Rob Halford von Judas Priest

„Unsere Shows haben integrative Kraft“

Judas Priest sind auf Tour. Sänger Rob Halford (73) ist auch ein Sprachrohr der LGBTQ-Gemeinde. Ein Gespräch über Politik und die Macht der Metal-Musik.

Judas Priest  in  London im vergangenen März:   Richie Faulkner, Rob Halford, Scott Travis, Andy Sneap and Ian Hill (v.l.).

© Imago/Capital Pictures

Judas Priest in London im vergangenen März: Richie Faulkner, Rob Halford, Scott Travis, Andy Sneap and Ian Hill (v.l.).

Von Olaf Neumann

Rob Halfords Fähigkeit, mühelos zwischen einem kehligen Growl und einem ohrenbetäubenden Falsett wechseln zu können, brachte ihm den Beinamen „Metal God“ ein. Der offen homosexuelle britische Sänger ist ein großer Verfechter der vereinenden Kraft von Musik, die könne man auf jedem Judas-Priest-Konzert live erleben, sagt er.

Mr. Halford, Sie beschreiben Judas-Priest-Shows als einen eskapistischen Moment der Inklusivität. Was macht Ihre Konzerte so besonders?

Wir alle nehmen Musik auf einer persönlichen Ebene wahr. In einer Live-Show wird dieses Gefühl noch viel stärker. Lassen Sie uns über Inklusivität sprechen. Als schwuler Mann bin ich ein starker Befürworter davon, dass alle Arten von Menschen zusammenkommen und ein Konzert genießen. Das ist Inklusivität nicht nur auf sexueller Ebene, sondern auf der ganzen Linie. Denn wir leben immer noch in einer Gesellschaft, die Menschen etikettiert: schöne Menschen, hässliche Menschen, dicke Menschen, dünne Menschen, verschiedene Hautfarben, verschiedene Arten von Religion. Es ist verrückt, wir schreiben das Jahr 2025 und sind in so vielen Bereichen des Lebens immer noch rückständig. Das ist es, was ich meine, wenn man eine Judas-Priest-Show besucht. Da ist so viel integrative Kraft im Spiel.

Sie leben in den USA, wo Präsident Trump begonnen hat, LGBTQ-Rechte abzubauen. Wie gehen Sie damit um?

Auch wenn die US-Verfassung nicht ausdrücklich LGBTQ-Personen abdeckt, gilt sie doch für alle Menschen, denn sie ist ein sehr mächtiges Dokument. Als die Gründungsväter es schrieben, haben sie sicher nicht an Homosexuelle gedacht. Sie haben gesagt, dass es um das Volk geht. Und der Begriff „Volk“ schließt niemanden aus. Wenn US-Politiker also sagen, dass sie dieses und jenes tun werden, ist das nicht so einfach umzusetzen, denn es geht immer von Bundesstaat zu Bundesstaat. Es wird erst dann zu einem echten Problem, wenn es vor den Obersten Gerichtshof kommt. Ich bin ein verheirateter Mann, und das könnte für mich problematisch werden, weil es in Amerika eine so starke Bewegung gibt, die die Dinge ändern will. Aber so ist die Politik eben.

Ist das System demokratischer Ausgleichsmechanismen (der „checks and balances“) stark genug, um auch populistische antidemokratische Herausforderungen beantworten zu können?

Ich denke, es gibt genug Sicherheitsvorkehrungen, um für alle zu sorgen. Wenn Wahlen das wichtigste Mittel sind, um Menschen an sich zu binden, dann sagen Politiker halt, was man sagen muss. Ich beobachte das in ganz Europa. Die Politik mischt sich auch in die Kunst ein, denn Musik bedeutet Freiheit. Musik ist Kreativität ohne Grenzen, Regeln oder Barrieren. Wenn wir da hineingezogen werden, ergibt das eine wirklich interessante Debatte. Aber ich persönlich denke, dass wir in Bezug auf das, was in Amerika passieren könnte, in einer starken Position sind und uns keine großen Sorgen machen müssen.

Heute gibt es viel Trennendes in der Welt. Bringt Kunst und Heavy-Metal-Musik Menschen trotz gegenläufiger politischer Überzeugungen zusammen?

