Ukraine-Konflikt

USA und Ukraine einigen sich auf überarbeiteten Friedensplan

Sie haben stundenlang verhandelt. Die USA und die Ukraine haben in Genf eine neue Version des ursprünglich sehr umstrittenen Friedensplans ausgearbeitet. Washington ist optimistisch.

US-Außenminister Marco Rubio spricht mit Journalisten im Rahmen von Konsultationen über einen US-Friedensplan in der US-Vertretung in Genf. (Archivbild)

© Lian Yi/XinHua/dpa

US-Außenminister Marco Rubio spricht mit Journalisten im Rahmen von Konsultationen über einen US-Friedensplan in der US-Vertretung in Genf. (Archivbild)

Von red/dpa

Im Ringen um einen Friedensplan für ein Ende des Ukraine-Kriegs gibt es Fortschritte: Vertreter der USA und der Ukraine haben bei Gesprächen in Genf gemeinsam einen überarbeiteten und verbesserten Entwurf erstellt. Beide Seiten seien sich einig, die intensive Arbeit an dem Vorschlag „in den kommenden Tagen“ fortzusetzen und sich dabei weiter eng mit den europäischen Partnern abzustimmen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die in Kiew und Washington verbreitet wurde. 

US-Außenminister Marco Rubio sprach in Genf von „enormen Fortschritten“. Die noch offenen Punkte seien „nicht unüberwindbar“, sagte er - ohne Details zu den strittigen Themen zu nennen. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir es schaffen werden“, sagte Rubio.

Finale Entscheidungen zu dem neuen Plan zur Beendigung des seit mehr als dreieinhalb Jahren andauernden russischen Angriffskriegs würden von US-Präsident Donald Trump und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj getroffen, hieß es in der gemeinsamen Erklärung weiter. Der neue Entwurf wurde zunächst nicht veröffentlicht. Und sobald es einen finalen Plan geben wird, den Kiew, Washington und die europäischen Partner gutheißen, muss immer noch die größte Hürde überwunden werden: Ohne die Zustimmung des russischen Präsidenten Wladimir Putin kann es keinen Frieden geben.

Europa- und Nato-Themen sollen separat besprochen werden

Rubio versicherte den europäischen Partnern, dass Themen, die Europa und die Nato direkt beträfen, separat behandelt werden sollten. Dazu wolle man die Meinungen der Verbündeten einholen, sagte er.

In Genf hatten am Sonntag in unterschiedlichen Gesprächsformaten Unterhändler Deutschlands, Frankreichs, Großbritanniens, Italiens, der EU, der Ukraine und der Vereinigten Staaten über den 28 Punkte umfassenden Friedensplan der US-Seite beraten. Der ursprüngliche Plan war vergangene Woche über US-Medien bekanntgeworden und wurde von Kritikern als extrem vorteilhaft für Russland und nahezu als Kapitulation für die Ukraine bewertet.

Die Veröffentlichung löste hektische diplomatische Bemühungen aus, die unter anderem am Wochenende auch den G20-Gipfel in Südafrika überschatteten. Ziel der europäischen Partner Kiews war es, zu einem Entwurf zu kommen, der auch die Interessen der Ukraine und Europas angemessen reflektiert.

Harte Frist für die Ukraine aufgeweicht

Ursprünglich hatte Trump der Ukraine nur bis diesen Donnerstag - dem US-Feiertag Thanksgiving - Zeit für eine Antwort auf den Friedensplan eingeräumt. Zuletzt zeigte er sich dahingehend aber versöhnlicher. Auch Rubio weichte die Frist auf. Zwar wünsche er sich einen Abschluss bis dahin - doch „ob Donnerstag, Freitag, Mittwoch oder Montag kommende Woche“ sei nachrangig. „Wir wollen, dass es bald passiert“, sagte Rubio.

Nach Angaben des Weißen Hauses nahmen neben Rubio der US-Sondergesandte Steve Witkoff, Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und Staatssekretär Daniel Driscoll an dem Treffen in Genf teil. Die ukrainische Delegation leitete Selenskyjs Kanzleichef Andrij Jermak.

