Unterwegs mit den Waffenkontrolleuren

Das Landratsamt Rems-Murr überprüft in unregelmäßigen Abständen, ob Waffenbesitzer die Aufbewahrungsvorschriften einhalten

Wer Waffen legal besitzt, muss diese entsprechend aufbewahren. Und ob diese Lagerung den Vorschriften entspricht, prüfen die Waffenkontrolleure des Landratsamts. Wir haben sie begleitet und beobachtet, was bei einer solchen Kontrolle alles passiert.

Seit dem Jahr 2009 hat das Landratsamt Rems-Murr 1890 Waffenkontrollen durchgeführt. Die Waffenbesitzer müssen jederzeit mit einer Kontrolle rechnen. Fotos: A. Becher

© Pressefotografie Alexander Beche

Seit dem Jahr 2009 hat das Landratsamt Rems-Murr 1890 Waffenkontrollen durchgeführt. Die Waffenbesitzer müssen jederzeit mit einer Kontrolle rechnen. Fotos: A. Becher

Von Silke Latzel

WAIBLINGEN. Herr R. (Name ist der Redaktion bekannt) besitzt drei Kurz- und sechs Langwaffen. Er ist Jäger und Sportschütze – und weiß ausnahmsweise, dass die Waffenkontrolleure des Landratsamts zum ihm nach Hause kommen, um ihn zu überprüfen. Das liegt daran, dass Redakteurin und Fotograf unserer Zeitung dabei sind und der Waffenbesitzer seine Zustimmung geben musste, die beiden in sein Haus zu lassen. „Sonst sind unsere Kontrollen natürlich unangekündigt. Wobei man sagen muss, dass die wirklich gravierenden Verstöße mittlerweile sowieso gegen null gehen“, erklärt Kontrolleurin Renate Karsten. Sie und ihr Kollege Silas Oppl sind ein eingespieltes Team, gehen immer zu zweit zu Kontrollen. „Das ist einerseits zum Eigenschutz, anderseits aber auch einfach wegen des Vieraugenprinzips, so übersehen wir nichts. Denn sollten wir tatsächlich einen Verstoß feststellen, liegt die Beweislast bei unserer Behörde.“

„Der Amoklauf von Winnenden hat in der Region viel verändert“

Oppl und Karsten klingeln bei R. an der Tür, sie weisen sich aus, werden eingelassen und klären R. darüber auf, wie die Kontrolle abläuft. R. besitzt Kurzwaffen, also Revolver und Pistolen, sowie Gewehre, die unter den Begriff Langwaffen fallen. Die Kurzwaffen bewahrt er in einem Safe mit Zahlenschloss im Schlafzimmer auf. Dieser muss laut Vorschriften geschlossen sein. Oppl macht zuerst ein Foto des verschlossenen Safes und überprüft diesen. Dann öffnet R. den Safe, holt seine Waffen einzeln heraus und gibt sie Oppl. Der Kontrolleur überprüft genau, um welche Waffe es sich handelt, liest laut vor: Modell, Hersteller, Kaliber und Herstellungsnummer. Kollegin Karsten steht mit einer Liste, auf der alle Waffen stehen, die R. laut seiner Waffenbesitzkarte haben darf, hinter ihm und hakt ab. Oppl checkt, ob sich Kugeln im Magazin befinden. Weil es mittlerweile dämmert und das Licht im Schlafzimmer zwar ausreicht, er aber auf Nummer sicher gehen will, leuchtet er mit einer Taschenlampe ins Magazin hinein. „Entladen, gespannt, gesichert“, gibt er an Karsten weiter – alles korrekt, wie vorgeschrieben. Wäre eine der Waffen etwa geladen gewesen, wäre das nicht nur ein Verstoß, sondern auch eine Straftat.

Die Kontrolleure überprüfen alle Kurzwaffen, dann geht es in den Keller. Dort hat R. in einem weiteren Safe, gesichert mit Schlüssel, seine Langwaffen gelagert. Die Prozedur wiederholt sich, kurz gibt es Irritationen, weil auf der Liste ein anderer Hersteller eines Gewehrs steht als auf der Waffe selbst: Ist es dasselbe oder eines, das nicht auf der Waffenbesitzkarte steht? In diesem Fall wäre das ebenfalls ein Verstoß. Doch Oppl und Karsten können den Fall mit Fachwissen und Erfahrung klären: Oft ist auch der Hersteller des Stahls noch auf der Waffe, nicht nur der Hersteller der Waffe selbst – wie auch hier. Auch seine Munition hat R. korrekt gelagert, die Kontrolle endet ohne Beanstandungen.

