Tatendrang und absolute Ahnungslosigkeit

BKZ an Bord (4) Noch etwas mehr als einen Monat dauert es bis zur Murr-Regatta. Höchste Zeit für die Redaktion, sich konkrete Gedanken über das eigene Boot zu machen. Bei einem ersten Treffen sichten die Murrmatrosinnen und -matrosen ihr Material und erstellen einen Plan.

Wie passt was zusammen? Reicht der Auftrieb aus? Lorena Greppo, Melanie Maier, Kai Wieland und Kristin Doberer (von links) probieren verschiedene Varianten für das Redaktionsboot aus. Fotos: Alexander Becher

© Alexander Becher

Wie passt was zusammen? Reicht der Auftrieb aus? Lorena Greppo, Melanie Maier, Kai Wieland und Kristin Doberer (von links) probieren verschiedene Varianten für das Redaktionsboot aus. Fotos: Alexander Becher

Von Melanie Maier

Backnang. Auf der Habenseite stehen: ein Surfbrett, zwei Traktorenschläuche, vier Fußbodenleisten, vier Kanister, eine alte Regentonne, ein umgebauter Autositz und beliebig viele Europaletten. Auf der Sollseite: technisches und nautisches Wissen. Als „Mischung aus Tatendrang und absoluter Ahnungslosigkeit“ beschreibt Redakteurin Kristin Doberer den naiven Idealismus, mit dem sich das Team Bootsbau der Redaktion an die Arbeit macht. In einer Mittagspause trifft sie sich mit ihren beiden Kolleginnen Lorena Greppo und Melanie Maier und ihrem Kollegen Kai Wieland im technischen Betrieb der BKZ im Backnanger Industriegebiet Kuchengrund. In etwa fünf Wochen findet die Murr-Regatta statt – höchste Zeit, sich konkrete Gedanken über das Boot zu machen, mit dem die Redaktion daran teilnehmen möchte.

Als Erstes wird das Material gesichtet. Einige BKZ-Leserinnen und -Leser sind dem Aufruf in der Zeitung gefolgt: Das Surfbrett stammt von einer Leserin, die es mit ihrem verstorbenen Mann früher oft in Italien, auf dem Gardasee, zum Windsurfen genutzt hat. Auch die Regentonne hat eine Leserin beigesteuert. Den umgebauten Sitz hat der Leiter des technischen Betriebs, Daniel Barth, mitgebracht. Europaletten sind in der Druckerei ohnehin in großer Anzahl vorhanden, auch die leeren Kanister kommen von dort. Darin war vorher eine Auswaschgummierungslösung enthalten – eine Flüssigkeit, mit der die empfindlichen Druckplatten geschützt werden.

Schnell wird klar, dass eigentlich keine der beteiligten Personen Kenntnisse hat, die für den Bootsbau sinnvoll (und nötig) wären. Stattdessen kommen viele Fragen auf. Kann man das für den Transporter zu lange Surfbrett kürzen oder läuft es dann mit Wasser voll? Ist die Regentonne dicht? Und wie viel Auftrieb hat eigentlich ein Traktorenschlauch? „Wir sind früher damit baden gegangen. Wenn mehr als zwei Leute drauf waren, sind wir untergegangen“, sagt Kristin Doberer. Ein erster Anhaltspunkt. Das „Bootsbaubüchle“ von Autor und Murr-Regatta-Veteran Sven Richter liegt in dem Moment, in dem es gebraucht wird, selbstverständlich auf dem Schreibtisch in der Redaktion, vier Kilometer entfernt.

Da die theoretischen Vorüberlegungen nicht groß weiterhelfen, geht die Gruppe zum Ausprobieren über. Lorena Greppo legt versuchshalber die Regentonne in die Mitte, davor und dahinter jeweils einen noch luftleeren Traktorenschlauch, an die Seite je zwei Kanister. Sieht nicht schlecht aus. Doch wie viele Seemänner und -frauen hält die Konstruktion aus? Und wie stabil ist das Ganze? „Das Fass könnt ihr schieben, das sitzt gleich auf Grund auf“, kommentiert Fotograf Alexander Becher.

