Neuer Luxus-SUV
Technisch brillant, strategisch riskant? Cayenne Electric zeigt Porsche-Dilemma
Vor 20 Jahren war der Cayenne als erstes SUV von Porsche ein Wendepunkt für den Sportwagenhersteller. Jetzt soll die elektrische Version durch die Krise führen.

© Porsche AG
Porsche zeigt in Leipzig, was der neue elektrische Cayenne auf der Rennstrecke drauf hat.
Von Veronika Kanzler
Noch trägt er Tarnfolie – doch seine Mission ist klar: Der neue Cayenne Electric soll Porsche aus der Absatzkrise fahren. In Leipzig zeigt der Sportwagenbauer, was sein elektrisches Flaggschiff kann. Supersportwagen-Tempo, kabelloses Laden, KI-Sprachsteuerung – der Cayenne Electric ist ein Hoffnungsträger.
Und er kommt zu einem Zeitpunkt, an dem das Unternehmen wirtschaftlich unter Druck steht: Die Absätze sinken deutlich, die Transformation zur Elektromobilität verläuft schleppend, und zuletzt kündigte Porsche an, wieder verstärkt auf Verbrenner setzen zu wollen. Umso wichtiger ist es, dass der Cayenne Electric im Gespräch bleibt – und das gelingt: Häppchenweise enthüllt Porsche neue Details, inszeniert das Modell als technologischen Meilenstein. Für die Marketingabteilung kommt diese Dauerpräsenz mutmaßlich zur rechten Zeit.
Die Einblicke in den elektrischen Cayenne gibt es in Leipzig – dort, wo Porsche seit über 20 Jahren das SUV produziert. Mit dem ersten Cayenne brachte der Sportwagenhersteller 2002 nicht nur ein neues Modell auf den Markt, sondern vollzog eine strategische Zäsur: Er verabschiedete sich vom reinen Sportwagenimage und öffnete sich dem SUV-Segment. Eine Entscheidung, die sich ausgezahlt hat.
Porsche Cayenne ist das meistverkaufteste Modell
Heute sind SUVs die meistverkauften Fahrzeuge bei Porsche – und der Cayenne ist das erfolgreichste Modell der Marke. Zwar wird er mittlerweile im Werk Bratislava gefertigt, dem ersten Porsche-Produktionsstandort außerhalb Deutschlands, doch für die Präsentation kehrt das Modell symbolisch an seinen ursprünglichen Produktionsort zurück.
„Es handelt sich beim elektrischen Cayenne nicht um ein Produktupdate, sondern um ein ganz neues Kapitel“, sagt Matthias Lederer, Leiter Verifikation und Validierung bei Porsche. Zahlreiche Ingenieure und Designer, größtenteils aus Weissach und Zuffenhausen sind in Leipzig vor Ort, um das neue Modell zu präsentieren. Und das lohnt sich: Der Cayenne Electric bringt eine Fülle an Neuerungen mit, die ihn deutlich vom bisherigen Modell abheben.
Die wichtigsten Neuerungen des Porsche Cayenne Electric im Überblick
- Sprintstärke: Bis zu 1000 PS, von 0 auf 100 km/h in unter drei Sekunden
- Reichweite: Über 600 Kilometer mit einer neu entwickelten Hochvolt-Batterie (113 kWh brutto)
- Schnellladen: In 16 Minuten von 10 auf 80 Prozent Ladezustand
- Induktives Laden: Kabellos über eine Bodenplatte mit bis zu 11 kW
- Rekuperation: Bis zu 600 kW können über das Bremspedal zurückgewonnen werden
- „Mood Modes“: Licht, Musik, Klima und Sitzposition passen sich der Stimmung an
- KI-Sprachsteuerung: Der neue „Voice Pilot“ versteht komplexe Fragen
- Digitaler Schlüssel: Bis zu sieben Personen können einen digitalen Schlüssel auf dem Handy haben
- Entertainment: Streaming, Gaming und Apps auch während der Fahrt
Porsche verspricht für den Cayenne Electric Sportwagen-Performance, Alltagstauglichkeit, Langstreckenkomfort und Offroad-Qualitäten. Zwei dieser Eigenschaften waren in Leipzig erlebbar – als Beifahrer auf der hauseigenen Rundstrecke und im Gelände. Alltagsszenarien waren das nicht, aber eindrucksvolle Demonstrationen dessen, was das Fahrzeug kann.
In seiner Spitzenversion beschleunigt der Cayenne Electric in weniger als drei Sekunden von null auf hundert und erreicht die 200-km/h-Marke nach weniger als acht Sekunden. Die rasante Ausfahrt fühlt sich in diesem Koloss an wie in einem Sportwagen.
