die besonders betroffene Stadt Kehl?
MaßnahmenDie Erfahrungen zeigten, dass es wichtig sei, „die Ameisen in einem möglichst frühen Ausbreitungsstadium zu bekämpfen“, teilt eine Sprecherin der Stadt Kehl mit. Dort hatten die Ameisen bereits Strom-und Internetausfälle verursacht sowie einen Spielplatz unterhöhlt. Am besten sei es, „Nester zu lokalisieren und gezielt mit dem Heißwassergerät zu zerstören, bevor die Ausbreitung beginnt“.
KostenDie Stadt Kehl hat für die Bekämpfung der Tapinoma magnum-Kolonien eine Vollzeitstelle eingeplant. Das eingesetzte Heißwassergerät hat 50 000 Euro gekostet.