Urteile im Missbrauchsfall Münster erwartet

dpa/lnw Münster. Das Grauen wurde nicht-öffentlich verhandelt, nun spricht das Gericht ein Urteil im Hauptprozess um den Missbrauchskomplex Münster. Welche Strafen drohen?

Der damals 27-Jährige Hauptangeklagte (vorne), seine Mutter (ganz hinten links) und ein dritter Angeklagter (roter Hefter) sitzen in einem Gerichtssaal des Landgerichts. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa-Pool/dpa

Der damals 27-Jährige Hauptangeklagte (vorne), seine Mutter (ganz hinten links) und ein dritter Angeklagter (roter Hefter) sitzen in einem Gerichtssaal des Landgerichts. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa-Pool/dpa

In einem Kindesmissbrauchsfall von besonders erschütternder Dimension fällen die Richter am Landgericht Münster heute ein Urteil gegen fünf Angeklagte. Dem 28-Jährigen mutmaßlichen Drahtzieher im sogenannten Missbrauchskomplex Münster wird vorgeworfen, den heute elfjährigen Sohn seiner Lebensgefährtin immer wieder selbst vergewaltigt und ihn anderen Männern für ihre grausamen sexualisierten Gewalttaten überlassen zu haben.

Auch die mitangeklagten Männer - ein 36-Jähriger aus Hannover, ein 31-jähriger aus Staufenberg in Hessen und ein 43-jähriger aus Schorfheide in Brandenburg - sollen sich als drei von vielen Peinigern an dem Kind vergangen haben.

Ein Tatort soll eine inzwischen abgerissene Gartenlaube in Münster gewesen sein. Über drei Tage hinweg sollen die angeklagten Männer dort den Ziehsohn des Hauptangeklagten sowie den damals fünfjährigen Sohn des Angeklagten aus Hessen wiederholt und teilweise stundenlang vergewaltigt haben. Weil sie von dem Geschehen in ihrem Kleingarten-Häuschen gewusst haben soll, ist in dem Prozess auch die Mutter des 28-Jährigen wegen Beihilfe angeklagt - eine 46-jährige ehemalige Erzieherin aus Münster.

Im Prozess, der zum Schutz der Opfer in weiten Teilen unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand, wurden zudem weitere schwerwiegende Vorwürfe verhandelt. So soll der 43-Jährige aus Schorfheide seinen eigenen Sohn sowie einen weiteren entfernt verwandten, damals neunjährigen Jungen schwer missbraucht haben. Zuvor sollen die Kinder mit einem Betäubungsmittel wehrlos gemacht worden sein.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage hatten Haftstrafen zwischen zehn und 14 Jahren für die Deutschen sowie anschließende Sicherungsverwahrung wegen Wiederholungsgefahr gefordert. Die Verteidigung will mildere Urteile, im Fall der angeklagten Frau plädierte der Anwalt auf Freispruch. Nach dem Willen der Staatsanwaltschaft soll die Erzieherin für sechs Jahre in Haft.

Münster ist neben Lügde und Bergisch Gladbach einer von drei großen Tatkomplexen sexueller Gewalt gegen Kinder in Nordrhein-Westfalen, die seit dem Jahr 2019 aufgedeckt wurden. Ausgehend von den Ermittlungen in der Gartenlaube und bei dem 28-jährigen Hauptangeklagten waren große Netzwerke mit zahlreichen Beteiligten und einer Vielzahl von Opfern ans Licht gekommen. Etwa 30 Kinder sollen in dem Gesamtkomplex Opfer geworden sein.

Es laufen bislang Verfahren gegen etwa 50 Tatverdächtige, von denen rund 30 in Untersuchungshaft sitzen. Die Auswertung sichergestellter Daten dauert an. Im Frühjahr war auch die Mutter des Elfjährigen festgenommen worden, der unzählige Male Opfer des eigenen Stiefvaters geworden und wechselnder Peiniger sein soll. Gegen fünf Angeklagte hat das Landgericht Münster bereits ein Urteil gesprochen - und Freiheitsstrafen zwischen etwas mehr als drei Jahren und neun Jahren verhängt.

In dem nun zu Ende gehenden Prozess gegen die Schlüsselfigur in dem Komplex - den 28-jährigen IT-Techniker aus Münster - wurden nach Gerichtsangaben während der mehr als 50 Verhandlungstage 70 Zeugen vernommen, sieben Sachverständige sagten aus. Die Akten umfassen insgesamt 20.000 Seiten.

© dpa-infocom, dpa:210706-99-271822/3

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Erstellt:
6. Juli 2021, 03:12 Uhr

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