Mehrfacher Sex mit Patientin
Urteil gegen den Ex-Therapeuten der Uniklinik Tübingen gefallen
Mehr als 50 sexuelle Kontakte zwischen Therapeut und Patientin – im Fall des Ex-Arztes der Uniklinik Tübingen hat die Richterin im Berufungsprozess am Mittwoch das Urteil verkündet.
© imago/Schöning, STZN/Dürr
Auch im Behandlungszimmer des verurteilten Arztes in der Tübinger Psychiatrie (links) kam es zum Sex mit seiner Patientin. Am Mittwoch wurde am Landgericht Tübingen das Urteil im Berufungsprozess verkündet.
Von Florian Dürr
Am Ende eines langen Verhandlungstages am Landgericht Tübingen verkündet die Vorsitzende Richterin Hörmann am Mittwochabend um kurz nach 19 Uhr doch noch das Urteil im Berufungsprozess gegen den ehemaligen Arzt der Uniklinik Tübingen, der seine Patientin in 53 Fällen unter Ausnutzung des Behandlungsverhältnisses missbraucht haben soll.
Das Gericht verurteilte den 63-Jährigen zu einem Jahr und neun Monaten Freiheitsstrafe, setzte sie jedoch für zwei Jahre zur Bewährung aus. Zudem muss der Angeklagte 15.000 Euro in 24 Raten an den Verein „Frauen helfen Frauen“ zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, innerhalb einer Woche kann Revision beim Landgericht Tübingen eingereicht werden. In erster Instanz war der Mann vom Amtsgericht Tübingen noch zu zweieinhalb Jahren Haft ohne Bewährung verurteilt worden.
Gericht sieht keine Vergewaltigung beim ersten Sex
Die sexuellen Kontakte fanden während der Therapie an der Tübinger Psychiatrie statt – zum Teil im Behandlungszimmer des ehemaligen Uniklinik-Arztes, aber auch in seiner Tübinger Privatwohnung. Der 63-Jährige war bereits Arzt, aber noch in Ausbildung zum Facharzt für Psychotherapie. „Das darf in einem Behandlungsverhältnis nicht passieren, das ist ein No-Go“, machte Richterin Hörmann klar.
Doch die Kammer widersprach der Einschätzung der Nebenklage, die zusätzlich auf eine Verurteilung wegen Vergewaltigung für den ersten Geschlechtsverkehr zwischen Therapeut und Patientin Anfang Oktober 2020 plädierte. „Wir sind der Ansicht, dass zu keinem Zeitpunkt Gewalt im Spiel war“, so Hörmann.
Richterin: „Für beide war der Prozess eine große Belastung“
Viel mehr habe sich eine „gewisse Liebesbeziehung“ zwischen Therapeut und Patientin entwickelt. „Es waren auch Gefühle im Spiel, es ging nicht nur um schnellen Geschlechtsverkehr“, begründete die Richterin. Mit Verweis auf mehrere Zeugen habe die Geschädigte nicht glaubhaft machen können, dass der erste Sex mit ihrem Therapeuten erkennbar gegen ihren Willen geschehen sei.
Für den Angeklagten spreche, dass er die Taten eingeräumt und sich entschuldigt habe. Zudem sei er nicht vorbestraft und selbst in psychiatrischer Behandlung. Die Sozialprognose sei gut. „Aber für beide“, so Hörmann, war der Prozess „eine große Belastung“.
