Ticket für drei Euro kommt ab April

ÖPNV in Backnang soll attraktiver werden – Gemeinderat beschließt Verbesserung einstimmig – 150000 Euro Mehrkosten

In Backnang wird zum 1. April 2020 ein Stadtticket für den Linienbusverkehr innerhalb des Stadtgebietes und der Teilorte eingeführt. Es kostet als Einzelticket drei Euro, Gruppen bis maximal fünf Fahrgäste können den ÖPNV für sechs Euro einen ganzen Tag lang nutzen. Für die Stadt entstehen Mehrkosten in Höhe von etwa 150000 Euro. Der Gemeinderat fasste den Beschluss am Donnerstagabend einstimmig.

OB Frank Nopper hätte eigentlich lieber zuerst einige andere Verbesserungen an den Bushaltestellen oder im ÖPNV-Netz realisiert und mit der Entscheidung über das Stadtticket bis Mitte 2020 gewartet. Aber er wurde überstimmt. Und so stand er am Ende sinnbildlich im Regen. Foto: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Becher

OB Frank Nopper hätte eigentlich lieber zuerst einige andere Verbesserungen an den Bushaltestellen oder im ÖPNV-Netz realisiert und mit der Entscheidung über das Stadtticket bis Mitte 2020 gewartet. Aber er wurde überstimmt. Und so stand er am Ende sinnbildlich im Regen. Foto: A. Becher

Von Matthias Nothstein

BACKNANG. Für Oberbürgermeister Frank Nopper war der Beschluss eine astreine Klatsche, hatte er doch bis zuletzt für eine andere Vorgehensweise gekämpft und sich am Ende an der Abstimmung gar nicht beteiligt. Das Stadtoberhaupt hatte zu Beginn der Debatte nochmals klargestellt: „Wir sind uns alle völlig einig im Bestreben, mehr Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV – also auf S-Bahn und Linienbusse – zu bewegen. Wir sind uns alle einig im Bestreben, den ÖPNV attraktiver zu machen.“ Unterschiede gibt es laut Nopper jedoch in der Frage, ob der Fahrpreis oder die Qualität des Angebots für die Entscheidung, den Nahverkehr zu nutzen, wichtiger ist. Für den Oberbürgermeister ist es ganz klar die Qualität in Form von Pünktlichkeit, Zuverlässigkeit und Angebotsbreite.

Aus diesem Grund appellierte er dafür, sich erst auf diesem Gebiet zu engagieren und das Optimum anzustreben. Aber eben dies benötige Zeit, nicht zuletzt aufgrund des Betreiber- und Systemwechsels, der noch kein Jahr zurückliege. Er sprach sich deshalb gegen einen Schnellschuss aus und forderte, die Entscheidung auf die zweite Jahreshälfte 2020 zu verschieben. Die Zeit bis dahin sollte genutzt werden, mit dem Rems-Murr-Kreis und dem VVS zu prüfen, welche Verbesserungen im Stadtverkehr möglich sind und was diese kosten.

„Von einem Stadtticket wird nur ein Bruchteil der Fahrgäste profitieren“

Handlungsbedarf gibt es laut Nopper bei der Stabilisierung des Fahrplans. Es gelte, die Verspätungen zu reduzieren und die Busbeschleunigung zu optimieren. Das Angebot sollte verbessert werden, beispielsweise durch die Einführung von Verstärkerbussen zu Stoßzeiten. Ferner sollten Lücken im Fahrplan geschlossen und Takte verdichtet werden, damit die S-Bahn-Linien 3 und 4 besser und zuverlässiger erreicht werden könnten. Mehrere Optimierungen sind in der Planung oder schon in der Umsetzung: der barrierefreie Ausbau von Bushaltestellen, die Ausrüstung publikumsstarker Haltestellen mit einer dynamischen Fahrgastinformation und die Busbeschleunigung entlang der Linien361 und 367.

Diese Verbesserungen würden dann allen Fahrgästen zugutekommen. Das Stadtticket jedoch nur den Gelegenheitsfahrern, und die würden insgesamt ohnehin nur 20 Prozent ausmachen. Und selbst von diesen könnte nur ein Bruchteil von der Neuerung profitieren. Ein Teil der Passagiere werde weiterhin das Kurzstreckenticket für maximal drei Haltestellen nutzen oder fahre über das Stadtgebiet hinaus, weshalb sie ohnehin ein anderes Ticket benötigen. Unterm Strich gehen die VVS-Experten davon aus, dass die Zahl der Fahrgäste um etwa zwei Prozent steigen könnte.

