Unverpackt in der Uhlandstraße

Im Frühjahr 2020 möchte Stefan Krämer einen Unverpacktladen in Backnang eröffnen – Das Kapital sammelt er über Crowdfunding

Stefan Krämer möchte in Backnang einen Unverpacktladen eröffnen. Die passende Immobilie hat er schon gefunden, jetzt fehlt ihm nur noch das Startkapital. Das möchte er über Crowdfunding bekommen. Wie genau das ablaufen soll und welche Ideen er gerne in seinem Laden umsetzen möchte, erzählt er uns im Gespräch.

Geht es nach Stefan Krämer, wird sein Unverpacktaden bereits im Frühjahr in der Uhlandstraße 27 eröffnet. Foto: A. Becher

© Alexander Becher

Geht es nach Stefan Krämer, wird sein Unverpacktaden bereits im Frühjahr in der Uhlandstraße 27 eröffnet. Foto: A. Becher

Von Silke Latzel

BACKNANG. Angefangen hat alles vor fast eineinhalb Jahren. Stefan Krämer sieht sich eine Reportage an, die die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll thematisiert. „Das ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Es kann einfach nicht sein, dass wir immer alle so weitermachen, ohne das jemand etwas unternimmt“, erzählt der heute 52-Jährige. Er sammelt zunächst Informationen zum Thema Zero Waste, also der gänzlichen Vermeidung von Müll. „Ich bin dann relativ schnell auf die Idee der so genannten Unverpacktläden gekommen. Dort kann man fast alle Dinge des täglichen Gebrauchs ohne Verpackung kaufen. Eine spannende Idee, denn wenn man sich im normalen Supermarkt umschaut, sieht man, dass es viele Produkte einfach nur verpackt gibt.“

Krämer begibt sich auf Erkundungstour durch Deutschland, besucht Unverpacktläden und bemerkt, dass es diese auch bereits in kleineren Städten gibt, nicht nur in Berlin, Hamburg oder Stuttgart. In Backnang sucht er nach der passende Immobilie und wird in der Uhlandstraße 27 fündig, die Räume stehen derzeit leer. Die Eigentümerin mag Krämers Idee. Jetzt fehlt ihm nur noch das Eigenkapital. Das benötigt der 52-Jährige, um bei der Bank einen Kredit zu bekommen. Er beschließt, eine sogenannte Crowdfunding-Aktion (siehe Infokasten) zu starten. Über „Startnext“, eine deutsche Crowdfunding-Plattform für die Finanzierung von Ideen, Projekten und Start-up-Unternehmen, sammelt er ab sofort Geld, um seinen Traum vom Unverpacktladen umsetzen zu können.

Das Prinzip ist einfach, jeder kann mitmachen und sich so an der Entstehen des Ladens beteiligen. Entweder durch einen freien Betrag, der quasi gespendet wird, weil einem die Idee gefällt, oder durch das Konzept eines Dankeschöns: Man stellt Krämer Betrag X jetzt zur Verfügung und bekommt dann beispielsweise den Gegenwert des Betrags als Gutschein, um dort einkaufen zu können.

Krämers Crowdfunding-Kampagne hat zwei Ziele. Ziel eins sind 40000 Euro. Wird dieser Betrag nicht bis Mitte Februar erreicht, gilt das Projekt für „Startnext“ als gescheitert und alle Unterstützer, die bis dahin Geld zur Verfügung gestellt haben, bekommen es von der Plattform zurücküberwiesen. „Es ist für mich natürlich ein gewisses Risiko, aber abschätzbar“, so Krämer. Auf „Startnext“ seien bereits an die 70 Unverpacktläden auf diese Weise finanziert worden. „Ich denke auch nicht, dass das schiefgeht. Ich treffe hier in Backnang damit einen Nerv.“

Wird Ziel eins erreicht, verlängert sich die Kampagne und steuert auf Ziel zwei zu: 60000 Euro. „Wenn dieser Betrag zusammenkommt, dann wird das Projekt als Erfolg gewertet und kann umgesetzt werden“, erklärt Krämer. „Sollte dann allerdings doch noch etwas schiefgehen, bekommt jeder Unterstützer seinen Beitrag direkt von Krämer zurücküberwiesen. „Von diesem Szenario gehe ich allerdings nicht aus.“ Der 52-Jährige ist optimistisch und ist sogar schon Mitglied im Unverpackt-Verband. Finanzielle Unterstützung bekommt er bislang von seiner Familie. Auch das „Krombacher Naturprojekt“ ist mit im Boot.

