Uneinsichtige gibt es noch immer

Die Mitarbeiter des Backnanger Ordnungsamts kontrollieren regelmäßig die Einhaltung der Coronaverordnung. Zwar hält sich der Großteil der Bürger an die Regeln, schwarze Schafe finden sie dennoch immer wieder.

Besonders auf die Maskenpflicht müssen Jonas Mürdter und seine Kollegen immer wieder hinweisen. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Besonders auf die Maskenpflicht müssen Jonas Mürdter und seine Kollegen immer wieder hinweisen. Foto: A. Becher

Von Lorena Greppo

BACKNANG. In einem Lokal brennt Licht und es läuft der Fernseher. Werden hier etwa Gäste bedient? Ralph Westermayr und Jonas Mürdter schauen nach. Die beiden Beamten des Ordnungsamts Backnang sind regelmäßig auf Streife zu Fuß in der Innenstadt unterwegs. Sie kontrollieren, ob die aktuelle Coronaverordnung eingehalten wird. Tragen die Menschen in den Fußgängerbereichen Mund-Nasen-Schutz? Haben Läden, die keine Produkte für den täglichen Bedarf anbieten, auch wirklich zu? Werden die Ausgangsbeschränkungen eingehalten? „Corona nimmt inzwischen den Hauptteil unserer Arbeit ein“, erklärt Westermayr. In besagtem Lokal sind nur der Inhaber sowie ein Elektriker. Sie wollen einen Automaten austauschen. „Da spricht nichts dagegen“, sagt Westermayr. „Bei vielen erweckt es den Anschein, als wären sie offen“, fügt Mürdter an. Denn die Beleuchtung ist an und manchmal befinden sich Mitarbeiter im Laden. „Sie nutzen die Zeit für Renovierungsarbeiten oder für die Inventur. Das dürfen sie auch.“ Ein unerlaubt geöffnetes Geschäft ist den beiden Beamten noch nicht untergekommen.

Überhaupt sei die Lage in Backnang überschaubar, der Großteil der Bevölkerung halte sich an die geltenden Regeln und zeige sich einsichtig. Hier und da weisen Westermayr und Mürdter darauf hin, dass die Maske auch über die Nase gezogen werden muss, oder erklären Passanten, in welchem Bereich die Maskenpflicht gilt. Die meisten reagieren verständnisvoll. Oftmals reicht schon der Anblick der beiden Uniformierten – dann wird schnell eine Mund-Nasen-Bedeckung hervorgeholt oder zurechtgezupft.

Manchmal müssen auch Bußgelder verhängt werden.

Dass es aber auch anders geht, zeigt ein Zusammentreffen mit einem Ehepaar in der Uhlandstraße. Beide sind ohne Maske unterwegs, der Mann ist sich sicher: „Die muss man nur auf dem Wochenmarkt tragen“, und will weitergehen. Über die wiederholte Anweisung Mürdters, er möge stehen bleiben, will sich der Mann hinwegsetzen. Er wähnt sich im Recht, wird laut und versucht, sich vorbeizudrängeln. Hilft aber alles nichts, denn die Mitarbeiter des Ordnungsamts lassen nicht locker. Ruhig, aber bestimmt stellen sie den Mann zur Rede und haben auch auf seine patzige Frage „Und wo steht das?“ gleich den passenden Paragrafen parat. Der Tonfall bleibt gelassen, man merkt: Die beiden Männer wissen, wie Deeskalation geht. Das Ende vom Lied: Der Mann muss eine Maske aufziehen und bekommt außerdem noch eine Belehrung über die geltenden Regeln.

Dass nicht alle Inhalte der Coronaverordnung einfach verständlich sind, ist den Beamten klar. „Manche Bürger haben mit dem Paragrafendeutsch so ihre Probleme“, weiß Jonas Mürdter. Oft kommen Passanten deswegen auf ihn zu und fragen nach. Wie definiert sich der Fußgängerbereich, in dem die Maske getragen werden muss? Oder für welche Erledigungen gelten die Ausgangsbeschränkungen? Bei uneinsichtigen Passanten, die seit Wochen geltende Regeln noch immer missachten, werden aber auch Bußgelder verhängt. Ralph Westermayr erinnert sich etwa an einen jungen Mann auf dem Wochenmarkt, der meinte, nur weil er allein unterwegs sei, müsse er keine Maske tragen. Auch das Verbot von Ansammlungen werde öfters missachtet. „Das ist bei vielen, gerade von der jüngeren Generation, noch nicht so ganz angekommen“, sagt Mürdter.