Für die Stadträte war all dies nicht ausreichend. So weigerte sich etwa Siglinde Lohrmann (SPD) bei den aufgelisteten Punkten von Verbesserungen zu sprechen, sie seien vielmehr die Mindestanforderungen, die ursprünglich auch bestellt waren. Zudem bezweifelte sie, dass es innerhalb weniger Monate zu Strukturverbesserungen kommt, die dem ÖPNV nutzen. „Was wir bräuchten wären neue Linien. Aber das wird schwierig, weil heute schon die Busse und die Fahrer fehlen.“

Unverständnis äußerte auch Ulrike Sturm (Grüne): „Ich verstehe Ihre Zögerlichkeit nicht. Alle Stadträte ziehen mit. Eine bessere Pünktlichkeit der Busse kriegen wir bei den Staus in der Innenstadt nicht hin. Jede Fahrt, die wir einsparen können, ist ein Gewinn für alle. Ich möchte mich nicht vertrösten lassen.“

Noch gab Nopper nicht klein bei. Er konterte das Argument, dass bereits 19 Kommunen im VVS-Gebiet ein Stadtticket eingeführt hätten, mit einem Verweis auf die Gesamtzahl: „19 von 179 Kommunen. Und es gibt einige Städte, die sich ganz bewusst gegen das Stadtticket ausgesprochen haben.“ Zudem verwies er auf die Sondersituation Backnangs so kurz nach dem Betreiberwechsel. Pia Täpsi-Kleinpeter (SPD) konterte jedoch den Konter: „Bei den 179 Kommunen sind auch kleine Dörfer dabei, die können Sie doch nicht mit uns vergleichen, da kann der Bürger alles zu Fuß erledigen. Wir sollten uns mit Winnenden, Waiblingen oder Fellbach vergleichen.“ Und vier weitere Städte dieses Kalibers schließen sich vermutlich den bisherigen 19 Städten noch an, so die Aussage von Martin Schugt, dem Teamleiter Tarife bei der VVS, der den Stadträten Rede und Antwort stand. Als auch Melanie Lang (Grüne) erklärte, „es machen so viele Städte mit, da können wir nicht fehlen“, schließlich sei dies „ein wichtiges Signal“, meinte Nopper nur noch: „Ich bin nicht der Meinung, wir sollten blind anderen folgen, die Umstände bei uns sind anders.“ Die von Nopper angekündigten Verbesserungen – etwa an den Haltestellen – würden laut Täpsi-Kleinpeter ohnehin nur die spüren, die schon den ÖPNV nutzen. „Wir aber wollen die anderen erreichen, die noch gar nicht Bus fahren.“ Für Gerhard Ketterer (CDU) hat das Stadtticket ferner Charme, weil der Fahrgast nur ein Ticket für den gesamten Tag benötigt. Dies sei ein höherer Komfort und würde auch den Busfahrer entlasten, der nur einmal am Tag ein Billett ausstellen müsste.

Vermutlich wäre die Entscheidung nicht so eindeutig ausgefallen, wenn die Stadträte auch die Chance gehabt hätten, das Stadtticket zu einem späteren Zeitpunkt einzuführen. So lautete auch die ursprüngliche Variante laut Sitzungsvorlage. Entweder zum 1. April 2020 oder zum 1. Januar 2021. Nun jedoch erklärte Schugt, es sei unsicher, ob der zweite Termin funktioniere. „Nur für Backnang alleine machen wir nur neun Monate nach einer Reform nicht noch einmal eine Umstellung unseres Verbandssystems.“ Und ob zu dem späten Zeitpunkt noch andere Kommunen mitmachen, sei derzeit völlig unklar.

„Plötzlich in der Sitzung legen Sie uns ein Überraschungs-Ei ins Nest“

Vor allem die CDU änderte daraufhin ihre Haltung. Für Ute Ulfert war der zweite Termin zu vage, sie sagte: „Lieber jetzt als gar nie.“ Deutlich verärgert wandte sich Nopper an Schugt: „Dass der 1. Januar 2021 nicht möglich ist, das höre ich auch das erste Mal. Jetzt plötzlich in der Sitzung legen Sie uns ein Überraschungs-Ei ins Nest.“ Am Ende lenkte Nopper zumindest ein: „Ich nehme zur Kenntnis, dass ich mit meiner Position nicht in der Mehrheit bin.“ Als „treuer Diener des Gemeinderats“ stellte er die geänderte Beschlussempfehlung zur Abstimmung. Alle Stadträte stimmten dafür. Nur Nopper nicht. Er beendete das Abstimmungsverfahren. Ob er sich enthalten oder dagegen gestimmt hätte, wollten die Räte noch wissen, erhielten aber keine Antwort.

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Erstellt:
14. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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Harald Hanne aus Neufürstenhütte unterrichtet seit über drei Jahrzehnten afrikanisches Trommeln. Über die Musik hat er seine Leidenschaft für die afrikanische Kultur entdeckt und seine Faszination dafür hält bis heute an.