Seine Worte dämpfen den anfänglichen Enthusiasmus. Aber nur ein bisschen. „Wir haben ja noch Zeit. Vielleicht werden noch ein paar Kanister frei – die können wir dann mittig befestigen“, schlägt Lorena Greppo vor. Die Regentonne muss also weichen. Dafür legen Kristin Doberer und Kai Wieland zwei Europaletten auf die beiden Schläuche. Aber halten die zusammen, wenn das Boot die Murrwehre hinunterflutscht? Ideen, wie das Ganze befestigt werden könnte, kommen sofort auf: Seile, Nägel, Schrauben, Bretter. „Ich hab in den ganzen Jahren schon viel gesehen – alles, was bockelhart ist, bricht“, warnt Alexander Becher. „Möchtest du nicht mit ins Team?“, will Kristin Doberer wissen. Die Frage ist ernst gemeint. Aber der Fotograf lässt sich nicht überreden: „Dass ihr keinen Plan habt, ist ja das Schöne an der Geschichte.“ So kann man es auch sehen. „Ich mach die Fotos, wenn ihr kentert“, sagt er und grinst. „Das ist okay, dann wird es immerhin ein lustiger Artikel“, erwidert Lorena Greppo.

Kristin Doberer schlägt vor, die Paletten mit Scharnieren zu verbinden, „ich kann nächstes Mal welche mitbringen“. Dass sie auf einem Bauernhof aufgewachsen ist, zahlt sich jetzt aus: Nicht nur ausgediente Schläuche und Scharniere, sondern auch Kälberstricke, die zu Griffen umfunktioniert werden können, Schrauben, Nägel und Spanngurte hat sie daheim vorrätig.

Bevor der Bauplan konkreter wird, muss allerdings noch etwas getestet werden: Ob die zwei Schläuche dicht sind. Gulam Faruk, Teamleiter der Betriebstechnik, versucht sie mit dem Druckluftventil aufzupumpen, mit dem normalerweise Geräte sauber gemacht werden. „Ein Fahrrad haben wir hier schon mal aufgepumpt“, sagt er. Beruhigend. Mit einem leisen „Pfffft“ füllt sich der erste Schlauch ganz langsam. Doch plötzlich tritt Wasser aus. Eine Pfütze bildet sich unter dem schwarzen Gummi. Gulam Faruk holt Lappen zum Aufwischen, Kristin Doberer sucht nach der undichten Stelle. „Oh nein, ich glaube, den können wir nicht nehmen. Das Loch ist zu groß“, sagt sie und deutet auf einen drei Finger breiten Riss. „Das kann ich wahrscheinlich nicht flicken.“

Immerhin: Der zweite Schlauch ist dicht. Die Luft scheint auch nicht zu entweichen. Der eben ausgeheckte Plan – zwei Reifen hintereinander, zwei Paletten darüber, die Kanister seitlich – ist damit allerdings vom Tisch. Und jetzt? „Wir können auch einfach die Regentonne in den Reifen stellen“, schlägt Lorena Greppo vor und schreitet umgehend zur Tat. Ihre Teammitglieder kann sie mit der neuen Konstruktion jedoch nicht überzeugen. „Das sieht mir ehrlich gesagt nicht vertrauenswürdig aus“, sagt Melanie Maier. „Mir fehlt auch die Fantasie, wie wir das Fass integrieren könnten“, sagt Kai Wieland. Alexander Becher versetzt der Tonne den metaphorischen Todesstoß: „Überlegt euch das gut. Die Murr ist flach. Ihr werdet das Boot ziehen und tragen. Letztes Mal lag ein Baumstamm im Fluss und alle mussten irgendwie darum herumkommen. Mit dem Ding geht das nicht so einfach.“ Das Thema hat sich erledigt.

Zurück zu dem Plan mit den Reifen also. Oder doch einfach den Autositz auf das Surfbrett stellen? Zu simpel, findet Team Bootsbau. Eine kleine Herausforderung sollte die Teilnahme an der Murr-Regatta schon darstellen, da sind sich alle einig. Aber bevor weitere Überlegungen angestellt werden können, zeigt ein Blick auf die Uhr, dass die Mittagspause fast vorbei ist. „Jetzt kommen wir nicht weiter“, stellt Lorena Greppo fest. Die Aufgaben, die bis zum nächsten Treffen erledigt sein müssen, werden rasch verteilt: Kristin Doberer bringt Utensilien mit und versucht, den zweiten Schlauch zu flicken, Lorena Greppo schaut sich sicherheitshalber nach einem Ersatzschlauch um. „Nächste Woche müssen wir uns aber wirklich entscheiden“, schließt sie. „Übernächste Woche geht’s los mit Bauen.“

Ist die Regentonne dicht? Und wie viel Auftrieb hat eigentlich ein Traktorenschlauch? Mit einem leisen „Pfffft“ füllt sich der erste Schlauch ganz langsam. Doch plötzlich tritt Wasser aus.

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Erstellt:
5. Juni 2023, 11:30 Uhr

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