EU droht Lukaschenko mit Sanktionen

dpa Minsk/Brüssel. Ein Jahr nach der umstrittenen Präsidentenwahl in Belarus sitzt Machthaber Lukaschenko weiter fest im Sattel. Seine Gegnerin Tichanowskaja sieht ihre Landsleute in Gefahr.

Swetlana Tichanowskaja, Oppositionsführerin aus Belarus, nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Johnson in London. Foto: Alastair Grant/AP/dpa

Swetlana Tichanowskaja, Oppositionsführerin aus Belarus, nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister Johnson in London. Foto: Alastair Grant/AP/dpa

Die Europäische Union hat dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zum Jahrestag der mutmaßlich gefälschten Präsidentenwahl zusätzliche Sanktionen angedroht.

„Die EU ist bereit, angesichts der eklatanten Missachtung internationaler Verpflichtungen durch das Regime weitere Maßnahmen in Erwägung zu ziehen“, erklärte ihr Außenbeauftragter Josep Borrell am Sonntag im Namen der 27 Mitgliedsländer. Mit dem Ausnutzen von Migranten für politische Zwecke stelle Belarus weitere internationale Normen infrage.

Borrell spielte damit darauf an, dass an der Grenze des EU-Mitglieds Litauens zu Belarus (ehemals: Weißrussland) allein im Juli mehr als 2000 illegale Grenzübertritte registriert wurden. Aus EU-Sicht wird dies gezielt von der Regierung in Minsk betrieben. Lukaschenko hatte offen damit gedroht, als Reaktion auf die EU-Sanktionen Menschen aus Ländern wie dem Irak, Afghanistan oder Syrien passieren zu lassen.

„Im Moment kann sich niemand sicher fühlen“

Lukaschenkos Gegenspielerin Swetlana Tichanowskaja, die den Sieg der Wahl vom 9. August 2020 für sich beansprucht, fordert weiter mehr Druck auf den Machtapparat in Minsk. „Im Moment kann sich niemand sicher fühlen, auch ich nicht“, sagte die 38-Jährige, die jetzt im Exil lebt, der Deutschen Presse-Agentur. Die Bürgerrechtlerin verwies auf den Fall des Exil-Belarussen Witali Schischow, der kürzlich in der Ukraine tot aufgefunden wurde.

Auch der Fall der belarussischen Olympia-Sportlerin Kristina Timanowskaja habe gezeigt, dass jeder Lukaschenkos „Repressionsapparat“ zum Opfer fallen könne. „Jede falsche Bewegung oder offene Äußerung - auch wenn sie nicht politisch ist - kann zu einer Festnahme und Gefängnisstrafe führen.“ Die Leichtathletin, die eigener Darstellung zufolge wegen Kritik an belarussischen Sportfunktionären von den Olympischen Spielen in Tokio entführt werden sollte, war nach Polen geflohen.

EU fordert Freilassung politisch Gefangener

Der 66 Jahre alte Lukaschenko, der seit mehr als einem Vierteljahrhundert an der Macht ist, hatte sich mit 80,1 Prozent der Stimmen vor einem Jahr im Amt bestätigen lassen. Monatelange friedliche Massenproteste nach der Wahl ließ er teils brutal niederschlagen. Die EU erkennt ihn nicht mehr als Präsidenten an. Bei den Demonstrationen gab es mehrere Tote, Hunderte Verletzte und Tausende Festnahmen. Wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der demokratischen Opposition verhängten die EU und die USA in den vergangenen Monaten bereits mehrfach Sanktionen.

Die EU forderte am Sonntag auch die Freilassung von mehr als 600 politischen Gefangenen sowie freie und faire Wahlen. Die Forderungen des Westens prallen aber ab. Minsk hatte auch mit Gegensanktionen reagiert und etwa einen Verzicht auf westliche Waren angekündigt.

Staatsmedien feiern Sieg der Unabhängigkeit

Der von Russland und auch persönlich von Kremlchef Wladimir Putin unterstützte Lukaschenko betont immer wieder, die Revolution in seinem Land erfolgreich niedergeschlagen zu haben. Die Staatsmedien feierten den Jahrestag als neuen Sieg der Unabhängigkeit. Lukaschenko behauptet, die Revolution sei vom Westen angezettelt worden.

Tichanowskaja wies das mehrfach zurück. Sie kämpft nun aus Litauen für die Demokratiebewegung. Bei einer USA-Reise wurde sie kürzlich von Präsident Joe Biden empfangen. Solche Treffen seien sehr wichtig, damit die Ex-Sowjetrepublik nicht von der Tagesordnung verschwinde und verloren gegangene diplomatische Beziehungen wieder aufgebaut würden.

Tichanowskaja unterstrich einmal mehr die Bedeutung westlicher Sanktionen. „Wir glauben, dass wirtschaftlicher und politischer Druck dazu beitragen kann, dass das Regime sein Verhalten ändert und es zwingt, einen Dialog mit den Belarussen aufzunehmen, politische Gefangene freizulassen und sich an den Verhandlungstisch zu setzen“, sagte sie. Auch die vielen illegalen Grenzübertritte zeigten, dass Lukaschenkos Machtapparat „eine Bedrohung auch für Menschen anderer Länder“ sei.

© dpa-infocom, dpa:210807-99-762825/6

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko. Foto: Nikolay Petrov/BelTA/AP/dpa

Der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko. Foto: Nikolay Petrov/BelTA/AP/dpa

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Erstellt:
8. August 2021, 06:01 Uhr

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