Tempo 30 auf der Bundesstraße?

Lärmaktionsplan für Oppenweiler – Änderung in der Rechtsprechung macht bisher Unübliches unter Umständen möglich

Es sind täglich nahezu 20000 Fahrzeuge, die durch Oppenweiler fahren. Und dabei nicht wenig Verkehrslärm erzeugen. Aus diesem Grund hat der Gemeinderat Oppenweiler die Aufstellung eines Lärmaktionsplans beschlossen. Nun hatten auch die Bürger das Wort.

Die vielen Autos und Lastwagen, die täglich auf der B14 durch Oppenweiler fahren, verursachen beträchtlichen Lärm. Archivfoto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Die vielen Autos und Lastwagen, die täglich auf der B 14 durch Oppenweiler fahren, verursachen beträchtlichen Lärm. Archivfoto: A. Becher

Von Hans-Christoph Werner

OPPENWEILER. In einem Einwohner-Forum sollte, so Bürgermeister Bernhard Bühler, die Öffentlichkeit beteiligt beziehungsweise deren Meinung zum Lärmaktionsplan eingeholt werden. Und so kam es zu der Veranstaltung in der Julius-Zehender-Halle, der Einladung waren 20 Personen gefolgt. Überwiegend, wie sich herausstellen sollte, direkt Betroffene. Gleich bei seiner Begrüßung hielt Bürgermeister Bühler mit seiner Enttäuschung nicht zurück. „Ich hätte mehr Zuspruch erwartet“, sagte der Rathauschef. Als einen Glücksfall bezeichnete er es, dass ein Bürger des Orts, Gert Braunstein, zugleich Experte auf dem Gebiet des Lärmschutzes sei. Dieser werde den Sachverhalt, um den es gehe, nochmals eingehend darlegen.

Schon mehrfach, so führte der Fachmann aus, habe man sich in Oppenweiler des Lärmschutzes angenommen. Leider ohne greifbare Ergebnisse. Als man im Jahr 2009 eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Kilometer überlegt hatte, habe es geheißen: undenkbar. Noch dazu auf einer Bundesstraße. Das habe sich aber durch höchstrichterlichen Urteilsspruch geändert.

Den Bodenseegemeinden Uhldingen-Mühlhofen war verweigert worden, die Geschwindigkeit auf der Ortsdurchfahrt in den Nachtstunden auf 30 Kilometer zu begrenzen. Die zuständige Straßenverkehrsbehörde, das Landratsamt Bodenseekreis, hatte sich stur gestellt. Die Bodenseegemeinden hatten dagegen geklagt. Und bekamen recht. „Die Gemeinde könne vom Land die Umsetzung der festgelegten Lärmminderungsmaßnahme einfordern“, heißt es in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Mannheim. Die zuständige Verkehrsbehörde könne „nicht das Planungsermessen der Gemeinde durch ihr eigenes ersetzen“. Sätze, die man in Oppenweiler sicherlich mit höchster Genugtuung gelesen hat.

Um von Behörden ernst genommen zu werden, muss man freilich mit Fakten aufwarten. Und das tat Gert Braunstein reichlich. Seine Ausführungen unterstützte er mit einer umfangreichen Powerpoint-Präsentation. Darin auch Karten der Ortsdurchfahrt. In Rot gehalten wie eine Ader zieht sich darin die Bundesstraße durch Oppenweiler. Und franst an verschiedenen Stellen aus. Das bedeutet: Der Verkehrslärm breitet sich zur Rechten und Linken der Straße aus. Stehen die Häuser dicht an der Straße und dicht nebeneinander, konzentriert sich der Lärm. 60 bis 75 Dezibel werden erreicht. Damit steht die Ortsdurchfahrt in nichts dem berühmt-berüchtigten Neckartor in Stuttgart nach. Solcher Lärm sei auf Dauer, so führte der Oppenweiler Bürger aus, gesundheitlich bedenklich. Schlafstörungen, Bluthochdruck, selbst das Herzinfarktrisiko wie auch psychische Erkrankungen könnten damit ausgelöst werden. Was sei zu tun? Der Bau einer Umgehungsstraße?

Süffisant bemerkten einige der Anwesenden, dass dies schon seit Jahrzehnten versprochen werde. Bürgermeister Bühler berichtete, dass er hierzu im Regierungspräsidium, im Gegensatz zu früher, durchaus Gehör finde. „Man könne sich gewisse Hoffnungen machen.“ Aber die Voruntersuchungen, die nun einmal sein müssten, seien zeitintensiv. Bei gutem Verlauf könnte frühestens in sechs Jahren mit einem Planfeststellungsverfahren gerechnet werden.

Auch Flüsterasphalt

ist in der Diskussion

Andere Zuhörer fragten nach Lärmschutzfenstern. Das könne man, so der Rathauschef, durchaus in das Lärmschutzprogramm aufnehmen. Allerdings müsste da erst erhoben werden, welche Fenster denn gegenwärtig eingebaut seien. Und auch bei einer Fenstererneuerung könnten Anwohner nur mit einem Zuschuss von 30 bis 40 Prozent rechnen.

Auch sogenannter Flüsterasphalt werde überlegt. Das brachte anwesende Anwohner darauf, die Schachtdeckel in der Ortsdurchfahrt anzusprechen. Diese tragen besonders nachts zusätzlich zum Lärm bei. Hier verwies Bürgermeister Bühler darauf, dass bedingt durch das andere Material, dieser Lärmfaktor nur schlecht in den Griff zu kriegen sei.

Kurz erwähnt wurde auch die Optimierung des Busverkehrs, der Ausbau der Murrbahn oder die Fahrradmitnahme im Bus. Alles Maßnahmen, um die Zahl der Privat-Pkw auf der Ortsdurchfahrt zu verringern. Auch die Ampelschaltung der Fußgängerampeln müsste mit der Ampel am Ortseingang von Strümpfelbach her optimiert werden, sodass Brems- und Anfahrgeräusche minimiert würden.

Bleibt vielleicht als am schnellsten umzusetzende Maßnahme die Geschwindigkeitsbeschränkung auf 30 Stundenkilometer. Und nicht bloß in den Nachtstunden, sondern als Dauereinrichtung. Die dadurch bedingte Gleichmäßigkeit des Verkehrs, so Gert Braunstein, würde Zeitverluste sogar aufwiegen. Allen Beteiligten war freilich klar, dass eine Geschwindigkeitsbeschränkung, soll sie denn ernst genommen werden, überwacht werden müsse. Es sei nun mal, so Bühler, „deutsche Mentalität, schnell zu fahren“. Bußgelder würden da auch nicht abschrecken. Denn nirgends in Europa seien Geschwindigkeitsüberschreitungen so billig wie in Deutschland.

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Vielleicht bringt die Beschränkung auf Tempo 30 für Oppenweiler die Wende. Den Lärmgeplagten zu wünschen wäre es.

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Erstellt:
28. November 2018, 06:00 Uhr

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