Teststrecken für mehr Sicherheit im Sattel

Schutzstreifen am Fahrbahnrand können dazu beitragen, dass Radfahrer sich sicherer fühlen. Bislang gibt es sie allerdings nur innerhalb geschlossener Ortschaften. In einem Modellprojekt testet das Land sie nun auch außerorts, unter anderem in Backnang.

Wer von Sachsenweiler mit dem Fahrrad ins Murrtal fährt, kann seit einigen Wochen den neuen Radschutzstreifen nutzen. Bislang gab es solche abgetrennten Spuren nur innerhalb geschlossener Ortschaften.Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Wer von Sachsenweiler mit dem Fahrrad ins Murrtal fährt, kann seit einigen Wochen den neuen Radschutzstreifen nutzen. Bislang gab es solche abgetrennten Spuren nur innerhalb geschlossener Ortschaften.Foto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Dass es wünschenswert wäre, wenn mehr Menschen auch im Alltag mit dem Fahrrad unterwegs wären, ist unstrittig. Auch die Stadt Backnang hat sich dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben, doch noch hapert es an der Infrastruktur. Der Wunsch nach mehr Radwegen lässt sich aber nicht überall erfüllen. Das liegt oft gar nicht am fehlenden Willen, sondern am Platz: Ein Radweg sollte mindestens zwei Meter breit sein. Beidseitig wären es also vier Meter, und dazwischen muss laut Straßenverkehrsordnung noch mindestens 4,50 Meter Platz bleiben, damit zwei Autos problemlos aneinander vorbei kommen.

„Unsere Standardstraßen sind aber nur 6,50 Meter breit, bei älteren sind es sogar nur fünf Meter oder noch weniger“, erklärt Tobias Großmann, Leiter des Backnanger Stadtplanungsamtes. „Da ist es schwierig, Radfahrer sicher zu integrieren.“ Eine Möglichkeit sind Schutzstreifen: Sie sind schmaler als ein Radweg oder Radfahrstreifen und nur durch eine gestrichelte Linie von der Fahrbahn abgetrennt. Diese darf von Autofahrern überfahren werden, so lange sie dabei keine Radfahrer gefährden.

Solche Schutzstreifen gibt es in vielen Städten, auch in Backnang. Bis jetzt aber nur im Stadtgebiet, denn außerhalb geschlossener Ortschaften sieht die deutsche Straßenverkehrsordnung die Radfahrspuren bis jetzt nicht vor – anders als etwa in den Niederlanden, wo es sie auch an vielen Landstraßen gibt.

Mittelstreifen entfernt, Rücksichtnahme gefordert

Geht es nach Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne), soll es bald auch in Baden-Württemberg außerorts Schutzstreifen geben. Bevor sie im ganzen Land eingeführt werden, hat sein Ministerium nun aber erst einmal einen Modellversuch mit 45 Teststrecken gestartet (siehe Infobox). Zwei davon befinden sich auf Backnanger Gemarkung: Die eine im Roßlauf zwischen Sachsenweiler und Spinnerei, die andere in der Schöntaler Straße.

An der Straße nach Sachsenweiler gibt es bereits auf einer Seite einen kombinierten Geh- und Radweg, bergab seien aber schon immer viele Radfahrer auf der Straße gefahren, weiß der städtische Fahrradbeauftragte Volker Knödler. Mit dem neuen, 1,60 Meter breiten Schutzstreifen ist das nun nicht nur legal, sondern auch sicherer geworden. Auch auf der Straße in die Schöntale reicht der Platz nur für einen Schutzstreifen. In der Gegenrichtung wurden aber Fahrrad-Piktogramme am Fahrbahnrand markiert: „Das signalisiert den Fahrradfahrern, dass sie dort fahren dürfen und den Autofahrern, dass sie mit Radverkehr rechnen müssen“, erklärt Knödler.

Die Straßenbreite bleibt weiterhin ein Problem: Denn auch bei Straßen mit Schutzstreifen müssen bis jetzt mindestens 4,50 Meter für den motorisierten Verkehr frei bleiben. Im Rahmen des Modellversuchs soll nun auch geklärt werden, ob nicht 4,10 Meter genügen. „Die Straßenverkehrsordnung war bisher sehr auf Autofahrer ausgerichtet“, findet Tobias Großmann. Heute setzen Verkehrsplaner verstärkt auf gegenseitige Rücksichtnahme. Deshalb wurden auf den Teststrecken auch die Mittelstreifen entfernt. Ein Hinweis an die Autofahrer, dass sie beim Überholen von Radfahrern die gesamte Fahrbahnbreite nutzen können, solange kein Gegenverkehr kommt.

Der Modellversuch ist auf zwei Jahre angelegt. In dieser Zeit wird der Verkehr auf den Teststrecken stichprobenartig mit Videokameras und Radargeräten analysiert und mit Daten von vor der Umstellung verglichen. In Backnang sind diese Erhebungen nächste Woche im Roßlauf und Ende September in der Schöntaler Straße geplant.

Alle Daten würden anonymisiert erfasst und verarbeitet, betont Volker Knödler. Es gehe nicht darum, Verkehrssünder zu ertappen, sondern zu überprüfen, ob das Ziel, die Sicherheit für Radfahrer zu verbessern, erreicht wurde. Auch die Unfallzahlen innerhalb der zwei Jahre fließen in diese Bewertung mit ein. Sollten sich die Erwartungen erfüllen, hofft man bei der Stadt, dass die Schutzstreifen auf den zwei Strecken dauerhaft bleiben und vielleicht noch weitere in Backnang markiert werden können. Knödler denkt da zum Beispiel an die Strecke zum Ungeheuerhof oder an die Straße zwischen Strümpfelbach und Großaspach. Die ersten Eindrücke, die der Fahrradbeauftragte vor Ort gewonnen hat, stimmen ihn optimistisch: „Natürlich ist das Gewöhnungssache, aber das wird sich einüben“, ist er überzeugt. Studien hätten gezeigt, dass an Straßen mit Schutzstreifen nicht nur die gefahrenen Geschwindigkeiten, sondern auch die Unfallzahlen spürbar sinken.

Modellprojekt Schutzstreifen

Das Modellprojekt Schutzstreifen wurde vom Verkehrsministerium und der Arbeitsgemeinschaft fahrrad- und fußgängerfreundlicher Kommunen initiiert. Es läuft vom 1. Januar 2020 bis zum 31. Dezember 2021.

Ziel des Projektes ist es herauszufinden, ob Schutzstreifen auch außerorts sowie auf schmalen Straßen innerorts die Sicherheit von Radfahrern verbessern.

Als Pilotstrecken wurden 45 Straßenabschnitte in ganz Baden-Württemberg ausgewählt. 25 davon befinden sich außerorts,
20 innerorts, jedoch an einer Straße, bei der die verbleibende Breite für den motorisierten Verkehr unter 4,50 Meter liegt.

Als Teststrecken wurden Abschnitte ausgewählt, die sich im Verkehrsaufkommen und vom Streckenprofil unterscheiden. Es werden auch verschiedene Arten der Markierung getestet, zum Beispiel Schutzstreifen, die rot unterlegt sind.

Schutzstreifen haben das Ziel, Radfahrer für motorisierte Verkehrsteilnehmer sichtbarer zu machen und die Fahrbahnbreite optisch zu verengen. Im Gegensatz zum Bau von Radwegen ist die Markierung von Schutzstreifen relativ rasch umsetzbar sowie deutlich kostengünstiger.

Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.fahrradland-bw.de

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Erstellt:
14. Juli 2020, 06:00 Uhr

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