Selbst Strom erzeugen
Verbietet eine neue Norm alle Balkonkraftwerke?
Was einer breiten Öffentlichkeit unbekannt sein dürfte: Derzeit wird an einer globalen Norm gearbeitet, die zum Problem für Betreiber von Balkonkraftwerken werden könnte.

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Ein Mehrfamilienhaus in Berlin mit mehreren Balkonkraftwerken: Wie geht es mit der Energiewende im Kleinen weiter?
Von Judith A. Sägesser
Anfang Juli endet eine Kommentierungsfrist für eine internationale Norm, die derzeit in Arbeit ist – und weitreichende Auswirkungen für die Betreiber von Balkonkraftwerken haben könnte. Betonung auf „könnte“.
Die Internationale Elektrotechnische Kommission (IEC) bereitet den globalen Standard für Niederspannungs-Stromerzeugungsanlagen namens IEC 60364-7-751 CDV vor. Zu den Passagen, die die Balkonkraftwerk-Szene aktuell in Aufregung versetzen, gehört diese: „A generating set shall not be connected to a final circuit.“
Machdeinenstrom.de – ein Projekt des Start-ups EmpowerSource, das die Energiewende fördern will – übersetzt den Inhalt so: „Der Anschluss von Steckersolargeräten am Haushaltsstromkreis ist untersagt.“ Der wöchentliche Newsletter von Machdeinenstrom.de warnt in seiner neuesten Ausgabe: „Wie sich zwischenzeitlich herausgestellt hat, ist die Gefahr noch wesentlich größer als gedacht, macht sofortiges Handeln notwendig“, heißt es.
Was bedeutet Norm für Balkonkraftwerke?
Was ist dran an diesem Szenario? Und kann eine internationale Norm tatsächlich Balkonkraftwerke in Deutschland verbieten?
Der Verband Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik (VDE), die deutsche Normierungsbehörde, arbeitet derzeit an einer Produktnorm für das Balkonkraftwerk. Der Prozess sei „aktuell in einer fortgeschrittenen Phase“, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion. „Wir rechnen mit einer Veröffentlichung der endgültigen Fassung bis Ende des dritten Quartals 2025.“
Die sich abzeichnende internationale Norm bestätigt der VDE auf Nachfrage: „Ja, es gibt ein globales Normierungsverfahren, das möglicherweise gegenläufig zu den deutschen Regelungen für Steckersolargeräte ist.“ Der Entwurf stehe der Öffentlichkeit auf dem IEC-Public-Commenting-Tool zur Verfügung und könne noch bis zum 7. Juli kommentiert werden.
Das sagt der VDE zur internationalen Norm
Der Entwurf „scheint in der derzeitigen Form weit fortgeschritten zu sein“, so der VDE. „Dennoch besteht die Möglichkeit, dass nationale Ausschüsse, einschließlich Deutschlands, Einfluss nehmen, um die Norm zu modifizieren.“
Nicht zwingend
Grundsätzlich gilt laut VDE: „IEC-Normen sind international anerkannte Standards, die von Mitgliedsländern wie Deutschland übernommen werden können, aber nicht zwingend verbindlich sind.“ In Deutschland würden IEC-Normen oft in nationale Normen überführt, wobei Anpassungen an nationale Gegebenheiten möglich seien.
Der Balkonsolar-Verein in Freiburg hat anlässlich des internationalen Normierungsverfahrens am 19. Juni einen Brief an Dan Jørgensenden, EU-Kommissar für Energie und Wohnen, geschickt – mit Darlegung des Problems und der Bitte um Unterstützung in der Sache.
Michael Bloss, EU-Parlamentarier der Grünen aus Stuttgart, meint auf Nachfrage unserer Redaktion, „dass wir bei dem Thema die kommenden Monate wachsam bleiben müssen“. Steckersolargeräte – wie Balkonkraftwerke auch genannt werden – seien eine einfache, sichere und erfolgreiche Art, Strom zu erzeugen. „Wir werden uns mit aller Kraft dafür einsetzen, solche unsinnigen Regeln zu verhindern.“