Der gelernte Automobilkaufmann arbeitet derzeit noch in einem Backnanger Autohaus. Geht es nach ihm, soll sein Unverpackt-Laden schon im Frühjahr 2020 eröffnet werden. Rund 70 Quadratmeter beträgt die Fläche des Ladens in der Uhlandstraße. Mit seiner Idee geht es Krämer vor allem um die Vermeidung von Einwegplastik, etwa bei Nudelpackungen. Im Unverpacktladen werden die Waren in Großgebinden angeliefert. Bislang zwar auch noch in Einwegverpackungen, aber „die Branche stellt gerade um und baut ein Kreislaufsystem auf, sodass die Verpackungen wiederverwendet werden können“, so Krämer.

Im Unverpacktladen bringen die Kunden eigene Gefäße mit, um sich das abzufüllen, was sie kaufen möchten. Die leeren Behälter werden gewogen, das Gewicht notiert. Dann wird eingefüllt, was man möchte, abermals abgewogen und die Differenz bezahlt. „Es ist eine andere Art des Einkaufens, nicht nur von der Stimmung. Man kauft mehr mit dem Kopf ein, nimmt nur so viel mit, wie man auch braucht.“ Gläser und andere Behältnisse wird es im Laden übrigens zu kaufen geben, später möchte Krämer ein Pfandsystem einführen, sodass man die Gefäße nur zum Transport nach Hause benutzt und beim nächsten Einkauf wieder abgeben kann. Nicht nur Nudeln, Reis und Müsli soll es im Backnanger Unverpacktladen geben, sondern auch Öle, Reinigungs- und Hygieneprodukte sowie Käse und Wurst aus dem Glas.

Krämer ist es wichtig, für seinem Laden nur Second-Hand-Möbel anzuschaffen und mit vielen regionalen Erzeugern zusammenzuarbeiten. „Lieferanten können sich jederzeit bei mir melden“, sagt er. Um das Angebot in seinem Laden abzurunden, möchte er eine Sitzecke einrichten, „Da kann man dann Kaffee trinken und Zeitschriften lesen.“ Stefan Krämer ist von seiner Idee überzeugt und sagt: „Wenn man der Meinung ist, dass etwas nicht in Ordnung ist, sollte man nicht nur darüber sprechen., sondern auch etwas tun.“ Und beim Thema Verpackungsmüll möchte er genau das jetzt machen. Mit seinem Unverpacktladen.

Wer sich an Krämers Crowdfunding-Aktion beteiligen möchte, findet Infos dazu auf www.startnext.com/kraemerladen-unverpackt.

Info
Was ist Crowdfunding und wie funktioniert es?

Crowdfunding (von englisch crowd für „(Menschen-)Menge“, und funding für „Finanzierung“), auf deutsch auch Schwarmfinanzierung oder Gruppenfinanzierung, ist eine Art der Finanzierung.

Mit dieser Methode der Geldbeschaffung lassen sich Projekte, Produkte oder die Umsetzung von Geschäftsideen mit Eigenkapital oder dem Eigenkapital ähnlichen Mitteln, in Deutschland zumeist in Form partiarischer Darlehen oder stiller Beteiligungen, versorgen.

Eine so finanzierte Unternehmung und ihr Ablauf werden als eine Aktion bezeichnet. Ihre Kapitalgeber sind eine Vielzahl von Personen – in der Regel Internetnutzer, da zum Crowdfunding meist online aufgerufen wird.

Der typische Ablauf einer Crowdfunding-Aktion läuft wie folgt ab: Eine Aktion ist durch eine Mindestkapitalmenge gekennzeichnet, die durch die Masse fremdfinanziert sein muss, bevor die Aktion startet. Im Verhältnis zur Mindestkapitalmenge leistet jedes Mitglied der Masse (Crowdfunder) nur einen geringen finanziellen Anteil.

Für diese Leistung kann der Crowdfunder eine Gegenleistung erhalten, die verschiedene Formen annehmen kann, etwa Rechte, Geld, Sachleistungen, den man dann als einen monetarisierbaren Wert ausdrücken kann. Darüber hinaus kann die Gegenleistung einen ideellen oder altruistischen Wert besitzen, zum Beispiel die Unterstützung von humanitären Projekten, die keine ökonomische Gegenleistung versprechen.

Die Kommunikation zwischen Geldgeber und -nehmer wird über eine Plattform im Internet realisiert. In der Regel veröffentlicht der Geldnehmer über diese Plattform eine weitgehend offene Ausschreibung, die sich an alle geschäftsfähigen Internetnutzer richtet; ohne Ein- oder Ausgrenzung möglicher Geldgeber.

Ein weiteres kennzeichnendes Merkmal von Crowdfunding ist, dass durch Crowdfunding erzielte Gelder zweckgebunden an die jeweilige Aktion sind.

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Erstellt:
31. Dezember 2019, 06:00 Uhr

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