„Generell gibt es bei uns seit 2009 immer weniger Verstöße“, sagt Karsten. „Davor war das anders, wir haben etwa bei 70 Prozent der Kontrollen Verstöße entdeckt.“ Was sich seit 2009 geändert hat? „Winnenden. Der Amoklauf hat hier in der Region viel verändert.“ Das sieht man auch an den Zahlen, die das Landratsamt zur Verfügung stellt: Allein im Jahr des Amoklaufs wurden dort 2559 Waffen zur Vernichtung entgegengenommen – freiwillig abgegeben von Waffenbesitzern. „Winnenden hat auch zu einer Waffenrechtsveränderung geführt. Vorher durften wir nicht ohne Anlass die Aufbewahrung der Waffen kontrollieren.“ In der Regel seien die Waffenbesitzer kooperativ, können Oppl und Karsten aus ihrer Erfahrung berichten: „Sie sind natürlich mal mehr, mal weniger erfreut, wenn wir kommen. Aber dass uns jemand nicht vorgelassen hat, kam bislang nicht vor.“ Auch mit sogenannten Reichsbürgern hatten die Waffenkontrolleure des Landkreises schon zu tun. „Zweimal. Wir hatten entsprechende Hinweise auf deren Ansichten erhalten. Und in beiden Fällen haben wir die Waffenbesitzkarten einbehalten. Einer hat das so hingenommen, der andere dagegen geklagt. Jetzt muss ein Gericht darüber entscheiden“, erzählt Karsten.

Herr R. gehört zur „breiten Masse“ der Waffenbesitzer. „Die meisten sind im Schützenverein und immer gut informiert darüber, was sie dürfen und was nicht“, so Oppl. „Durch unsere Kontrollen informieren und sensibilisieren wir ja auch.“ R. hat Kinder. Und diese wachsen in einem Haushalt mit Waffen auf. R. sieht das nicht als Problem. „Für sie ist es das Natürlichste der Welt, sie haben da ein ganz entspanntes Verhältnis zu. Meine Jüngste möchte auch den Jagdschein machen.“ Der Amoklauf von Winnenden habe ihn auch betroffen gemacht. „Aber als Legalwaffenbesitzer ärgert es mich auch, dass so etwas ein schlechtes Licht auf uns verantwortungsvolle Waffenbesitzer wirft, die nie gegen die Aufbewahrungsvorschriften verstoßen würden. Das kann mir einfach nicht egal sein.“

Silas Oppl kontrolliert, ob Munition im Magazin der Waffe ist, Renate Karsten schreibt Protokoll.

© Pressefotografie Alexander Beche

Silas Oppl kontrolliert, ob Munition im Magazin der Waffe ist, Renate Karsten schreibt Protokoll.

Info
Daten, Zahlen, Fakten

Die Großen Kreisstädte sind waffen- und sprengstoffrechtlich eigenständig. In die Zuständigkeit der Stadt Backnang fallen die Gemeinden: Allmersbach im Tal, Althütte, Aspach, Auenwald, Burgstetten, Kirchberg an der Murr, Oppenweiler und Weissach im Tal. Das Landratsamt des Rems-Murr-Kreises kümmert sich unter anderem um die Kommunen Großerlach, Murrhardt, Spiegelberg und Sulzbach an der Murr.

Die Zahl der beim Landratsamt Rems-Murr-Kreis registrierten Waffenbesitzer hat sich seit März 2009 mehr als halbiert. Damals waren es 3498 Waffenbesitzer, Ende Dezember 2018 nur noch 1643.

Auch die Anzahl der registrierten Waffen ist zurückgegangen: Im März 2009 waren es 12188 Waffen , Ende Dezember 2018 dann noch 9607. Aber: Die durchschnittliche Anzahl von Waffen pro Besitzer hat sich von 3,38 (in 2009) auf 5,85 (in 2018) Waffen erhöht.

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Erstellt:
1. März 2019, 17:46 Uhr

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