Weitere Beratungen von Merz und EU-Kollegen

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und andere europäische Staats- und Regierungschef wollten heute auch am Rande eines EU-Afrika-Gipfels in Angola über den Umgang mit dem Friedensplan beraten. Führende EU-Staaten wie Deutschland und Frankreich hielten zentrale Bestandteile des ursprünglichen 28-Punkte-Plans für inakzeptabel.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan brachte unterdessen sein Land erneut als Vermittler ins Spiel und kündigte ein Telefonat mit Putin an. Kremlsprecher Dmitri Peskow bestätigte das für heute geplante Gespräch. Die Türkei war schon in der Vergangenheit Austragungsort direkter Verhandlungen zwischen Russland und der Ukraine.

Ukraine laut Weißem Haus mit aktuellem Friedensplan einverstanden

Einer Mitteilung des Weißen Hauses zufolge soll die Ukraine mit dem überarbeiteten Plan zufrieden sein. Die ukrainischen Vertreter hätten auf Basis der vorgelegten Überarbeitungen und Klarstellungen erklärt, dass der aktuelle Entwurf die Interessen des Landes widerspiegele und „kurz- und langfristige, glaubwürdige und durchsetzbare Mechanismen zum Schutz der ukrainischen Sicherheit“ biete. Die Ukraine äußerte sich zunächst nicht dazu. In der kurz zuvor veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der beiden Länder waren die Formulierungen zu den Ergebnissen der Gespräche in Genf zurückhaltender.

Der umstrittene ursprüngliche Friedensplan sah zum Beispiel vor, dass die Ukraine bislang noch verteidigte Gebiete an Russland abtritt, ihre militärischen Fähigkeiten beschränkt und die Nato einen Verzicht auf jegliche Erweiterung erklärt. Russland müsste dagegen nur vergleichsweise geringe Zugeständnisse machen und unter anderem auf in der EU eingefrorenes Staatsvermögen verzichten. Dieses würde für den Wiederaufbau der Ukraine genutzt werden.

Europäer wollen US-Ukraine-Plan in Kernpunkten abschwächen

Europäische Änderungsvorschläge zum US-Plan sahen eine deutliche Abschwächung zahlreicher Kernpunkte zugunsten der Ukraine vor. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll die Regierung in Kiew demnach beispielsweise keine Gebiete an Russland abgeben müssen, die sie bislang noch selbst kontrolliert. Zudem ist auch keine de facto Anerkennung der von Russland eingenommen Gebiete vorgesehen.

Ebenso sehen die Vorschläge vor, die Größe der ukrainischen Streitkräfte nur auf 800.000 statt auf 600.000 Soldaten zu begrenzen und eingefrorenes russisches Staatsvermögen nur dann freizugeben, wenn Russland Ausgleichszahlungen für die Kriegsschäden leistet.

Nato-Beitritt bleibt denkbar

Zudem soll ein Nato-Beitritt der Ukraine nicht mehr explizit ausgeschlossen sein und auch keine allgemeine Amnestie für Kriegsverbrechen gewährt werden. Die im US-Plan genannte Frist für Wahlen in der Ukraine innerhalb von 100 Tagen wird im Entwurf der Europäer ebenfalls nicht genannt. Stattdessen sollen sie nur so „schnell wie möglich“ organisiert werden.

Russland soll allerdings weiterhin wie im US-Plan eine Wiederbelebung der G8-Gruppe der großen Industrienationen in Aussicht gestellt worden sein. Aus ihr war das Land 2014 nach der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim verbannt worden. Inwieweit die Änderungsvorschläge bei Verhandlungen in Genf Gehör fanden, blieb zunächst unklar.

Tote und Verletzte in der Ukraine nach neuen Angriffen

Während andernorts über mögliche Wege zu einem Frieden gesprochen wurde, herrschte in mehreren Regionen der Ukraine in der Nacht wieder Luftalarm. Bei massiven Drohnenangriffen auf die ostukrainische Stadt Charkiw wurden nach örtlichen Behördenangaben mindestens vier Menschen getötet. 15 weitere Personen seien verletzt worden, schrieb Bürgermeister Ihor Terechow bei Telegram. In der Stadt habe es 15 Attacken an sechs Orten gegeben.

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Erstellt:
24. November 2025, 06:36 Uhr

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