Misstrauensantrag
Ursula von der Leyen in Bedrängnis
Die EU-Kommissionschefin muss zum zweiten Mal einen Misstrauensantrag überstehen. Das Problem: im Europaparlament ist die Frustration über sie inzwischen groß ist.

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EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist wegen ihres hierarchischen Führungsstils in der Kritik.
Von Knut Krohn
Ursula von der Leyen stehen vor einer Nagelprobe. Die EU-Kommissionspräsidentin muss sich zum zweiten Mal innerhalb von drei Monaten im Europaparlament einer Befragung und zwei Misstrauensanträgen stellen. Nach außen gibt sich die mächtigste Frau Europas unbekümmert, denn es ist unwahrscheinlich, dass sie um ihr Amt fürchten muss - zumal die Anträge von der extremen Rechten und der radikalen Linken gestellt wurden.
Allerdings könnten dieses Mal auch Vertreter der demokratischen Mitte die unerwartete Chance nutzen, Ursula von der Leyen einen schmerzhaften Denkzettel zu verpassen. Denn die Unzufriedenheit über ihren hierarchischen Führungsstil und die mangelnde Transparenz in der EU-Kommission wird bei vielen Europaabgeordneten immer größer. Nachhaltig geschadet hat ihr auch die sogenannte „Pfizer-Gate-Affäre“. Ursula von der Leyen weigert sich bis heute, Textnachrichten offenzulegen, die sie im Zuge eines Milliardendeals während der Corona-Pandemie mit dem Pfizer-Chef austauschte.
Die extremen Kräfte kennen die Schwachstellen
Von diesem tiefen Groll wissen natürlich auch extremen rechten Parteien im Parlament, die sich zur Fraktion „Patrioten für Europa“ (PfE) zusammengeschlossen haben – und versuchen, ihn für ihrer Zwecke zu nutzen. Sie kritisieren in ihrem Antrag etwa die Klimapolitik, wegen der Ursula von der Leyen sogar bei den eigenen Parteifreunden aus der CDU massiv in der Kritik steht. Die rigiden Vorgaben im Bereich Umweltschutz würden für die Unternehmen nicht nur die Bürokratie aufblähen. Ein Dorn im Auge der Konservativen sind auch viele Klimaziele, etwa das Verbrenner-Aus. Selbst Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hält sich mit Kritik an der EU-Kommission nicht mehr zurück. „Ich will es mal etwas plastisch und bildlich sagen: Wir müssen dieser Maschine in Brüssel jetzt mal das Stöckchen in die Räder halten, damit das mal aufhört“, ätzte Merz dieser Tage in Richtung EU.
Die Linken zielen in ihrem Misstrauensantrag auf die Wirtschaftspolitik. Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan wirft der Kommission vor, ein „verheerendes Zollabkommen mit Trump“ geschlossen zu haben, das Tausende Arbeitsplätze vernichten werde. Auch diese Meinung, dass Ursula von der Leyen von US-Präsident Donald Trump über den Tisch gezogen wurde, wird in der CDU und der SPD von nicht wenigen Abgeordneten geteilt. Schirdewan moniert auch, dass die Kommission angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen zu lange geschwiegen habe. Damit trifft er ebenfalls einen wunden Punkt, denn das ist ein Vorwurf, der von sehr vielen Parlamentariern aus Spanien, Frankreich, Italien oder Irland ebenso formuliert wird.
Rückendeckung bekommt die Chefin aus der CDU
Rückendeckung bekommt Ursula von der Leyen natürlich von Manfred Weber (CSU). Der Chef der Europäischen Volkspartei (EVP) kritisierte das Vorgehen: „Diese Misstrauensanträge sind reine populistische Propaganda. Es ist vollkommen klar, dass sie abgelehnt werden.“ Natürlich stellen sich auch die Sozialdemokraten im Europaparlament hinter die Kommissionschefin und wittern ein politisches Manöver, allein um der EU zu schaden. „Das Misstrauensvotum ist das schärfste Schwert des Parlaments. Wer es alle paar Monate zieht, macht es wirkungslos“, heißt es in einer Mitteilung der SPD.
Die Opposition bemängelt einen Rechtsruck
Doch die Fraktion der Sozialisten wankt zwischen staatstragendem Verhalten und der eigenen Rolle als Opposition im Parlament. Denn neben der scharfen Kritik an Ursula von der Leyens Führungsstil werfen vor allem Sozialdemokraten und Grüne der Deutschen vor, sie mache sich zur Komplizin eines Rechtsrucks, den Manfred Weber als konservativer Mehrheitsführer im Parlament vollzogen habe. Der Grund: im früheren Parlament konnten beide Parteienfamilien eine links-grünen Mehrheiten gegen die EVP bilden und ihre Ziele durchsetzen. Inzwischen aber hat Weber in Giorgia Melonis Fratelli d‘Italia einen rechten Partner hinzugewonnen, der sich bei Abstimmungen im Parlament als Muster an Verlässlichkeit zeigt. So bestimmt der EVP-Chef die Agenda, die Sozialdemokraten hingegen befinden sich in einem stetigen Abwehrkampf, wenn es um Entbürokratisierung, Klimapolitik oder irreguläre Migration geht. Das zehrt an den Nerven.
Beim ersten Misstrauensantrag vor drei Monaten haben sich Sozialisten und Grüne nicht – wie angedroht - der Stimme enthalten und Ursula von der Leyen mit einem deutlichen Sieg im Parlament eine Blamage erspart. Doch dieses Mal könnte die Entscheidung wesentlich knapper ausfallen.