Mehrheit laut Umfrage für einheitlicheres Bildungssystem

dpa München. Ob Abitur, Lehrpläne oder Lehrer-Ausbildung: Die meisten Deutschen wünschen sich laut einer Umfrage eine einheitlichere Bildungspolitik. Das gilt auch für zwei Bundesländer, deren Regierungen einen Schritt in diese Richtung zuletzt abgelehnt hatten.

Ein Stundenplan hängt in einer 8. Klasse in einem Gymnasium (Symbol). 60 Prozent der Befragten befürworten, dass grundsätzlich die Bundesregierung wichtige bildungspolitische Entscheidungen treffen sollte. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Ein Stundenplan hängt in einer 8. Klasse in einem Gymnasium (Symbol). 60 Prozent der Befragten befürworten, dass grundsätzlich die Bundesregierung wichtige bildungspolitische Entscheidungen treffen sollte. Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Mehr Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit in der Bildungspolitik: Das wünscht sich laut einer Umfrage eine deutliche Mehrheit der Deutschen.

So sprachen sich 89 Prozent der Befragten im ifo-Bildungsbarometer dafür aus, ein deutschlandweit einheitliches Abitur einzuführen. Ähnlich groß waren die Mehrheiten für einheitliche Abschlussprüfungen an Real- und Hauptschulen. Das Barometer wurde am Mittwoch in München veröffentlicht.

Der Wunsch nach mehr Zentralisierung wurde auch bei der Frage nach Zuständigkeiten deutlich. 60 Prozent der Befragten befürworteten, dass grundsätzlich die Bundesregierung wichtige bildungspolitische Entscheidungen treffen sollte. Nur 28 Prozent sprachen sich dagegen aus. Deutliche Mehrheiten ergaben sich zudem für eine einheitliche Lehrerausbildung (90 Prozent) und einheitliche Lehrpläne in der gymnasialen Oberstufe (87 Prozent). Bildungspolitik ist in Deutschland aber Ländersache.

Eine Ohrfeige für das föderale Bildungssystem sei das zwar nicht, aber eine „klare Handlungsanweisung“, sagte Philipp Lergetporer vom ifo-Zentrum für Bildungsökonomik am Mittwoch. Die Zustimmung für mehr Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit sei schon seit Jahren sehr hoch. Bereits 2015 hatten sich in der gleichen Umfrage 86 Prozent der Befragten für einheitliche Abiturprüfungen ausgesprochen. Die unterschiedlichen Maßnahmen der Länder in der Corona-Krise hätten den Wunsch nach mehr Zentralisierung ebenfalls verstärkt, sagte Bildungsökonomin Katharina Werner bei der Vorstellung der Umfrage-Ergebnisse.

Eine deutliche Mehrheit befürwortete auch die Einrichtung eines Nationalen Bildungsrats, dessen unverbindliche Empfehlungen die Bildungssysteme der Länder vergleichbarer machen und vereinheitlichen sollen: 70 Prozent der Befragten sprachen sich für das Vorhaben aus, das im vergangenen Jahr am Widerstand von Baden-Württemberg und Bayern gescheitert war. Doch auch in diesen Ländern sei die Zustimmung für Vorschläge zur Zentralisierung des Bildungssystems groß, sagte Lergetporer. „In Bayern würde es eine klare Mehrheit für ein Zentralabitur geben.“

Für einen verbindlichen Bildungsstaatsvertrag der Länder, an dem die Kultusministerkonferenz arbeitet, sprachen sich 83 Prozent der Befragten aus. „Das könnte tatsächlich ein großer Wurf werden, wenn der Vertrag verbindliche Vorgaben enthält“, sagte Lergetporer. „Ob das so kommt, werden wir sehen.“

Zwar könnten die Länder durch verschiedene Bildungssysteme in einem „Wettbewerb der Ideen“ voneinander profitieren, meint Bildungsökonomin Elisabeth Grewenig. Ein Vergleich der Ergebnisse sei aber „bisher nur begrenzt möglich“. 76 Prozent der Befragten sprachen sich laut Umfrage daher für regelmäßige Vergleichstests aus, deren Ergebnisse veröffentlicht werden.

Kritik daran kam am Mittwoch von der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung: „Der Politik ist bekannt, welche Länder schlechter abschneiden“, sagte deren Bundesvorsitzender Udo Beckmann. Wichtiger sei eine stärkere Finanzierung von Schulen durch Förderprogramme des Bundes. Laut der Umfrage wünschen sich die Befragten im Schnitt, dass der Bund 41 Prozent dieser Kosten schultert. Primär zuständig sind aber Länder und Gemeinden.

Der Verband der Realschullehrer kritisierte die Forderung nach mehr Zentralisierung: Die Diskussion über „Gleichmacherei und Vereinheitlichung“ werde „nicht zu einem Anstieg in der Qualität und Leistung unseres Bildungssystems führen“, sondern sich „am untersten Niveau und an falschen Normen orientieren“, sagte der Bundesvorsitzende Jürgen Böhm.

Zustimmung kam dagegen vom bildungspolitischen Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Thomas Sattelberger: „Die Länder müssen endlich an einem Strang ziehen“, forderte er. Deutschland brauche ein Zentralabitur in den Kernfächern. „Am Ende steht nicht Bremen im Wettbewerb mit Nürnberg, sondern der Standort Deutschland mit den Wachstumsregionen dieser Welt.“

© dpa-infocom, dpa:200902-99-399141/3

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Erstellt:
2. September 2020, 10:25 Uhr

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