Beide kennen die Hotspots, beispielsweise am Rotgerberweg oder an der Unterführung neben der Feuerwehr. Und siehe da, genau an Letzterer treffen die Beamten auch eine Dreiergruppe von Männern, die sich offensichtlich zum Biertrinken und Musikhören dort getroffen hat. Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit, eine Missachtung des Versammlungsverbots, keiner der drei Männer trägt eine Maske – hier kommen gleich mehrere Verstöße gegen die geltende Coronaverordnung zum Tragen.

Die Männer schützen Unwissen vor. Einer gibt an, wohnungslos zu sein und keinen Fernseher zu besitzen. „Wie soll ich das denn wissen?“, fragt er. Da er allerdings ein Smartphone bei sich trägt und der nahe gelegene Supermarkt, in dem das Bier gekauft wurde, freies WLAN anbietet, lassen die Kontrolleure das nicht gelten. „Es ist inzwischen so weit, dass das bei jedem angekommen sein sollte“, sagt Mürdter. Und auch die Ausrede, man habe sich doch extra unter der Brücke versteckt, dass man eben nicht in der Öffentlichkeit stehe, ruft bei Westermayr und Mürdter höchstens ein müdes Grinsen hervor. Sie nehmen die Personalien der drei Männer auf und informieren: „Sie bekommen dann in den nächsten Wochen Post.“ Widerwillig packen die drei Männer ihre Sachen zusammen und machen sich auf den Weg.

Man müsse bei den Fakten bleiben und auch nicht alles hinnehmen, erklärt Westermayr im Nachgang. Besagte Männer habe er schon mehrfach angetroffen und auf die geltenden Regeln hingewiesen. „Ich will ja auch kein Unmensch sein“, sagt er, aber nachdem die Männer trotz Verwarnungen ihre Verstöße gegen die Verordnung nicht eingestellt haben, muss nun ein Bußgeld nachhelfen.

Klärungsbedarf gibt es auch bei der neuen Coronaverordnung

Am vergangenen Mittwoch, 16. Dezember, ist die neue Coronaverordnung des Landes Baden-Württemberg in Kraft getreten – mit weitreichenden Folgen. „Die Gewerbetreibenden hatten – das ist nachvollziehbar – einige Fragen hierzu“, sagt die Backnanger Ordnungsamtsleiterin Gisela Blumer. Problematisch war dabei allerdings, dass die Kommunen die neue Verordnung erst in der Nacht zu jenem 16. Dezember erhalten haben. Die Auslegungshinweise kamen sogar noch später. Blumer und ihre Mitarbeiter waren folglich am Mittwochmorgen erst einmal damit beschäftigt, die neue Verordnung genau durchzulesen und die Fragen nach bestem Gewissen zu beantworten.

Unklar war unter anderem, wie mit Geschäften mit Mischsortiment vorgegangen werden sollte. Das betraf beispielsweise die Baywa oder den Drogeriemarkt Müller. Müller habe nachweisen können, dass überwiegend zulässige Artikel verkauft werden, und dürfe daher öffnen, so Blumer – zum Ärger vieler Einzelhändler. Baywa müsste als Baumarkt eigentlich schließen, verkauft aber auch Lebensmittel und Tierfutter. Diese Abteilungen bleiben vorerst geöffnet, bis eine Antwort vom Wirtschaftsministerium dazu eingeht, wie in solchen Fällen verfahren wird.

In vielen Reaktionen unserer Leser auf die Einschränkungen durch die Coronaverordnung wird darauf hingewiesen, dass die Abstandsregeln in Kaufland-Supermärkten nicht besonders genau genommen würden. Blumer bestätigt: „Da gibt es Verbesserungsbedarf.“ Die Märkte würden regelmäßig überprüft. Sie sei auch mit der Kaufland-Leitung in Neckarsulm in Kontakt. Unter anderem gehe es darum, die Gänge frei zu halten, regelmäßig mit Durchsagen an Abstands- und Hygieneregeln zu erinnern und unter Umständen auch mit Securitydiensten die Regeln durchzusetzen. „Manches Gedränge lässt sich schwer vermeiden“, weiß auch die Backnanger Ordnungsamtsleiterin. Doch liege es in der Verantwortung der Marktleitung, die Voraussetzungen zu verbessern.

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Erstellt:
23. Dezember 2020, 06:00 Uhr

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