„Totengässle“ soll auferstehen

Die untere Marktstraße in Backnang ist den Stadtplanern schon lange ein Dorn im Auge. Um weitere unliebsame Entwicklungen zu verhindern, hat sich die Stadt nun ein Vorkaufsrecht für die Immobilien in diesem Bereich gesichert.

Heruntergekommene Gebäude und leer stehende Läden: Die untere Marktstraße ist kein Schmuck für die Backnanger Innenstadt.Foto: J. Fiedler

© Jörg Fiedler

Heruntergekommene Gebäude und leer stehende Läden: Die untere Marktstraße ist kein Schmuck für die Backnanger Innenstadt.Foto: J. Fiedler

Von Kornelius Fritz

BACKNANG. Der untere Teil der Backnanger Marktstraße ist im Volksmund auch als „Totengässle“ bekannt. So wenig einladend wie dieser Name ist auch das Erscheinungsbild der Straße: Heruntergekommene Fassaden, Leerstände sowie Handy- und Billigläden prägen das Bild. Baudezernent Stefan Setzer spricht von „erheblichen städtebaulichen Missständen“. Und das auf einem der zentralen Verbindungswege zwischen Rathaus und Fußgängerzone.

Für den Baudezernenten und seinen obersten Stadtplaner Tobias Großmann ist deshalb klar, dass hier etwas passieren muss. Bereits in den vergangenen Jahren hat die Stadt vier ältere Gebäude auf der (von unten gesehen) linken Straßenseite gekauft. Ziel ist laut Setzer, hier etwas Neues zu entwickeln. Allerdings gibt es in der Nachbarschaft auch noch Gebäude, die privaten Eigentümern gehören, zum Beispiel das ehemalige Elektrogeschäft Burgel, das vor einem Jahr geschlossen wurde und seitdem leer steht.

Im Rathaus befürchtete man, dass alle Hoffnungen auf eine attraktive Neugestaltung der Straße vergebens wären, wenn dieses oder andere Gebäude in die falschen Hände geraten würden. Deshalb hat der Gemeinderat kurz vor Weihnachten eine sogenannte Vorkaufsrechtsatzung beschlossen. Sie gibt der Stadt das Recht, bei Immobilienverkäufen im Bereich von der Wassergasse bis zur Uhlandstraße die Rolle des Käufers zu übernehmen.

„Wir haben dadurch die Möglichkeit, aber nicht die Pflicht, Gebäude zu erwerben“, erklärt Baurechtsamtsleiter Helmut Wagner. Baudezernent Setzer spricht von einer „prophylaktischen Maßnahme“. Die Stadt werde von ihrem Vorkaufsrecht nur dann Gebrauch machen, wenn ein privater Käufer dort Pläne verfolgen sollte, die die Missstände in der Straße zementieren würden. Als Beispiele für solche unerwünschten Nutzungen nennt Setzer Wettbüros, Ein-Euro-Shops oder Fast-Food-Restaurants.

Kurzfristig wird sich wohl nicht viel tun.

Der ehemalige Chef des Elektroladens, Jörg Burgel, fühlt sich durch das Vorkaufsrecht der Stadt nicht eingeschränkt: „Für uns ist das kein Hindernis“, so Burgel. Denn auch er habe ein Interesse daran, eine attraktive Nachnutzung zu finden. Ob zum Kauf oder zur Miete sei noch offen. „Wir sind an einer vernünftigen Lösung interessiert und stehen im ständigen Kontakt mit der Stadt“, so Burgel. Allerdings weiß er auch, dass es nicht ganz einfach werden wird, einen geeigneten Käufer oder Mieter für seine Immobilie zu finden.

Für einen Einzelhandelsbetrieb ist die auf drei Ebenen verteilte Verkaufsfläche nicht besonders attraktiv, weil sie einen hohen Personaleinsatz erfordert. Erfolg versprechender wäre wohl eine Mischnutzung mit Einzelhandel im Erdgeschoss und darüber Büros oder Wohnungen. Dafür wäre allerdings ein größerer Umbau oder sogar Abriss und Neubau nötig. „Möglich wäre sicher einiges, aber wir haben uns noch nicht entschieden“, so Burgel. Wegen der Coronapandemie habe er das Thema auch erst einmal nach hinten gestellt. Lediglich die Parkplätze auf der gegenüberliegenden Straßenseite hat Burgel an einen Handyshop und an private Anwohner vermietet.

Bei der Stadt geht man davon aus, dass es noch einige Jahre dauern wird, bis sich in der unteren Marktstraße etwas tut. „Das ist keine kurzfristige Sache“, erklärt Stefan Setzer. Zum einen stehen derzeit andere wichtige Städtebau-Projekte auf der Agenda, etwa die Obere Walke oder das IBA-Gelände Backnang-West. Zum anderen hätte eine Großbaustelle in der unteren Marktstraße auch erhebliche Auswirkungen auf den Verkehr in der Innenstadt. „Da muss man sich vorher gut überlegen, wann man es angeht“, sagt Setzer.

Wenn die Zeit reif ist, wäre aus Sicht des Baudezernenten ein städtebaulicher Wettbewerb sinnvoll, bei dem verschiedene Architekten Ideen für die untere Marktstraße entwickeln. Neben Geschäften kann sich Setzer dort künftig auch ein Hotel oder seniorengerechte Wohnungen vorstellen. Parkende Autos würde er gerne in eine zentrale Tiefgarage unter die Erde verbannen. Auch der öffentliche Raum soll neu gestaltet werden, um die Aufenthaltsqualität zu steigern.

Umsetzen würde die Stadt ein solches Projekt allerdings nicht alleine, sondern mithilfe privater Investoren. Die müssen sich allerdings auf ein nicht ganz einfaches Projekt einstellen, auch wegen des Denkmalschutzes. Denn die Häuser auf der linken Straßenseite grenzen direkt an die historische Stadtmauer. Das habe schon einige Interessenten abgeschreckt, berichtet Jörg Burgel.

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Erstellt:
5. Januar 2021, 06:00 Uhr

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