Tat nicht zweifelsfrei nachgewiesen – Freispruch

Belastende Zeugenaussage bleibt dürftig und lässt nach Ansicht des Richters eine Verurteilung nicht zu.

Im Zweifel für den Angeklagten: So entschied das Amtsgericht Backnang im Fall eines 30-Jährigen, dem ein Auftreten als Exhibitionist nicht nachgewiesen werden konnte. Symbolfoto: stock.adobe/okanakdeniz

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Im Zweifel für den Angeklagten: So entschied das Amtsgericht Backnang im Fall eines 30-Jährigen, dem ein Auftreten als Exhibitionist nicht nachgewiesen werden konnte. Symbolfoto: stock.adobe/okanakdeniz

Von Hans-Christoph Werner

BACKNANG. Vor dem Amtsgericht hat sich ein 39-jähriger Handwerker wegen einer exhibitionistischen Handlung zu verantworten. Der Angeklagte hat keinen Rechtsanwalt zur Seite.

An einem Oktobermorgen des letzten Jahres soll der Angeklagte, so trägt die Staatsanwältin vor, völlig entkleidet in einer Fußgängerunterführung der Stadt gestanden haben. Eine 41-jährige Zeitungsausträgerin kam zufällig des Weges, erschreckte sich, machte sofort kehrt und telefonierte mit ihrem Ehemann. Der wiederum alarmierte die Polizei. Der Exhibitionist soll, so die Anklageschrift, masturbiert haben.

Der Angeklagte, über seine Aussagerechte belehrt, sagt schlicht und einfach, dass er’s nicht gewesen sei. Die 41-jährige Zeitungsausträgerin wird in den Zeugenstand gebeten. Sie schildert den Vorfall. Aufgrund der Kürze der Begegnung sind ihr keine besonderen Merkmale an dem Mann aufgefallen. Das Gesicht des Herrn war durch eine Mund-Nasen-Bedeckung verhüllt. Schon einmal zuvor, im Mai letzten Jahres, sei ihr ein solche unangenehme Begegnung widerfahren, sagt die Frau. Die Zeugin vermutet, dass es sich um dieselbe Person handelt. Als der Richter sie auffordert, sich den Angeklagten genau anzuschauen und zu sagen, ob dieser es gewesen sei, kann sie ihn nicht eindeutig identifizieren.

Angeklagter war wegen exhibitionistischer Handlungen schon aktenkundig.
Eine Kriminalpolizistin ist die zweite Zeugin. Sie soll erklären, wie man auf den Angeklagten gekommen ist. Die Zeitungsausträgerin berichtete der Beamtin, dass sie den Exhibitionisten bei anderer Gelegenheit vor einem Haus gesehen haben will. Die Polizei informiert sich daraufhin über alle Hausbewohner. Der Angeklagte ist darunter. Und er ist bereits wegen sexuellen Missbrauchs und exhibitionistischer Handlung aktenkundig geworden.

Auch den Tathergang rekonstruieren die Ermittler genau. Wohnort und Weg zur S-Bahnstation sowie die zeitlichen Angaben von Opfer und Angeklagten (über sein Eintreffen am Arbeitsplatz) machen es für die Polizei wahrscheinlich, dass der 39-Jährige der Täter ist. Dazu kommt, dass der Angeklagte im Jahr 2001 wegen sieben gleichartiger Fälle bereits verurteilt wurde.

Zu seiner Person befragt, bestätigt der Angeklagte das, was er sich 2001 zuschulden kommen ließ. Im Gegensatz zu damals sei er nun vom Alkohol los. Zudem habe er wegen seiner Neigungen eine einjährige Psychotherapie gemacht. Letztere sei notwendig gewesen, da er als Kind missbraucht worden sei. Und schließlich sei er verheiratet und habe eine Tochter. Die Staatsanwältin bleibt in ihrem Plädoyer dabei. Die Anklageschrift habe sich für sie bestätigt. Das Alter des Angeklagten passt zu den Aussagen der Zeugin. Ferner würden die Ermittlungen der Kriminalpolizei auf ihn hindeuten. Sie fordert fünf Monate auf Bewährung sowie eine Geldstrafe von 800 Euro.

Nach dem Schlusswort des Angeklagten lässt sich der Richter Zeit. Eifrig notiert er etwas. Dann das Urteil. Der Angeklagte wird freigesprochen. Die Urteilsbegründung beginnt der Richter damit, dass freilich ein „G’schmäckle“ bleibe. Vieles würde auf den Angeklagten hindeuten. Aber die Zeitungsausträgerin konnte den Angeklagten nicht identifizieren. Restzweifel blieben. So gäbe es keine Grundlage für eine Verurteilung des Angeklagten.

Eilig verlässt der Freigesprochene, der der Verhandlung etwas genervt und ungeduldig gefolgt war, den Gerichtssaal.

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Erstellt:
19. Januar 2021, 11:30 Uhr

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