Schnelle Kurven, starkes Bremsen: Der Porsche Cayenne Electric bleibt stabil
Der Cayenne Electric ist das erste SUV von Porsche, das mit dem neuen Fahrwerk Porsche Active Ride ausgestattet ist. Es sorgt dafür, dass das Fahrzeug auch bei starkem Bremsen, schnellen Kurven oder auf unebenem Untergrund stabil bleibt. Die Karosserie hält sich dabei stets horizontal, Stöße werden nahezu vollständig ausgeglichen – für eine ruhige Fahrt, selbst in dynamischen Situationen.
Im Gelände zeigt sich der Cayenne Electric von einer völlig anderen Seite. Steigungen von bis zu 40 Grad über grobes Gestein meistert das SUV mühelos. Die serienmäßige adaptive Luftfederung mit elektronischer Dämpferregelung erlaubt verschiedene Fahrhöhen und Offroad-Programme. Selbst wenn ein Rad in der Luft steht, ist das nicht spürbar – der Cayenne fährt gelassen darüber hinweg.
Wie alltagstauglich der Cayenne Electric wirklich ist, lässt sich nach der Mitfahrt auf Rennstrecke und Geröllpiste noch nicht sagen. Doch im Innenraum zeigt sich bereits, wie durchdacht Porsche das Fahrzeug konzipiert hat. Die Designer haben sich einiges einfallen lassen: Das sogenannte „Ferry Pad“ stützt die Hand beim Bedienen der Tasten – und davon gibt es erfreulicherweise noch einige. Klima und Lautstärke lassen sich weiterhin haptisch regeln, nur die Sitzheizung wandert auf den Screen. Optional befindet sich vor dem Beifahrer ein eigener Bildschirm – ein Feature, das vor allem in asiatischen Märkten gefragt ist.
Elektrischer Cayenne soll ähnlich viel kosten wie Verbrenner
Porsche spricht beim Laden des Cayenne Electric von neuen Maßstäben: An geeigneten Schnellladesäulen soll das SUV mit bis zu 400 kW Gleichstrom laden können. In zehn Minuten lassen sich so über 300 Kilometer Reichweite nachladen. Optional unterstützt der Cayenne auch induktives Laden mit bis zu 11 Kilowatt – über eine Bodenplatte, ganz ohne Kabel. Damit ließe sich das Fahrzeug über Nacht in rund elf Stunden vollständig aufladen.
Beim Preis verspricht Porsche, sich an den bisherigen Cayenne-Modellen zu orientieren. Die Basisversion liegt aktuell bei rund 100.000 Euro, voll ausgestattet sind auch 200.000 Euro möglich. Bemerkenswert angesichts der zahlreichen Neuerungen – und der Tatsache, dass die Rendite bei E-Modellen laut Porsche-Chef Oliver Blume „noch weit unterhalb“ der Verbrenner liegt.
Der Cayenne Electric soll im ersten Halbjahr 2026 auf den Markt kommen – und Porsche gibt sich nach außen überzeugt, dass das neue Modell bei den Kunden gut ankommen wird. Doch Vorstandschef Oliver Blume hat mehrfach betont, dass das bisherige Geschäftsmodell nicht mehr funktioniert. Der elektrische Cayenne steht dabei mitten im Spannungsfeld: Zwei der drei zentralen Problemfelder, die Blume identifiziert hat, betreffen ihn direkt – die schleppende Transformation zur Elektromobilität und der Einbruch des Luxusmarkts in China. Hinzu kommen Belastungen durch Zölle und Währungseffekte in den USA.
Die eigentlich Herausforderung des Porsche E-Cayenne
Da das Unternehmen wohl selbst nicht an eine schnelle Besserung der wirtschaftlichen Lage glaubt, reagierte es jüngst mit einem Strategiewechsel: Anders als geplant, soll etwa der bisherige Cayenne auch weiterhin angeboten werden. Zudem soll das neue Modell K1 – ein XXL-SUV oberhalb des Cayenne – als Verbrenner und als Plug-in-Hybrid entwickelt werden, statt wie ursprünglich geplant als reines E-Fahrzeug.
Der Cayenne war für Porsche schon einmal ein Wendepunkt. Jetzt muss er sich erneut bewähren – unter deutlich schwierigeren Bedingungen. Im kommenden Jahr zeigt sich, ob sich ein elektrisches Luxus-SUV wie der Cayenne Electric in einem Markt behaupten kann, der von schleppender E-Mobilität und einem eingebrochenen Premiumsegment geprägt ist. Das Auto überzeugt sowohl bei den technischen Daten als auch im Design. Ob er sich auch verkaufen lässt, ist die eigentliche Bewährungsprobe.