Ukrainekrieg in der Wirtschaft spürbar

Laut IHK-Umfrage liegt der Umsatzanteil der im Kammerbezirk befragten Unternehmen in den betroffenen Ländern überwiegend im einstelligen Prozentbereich. Viele haben Geschäftsbeziehungen nach Osteuropa. Die IHK hat unter anderem eine Infohotline für die Firmen eingerichtet.

Das Allmersbacher Unternehmen Harro Höfliger Verpackungsmaschinen – hier ein Foto von der Herstellung von Desinfektionsmittel in Allmersbach aus dem Jahr 2020 – betreibt auch eine Vertriebs- und Serviceniederlassung in Moskau.  Symbolfoto: Harro Höfliger

Das Allmersbacher Unternehmen Harro Höfliger Verpackungsmaschinen – hier ein Foto von der Herstellung von Desinfektionsmittel in Allmersbach aus dem Jahr 2020 – betreibt auch eine Vertriebs- und Serviceniederlassung in Moskau. Symbolfoto: Harro Höfliger

Von Bernhard Romanowski

Rems-Murr. Die Auswirkungen des Ukrainekriegs sind mittlerweile auch in der Wirtschaft im Rems-Murr-Kreis spürbar. Zahlreiche Unternehmen seien von den Folgen der russischen Invasion in der Ukraine zum Teil sogar erheblich betroffen, wie die IHK-Bezirkskammer mitteilt. Sie bezieht sich auf ein Stimmungsbild unter exportorientierten Unternehmen im Kreis, das sie eingeholt hat. Für die befragten Unternehmen liege der Umsatzanteil in den betroffenen Ländern überwiegend im einstelligen Prozentbereich, so die IHK. Unsere Zeitung hat sich deshalb auch einmal bei Firmen aus dem Kreisgebiet umgehört.

Die Firma Kerres aus Backnang produziert Rauch- und Kochanlagen sowie Waschsysteme für die Reinigung von Gerätschaften der Lebensmittelproduktion, aber auch für die Chemie-, Pharma- und Automobilindustrie. Seine Produkte liefert das Unternehmen mittlerweile in 80 verschiedene Länder, darunter auch Russland und die Ukraine. „Wir haben Geschäftsbeziehungen in beiden Ländern, aber keine eigenen Niederlassungen“, berichtet einer der drei Geschäftsführer, Viktor Pal, auf unsere Nachfrage.

Gravierende geschäftliche Einschnitte bedeute der Ukrainekrieg für Kerres nicht, so der Geschäftsführer. Pal spricht eher von einigen Projekten, die noch nicht spruchreif gewesen seien und nun auf Eis lägen. Das Geschäft in Russland sei die letzten Jahre ohnehin schwieriger geworden. In der Ukraine sei es etwas besser gelaufen, so der Backnanger Unternehmer über den Branchenbereich, den Kerres bedient: „Die Goldgräberstimmung im Osten, wie sie vor 15 Jahren herrschte, hat sich mittlerweile gelegt.“ Der Krieg in Osteuropa bereite dem Unternehmen also keine echten Schwierigkeiten, fasst Pal zusammen. Von den steigenden Kosten im Energiebereich, die einigen Firmen besondere Bauschmerzen bereiten, seien letztlich alle Bürger betroffen. „Da sitzen wir alle im selben Boot“, meint der Geschäftsmann aus Backnang.

„In der aktuellen Situation steht für uns ganz klar die Unterstützung der Opfer dieses Kriegs im Vordergrund und nicht die wirtschaftliche Auswirkung. Wie alle hoffen auch wir, dass die politische Führung Russlands umgehend den Krieg beendet. Was danach kommt und wie eine künftige politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit gestaltet wird, liegt derzeit im Reich der Spekulation“, teilt uns Thomas Weller als Geschäftsführer der Firma Harro Höfliger Verpackungsmaschinen GmbH seine Einschätzung auf Nachfrage mit.

Das Unternehmen mit Sitz in Allmersbach im Tal betreibe seit über zehn Jahren eine eigene Vertriebs- und Serviceniederlassung in Moskau und habe laufende Kundenprojekte in Russland, so Weller. Diese seien jedoch im Verhältnis zur Gesamtgröße des Allmersbacher Unternehmens eher von untergeordneter Bedeutung, was den Umsatz anbelangt, und können kompensiert werden. Weller: „Der Gesamtumsatz von Harro Höfliger lag 2021 bei 300 Millionen Euro. Als Partnerunternehmen der pharmazeutischen und medizintechnischen Industrie hoffen wir dennoch, dass sich diese schlimme Situation wieder normalisieren wird und eine Grundlage für wirtschaftliche Beziehungen geschaffen werden kann.“