Ja, absolut. Ich bin mir sicher, wenn man zu einem x-beliebigen Konzert geht, trifft man dort auf unterschiedliche Leute mit unterschiedlichen politischen Überzeugungen, die spielen in dem Moment keine Rolle. Die Leute kommen zusammen und erleben eine Band, die sie lieben. Das ist die überwältigende, unglaubliche, unzerstörbare Fähigkeit der Musik, sie kann all diese Situationen überwinden. Wir hören Musik, um uns von all den Problemen zu befreien, die uns ständig in den sozialen Medien und den Nachrichten eingehämmert werden. Du kannst dich entweder auf diese Negativität einstellen oder das Ganze abschalten. Ich persönlich habe mich immer von der Negativität ferngehalten, weil sie keinen Wert besitzt. Negativität ist gefährlich und erzeugt eine Menge schlechter Gefühle. Wenn mich jemand persönlich angreift, blende ich das einfach aus, weil es keinen Wert hat. Die positiven Werte und Tugenden im Auge zu behalten, ist die beste Art zu leben.

Wurde die Show, die Sie jetzt in Europa präsentieren, von Ihnen neu konzipiert?

Natürlich, wir feiern „Painkiller“, eines der berühmtesten Judas-Priest-Alben. Es hat 35. Jubiläum. Es ist großartig, zu dieser Platte zurückzukehren. Normalerweise spielen wir nur den Song „Painkiller“, aber dieses Mal holen wir fast alle Songs heraus – auch Songs von „Invincible Shield“, unserem letzten Werk und von „Angel of Retribution“. Das war vor 20 Jahren unser Reunion-Album. Man fühlt sich demütig und ist dankbar, dass diese Alben immer noch geliebt werden. Eine Priest-Show ist jetzt ein Ereignis, weil man eine der am längsten lebenden, funktionierenden und relevanten Heavy-Metal-Bands der Welt sieht. Es ist immer besonders aufregend, nach Deutschland zu kommen, die deutschen Metal-Maniacs waren von Anfang an dabei. 1973 spielten wir zum ersten Mal im Zoom Club in Frankfurt.

Sie feiern mit den Scorpions ihr 60. Jubiläum. Wird das etwas Besonderes?

Nun, es ist für uns ein einzigartiges Konzert, eine einmalige Gelegenheit. Die Scorpions und Judas Priest zusammen – wow! Wir kennen uns schon ewig. Wir leben das gleiche Leben. Wir haben schon so viele Shows zusammen gespielt und waren erst vor ein paar Wochen zusammen auf Festivals in Südamerika. Es gibt eine Menge Liebe zwischen beiden Gruppen. Die Scorpions sind die kultigste deutsche Rockband. Jeder auf der Welt liebt sie. Sie haben Judas Priest zu ihrer Jubiläumsshow eingeladen, das sagt viel über unsere Freundschaft aus.

Laut einer amerikanischen Studie übertreffen Musiker die allgemeine Lebenserwartung um 38 Prozent. Lässt einen dieser Beruf langsamer altern?

Sehen Sie mich an: Ich werde dieses Jahr 74 Jahre alt. Wir sind alle gesegnet. Wirklich cool an diesem Gedanken ist, dass einige der mächtigsten Acts in der Musik immer noch stark sind: die Rolling Stones, AC/DC, natürlich Judas Priest, die Scorpions, Deep Purple, Bruce Springsteen. Wir sind die letzten der Giganten im Rock und Metal. Also kommt und seht uns jetzt, denn wir wissen nicht, wie lange wir noch spielen können. Das, was einem die Musik ermöglicht, ist ein Segen. Eine Band ist wie eine Großfamilie. Deine Fans sind die Lebensquelle. Musik hält dich definitiv jung, Musik hält dich aufrecht. Sie ist ein wirklich wichtiger Teil des Lebens.

Tourdaten

Deutschland 17. Juni, Stuttgart, Hanns-Martin-Schleyer-Halle; 18. Juni, Vilbel, Hessentag 5. Juli, Hannover, Stadion; Scorpions’ 60. Bandjubiläum, 13. Juli, München, Olympiahalle; 20. Juli, Oberhausen, Rudolf-Weber-Arena.

Schweiz und Luxemburg 3. Juli, Zürich, Hallenstadion; 17.Juli, Sion Sous Les Étoiles; 19. Juli, Esch-sur-Alzette, Rockhal.

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Erstellt:
16. Juni 2025, 16:32 Uhr
Aktualisiert:
16. Juni 2025, 16:37 Uhr

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