Auch die Firma Stihl in Waiblingen haben wir auf den Ukrainekrieg angesprochen. „Wir sind entsetzt über den Angriff Russlands auf die Ukraine und verurteilen diesen Krieg auf das Schärfste. Unser Mitgefühl gilt den Menschen vor Ort“, lässt Hien Nguyen von der Pressestelle wissen. Es müsse jetzt alles getan werden, um Menschenleben zu retten. „Wir hoffen auf Deeskalation und eine baldige Lösung des Konflikts und unterstützen Entscheidungen und Maßnahmen der Politik, um diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden. Oberste Priorität unserer Bemühungen hat die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Familien vor Ort. Ihr Wohlergehen liegt uns sehr am Herzen und wir werden versuchen, sie nach Kräften zu unterstützen“, teilt Nguyen weiter mit.

In der Ukraine hat Stihl eine eigene Vertriebsgesellschaft, die sich an der Stadtgrenze zu Kiew befindet, führt die Pressereferentin aus: „In Russland sind wir überwiegend durch Importeure vertreten.“ Der russische Markt sei aufgrund der Größe in acht Verkaufsgebiete unterteilt. Davon werden sieben Verkaufsgebiete durch Importeure und ein Gebiet durch eine Vertriebsgesellschaft mit Sitz in Krasnodar betreut. Die Betreuung des russischen Markts und die Koordination der Importeure und Vertriebsgesellschaft erfolgt über eine Marketinggesellschaft mit Sitz in St. Petersburg. In der Ukraine und in Russland sind Umsatz und Absatz laut Nguyen in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. Zuletzt habe das Absatzwachstum im zweistelligen Bereich gelegen.

„Wir haben einen internen, bereichsübergreifenden Krisenstab eingerichtet, der die tagesaktuellen Entwicklungen beobachtet und daraus Maßnahmen ableitet. Dabei werden wir uns bezüglich Embargos und Marktzulassungen an die gesetzlichen Anforderungen und Regularien halten. Derzeit finden keine Warenlieferungen nach Russland statt“, gewährt Nguyen einen Blick in die Unternehmenspolitik.

Die aktuellen Ereignisse verschärfen demnach nochmals die ohnehin bestehende und pandemiebedingte Materialknappheit. Betroffen vom Engpass sind laut StihlPressestelle unter anderem Kabelbäume, Schaltgeräte und Gummiteile. „Durch langfristige Partnerschaften mit unseren Lieferanten und eine vorausschauende Planung haben wir frühzeitig versucht, Bestellungen zu erhöhen und Sicherheitsbestände aufzubauen“, erklärt Nguyen. Durch die zuvor schon vorherrschenden Lieferengpässe sei dies jedoch nur begrenzt gelungen. Nguyen: „Die Invasion Russlands wird auch Auswirkungen auf unsere Geschäftsentwicklung und Standorte vor Ort haben. Die Situation entwickelt sich jedoch sehr dynamisch und der weitere Verlauf ist unsicher. Es ist daher kaum möglich, eine Prognose über konkrete Auswirkungen zu treffen.“ Von Bestürzung und tiefer Betroffenheit über das Geschehen in der Ukraine spricht auch Claus Paal als Präsident der IHK-Bezirkskammer Rems-Murr. „Das Leid der Menschen stellt alle berechtigten Sorgen um die Auswirkungen für unsere heimischen Unternehmen derzeit in den Schatten. Um unseren IHK-Unternehmen zu helfen, haben wir neue Informations- und Beratungsangebote aufgebaut,“ verkündet Paal. Der Beratungsbedarf vieler betroffener Unternehmen habe in den letzten Tagen jedenfalls deutlich zugenommen.

Infos für Unternehmen

Hotline „Um unseren Mitgliedsunternehmen bestmöglich in der aktuellen Situation zur Seite zu stehen, hat die IHK Region Stuttgart eine zentrale Beratungshotline geschaltet,“ berichtet IHK-Geschäftsführer Markus Beier. „Zusätzlich zum Beratungsangebot unserer Außenwirtschaftsexperten in der Bezirkskammer Waiblingen können Unternehmen über die zentrale IHK-Hotline 0711/20051407 vertiefende Auskünfte rund um die Themenfelder Warenverkehr und Sanktionen, Personal- und Rechtsthemen, Fragen des Zahlungsverkehrs und ganz allgemein zur Ein- und Ausreise oder Kontakten zur Außenhandelskammer erhalten,“ so Beier.

Webinar Gemeinsam mit weiteren baden-württembergischen Kammern plant die IHK Region Stuttgart weitere Informationsveranstaltungen. Das erste Webinar findet am Mittwoch, 9. März, von 10 bis 11 Uhr statt. Interessierte Unternehmen können sich unter www.stuttgart.ihk.de (Nr. 5444024 kostenfrei anmelden.

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Erstellt:
8. März 2022, 06:00 Uhr

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